Mannheim, 02. Oktober 2017. (red/pro) Aktualisiert. Im Dezember 2016 stimmte der Gemeinderat für eine Veränderung des Redaktionsstatuts des Amtsblatts. Nach der neuen Regelung durften Einzelstadträte dort keine Beiträge mehr veröffentlichen. Dagegen klagte Julien Ferrat, über die Liste Die Linke gewählt, jetzt aber Familienpartei. Und kann jetzt einen Erfolg verbuchen – zwar nicht juristisch, aber die Stadt ist unter Druck und reagiert.
Aktualisierung, 04. Oktober, 16:43 Uhr. In der ersten Fassung hatten wir für Fraktionen und Gruppen eine Sockelanzahl von Zeichen 7.500 Zeichen berichtet. Dies ist nicht zutreffend. Wir bitten, den kleinen Fehler zu entschuldigen. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat uns zwischenzeitlich mitgeteilt, dass es noch keinen Termin zur Verhandlung der Normenkontrollklage gibt.
Von Hardy Prothmann
Wie so häufig sind grundlegende Sachverhalte durchaus komplex. Der Gemeinderat hatte eine Änderung des Redaktionsstatuts beschlossen, die künftig Beiträge von Einzelstadträten im Amtsblatt der Stadt ausschloss.
Wir hatten uns klar gegen diese Änderung positioniert, weil wir eher den Aspekt des Minderheitenschutzes vorrangig sahen – während Fraktionen große Zeichenkontingente haben, blieb vor der Änderung für Einzelstadträte mehr oder weniger nur Platz für ein bis zwei Artikel pro Jahr. Und selbst diese Möglichkeit, sich mit Positionen an die Öffentlichkeit zu wenden, war nun genommen worden. Reichlich unfair und wenig souverän, wie wir finden.
Das Anliegen war eindeutig danach motiviert, insbesondere dem NPD-Stadtrat Christian Hehl die Möglichkeit ein Veröffentlichung zu verwehren. Doch der Rechtsstaat gilt auch für Rechtsradikale – und die neue Regelung enthält ein Problem.
Ferrat scheitert mit Anspruch vor Gericht
Einzelstadtrat Julien Ferrat klagte gegen die Neureglung des Redaktionsstatuts und verlor vor dem Verwaltungsgericht in Karlsruhe.
Eine Beschwerde und einen Eilantrag schmetterte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) ab. Der Grund: Nach der Gemeindeordnung (§20) ist es nicht vorgesehen, dass Einzelstadträte ein Recht auf Mitteilungen in einem Amtsblatt haben:
Gibt die Gemeinde ein eigenes Amtsblatt heraus, das sie zur regelmäßigen Unterrichtung der Einwohner über die allgemein bedeutsamen Angelegenheiten der Gemeinde nutzt, ist den Fraktionen des Gemeinderats Gelegenheit zu geben, ihre Auffassungen zu Angelegenheiten der Gemeinde im Amtsblatt darzulegen. Der Gemeinderat regelt in einem Redaktionsstatut für das Amtsblatt das Nähere, insbesondere den angemessenen Umfang der Beiträge der Fraktionen. Er hat die Veröffentlichung von Beiträgen der Fraktionen innerhalb eines bestimmten Zeitraums von höchstens sechs Monaten vor Wahlen auszuschließen.
Damit war klar: Die Einzelstadträte Julien Ferrat (Familienpartei), Christian Hehl (NPD) und Helmut Lambert (vormals AfD, jetzt parteilos) haben nach dem aktuellen Redaktionsstatut keinen Anspruch auf die Veröffentlichung von Beiträgen.
Normenkontrollantrag noch offen
Offen ist allerdings noch der Normenkontrollantrag vor dem VGH und der stellte in seinen Entschlüssen zum Eilantrag und zur Beschwerde fest, dass dieser durchaus Chancen hätte – denn in der Gemeindeordnung steht nicht von „Gruppen“ oder „Gruppierungen“, die nach dem aktuellen Redaktionsstatut veröffentlichen dürfen, Einzelstadträte aber nicht. Hält man sich also an die Gemeinderatsordnung, müssten die Gruppen auch ausgeschlossen werden. Konkret: Bürgerfraktion (3), Die Linke (2) und FDP (2) dürften auch nicht mehr veröffentlichen. (Anm. d. Red.: Die ehemalige AfD-Fraktion ist verschwunden, weil die vier Mitglieder aus der Partei ausgetreten sind. Danach war es ALFA, dann LKR und jetzt „Bürgerfraktion“, allerdings mit nur drei Mitgliedern und damit keine Fraktion. Fraktionen müssen mindestens vier Mitglieder haben. Man kann sich so nennen, ist aber eine Gruppe, die 2-3 Mitglieder hat.)
Zusammen wären das zehn von 48 Stadträten, also knapp 20 Prozent, die sich nicht mehr über das Amtsblatt an die Bevölkerung richten könnten. Insbesondere die Gruppen wären sich nicht amüsiert darüber.
Problem erkannt – und für alle verbessert
Die Stadtverwaltung hat das Problem erkannt und bringt einen Vorschlag zur Korrektur. Danach erhalten Fraktionen und Gruppierungen pro Mitglied 7.500 Zeichen. Einzelstadträte erhalten analog pro Kopf 7.500 Zeichen.
Jetzt könnte man darüber streiten, ob Fraktionen nicht mehr Zeichen bekommen sollten, ebenso Gruppierungen – wäre das „angemessener“? Die SPD hat 13 Stadträte, die Freien Wähler aber nur 5. Müsste eine mehr als doppelt so große Fraktion nicht auch mehr Zeichen bekommen? Darüber kann man hin und herstreiten. Man kann es aber auch annehmen, dass man alle Stadträte mit der pro Kopf Zahl gleich stellt. Sollte das so entschieden werden, hat Stadtrat Ferrat juristisch zwar verloren, in der Sache aber gewonnen.
Unterm Strich ist der aktuelle Vorschlag der Verwaltung eine deutliche Verbesserung – für alle, also Einzelstadträte, Gruppen und Fraktionen. Am Donnerstag, 05. Oktober 2017, 16:30, Raum Swansea, Stadthaus N1, behandelt der Hauptausschuss die Vorlage.