Mannheim, 13. Februar 2017. (red/pro) Das Bündnis “Mannheim gegen rechts” hat heute in einem Facebook-Post massive Kritik an der Stadt Mannheim und Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz geäußert. Die Zusammenarbeit mit dem Pop-Sänger Xavier Naidoo müsse sofort beendet werden. Dieser sei “antisemitisch, homophop” und äußere “krude Versatzstücke neurechter Ideologien” wie von den Reichsbürgern. Das Bündnis “Mannheim gegen rechts” wird von vielen Organisationen unterstützt, darunter dem Deutschen Gewerkschaftbund (DGB), aber auch gewaltbereiten linksradikalen Gruppierungen, von denen man sich nicht abgrenzt.
Im Rahmen des Radjubiläums tritt der Sänger Xavier Naidoo, Mitglied der Band “Söhne Mannheims”, erneut als Botschafter der Stadt auf. In einem Werbemusikvideo zur “Monnem Bike”-Kampagne singt er das Lied “Willst du mich begleiten?”. Es hat den Anschein, dass Xavier Naidoos krude Ansichten aus Versatzstücken neurechter Ideologie in Vergessenheit geraten sind. Das ist für das Bündnis Mannheim gegen Rechts nicht akzeptabel. Wir erwarten, dass die von der Stadt Mannheim selbst gesteckten Ziele, die in der Mannheimer Erklärung für Zusammenleben in Vielfalt formuliert wurden, auch für die Zusammenarbeit mit Xavier Naidoo leitend sind,
schreibt “Mannheim gegen rechts” in der Stellungnahme.
Herr Naidoo geriet im Herbst 2014 in die Schlagzeilen, nachdem er als Redner einer Kundgebung der Reichsbürger-Szene in Berlin aufgetreten war. Es folgte eine bundesweite öffentliche Diskussion. Bei Interviews, unter anderem mit der Zeitschrift stern, verteidigte er seine Positionen und distanzierte sich bis heute nicht davon.
“Radikal-libertäre, anti-staatliche Positionen”
Auch in Mannheim wurde intensiv diskutiert. 2014 sagte Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD), Xavier Naidoo vertrete „radikal libertäre, anti-staatliche Positionen, mit denen wir uns als Stadt in keiner Weise identifizieren können“. Allerdings: In der aktuellen Diskussion über eine mögliche Auftrittsabsage in Rosenheim äußerte er sich über die Söhne Mannheims: “Es ist absurd, die Söhne Mannheims mit ihrer Band-Geschichte und ihrem Multikulturalismus in die Ecke rechtsgerichteter Musikgruppen rücken zu wollen.” Da ist der Oberbürgermeister aber schlecht informiert – nach Kritik an Naidoo wegen antisemitischer Textzeilen und Reichsbürgerpositionen wurde der Sänger explizit, vor allem durch Rolf Stahlhofen, öffentlich in Schutz genommen. Ohne Xavier Naidoo wären die Söhne Mannheims nichts.
Der Fehler liegt in der eindimensionalen Betrachtung: So genannte “neurechte” Bewegungen sind nicht mit “klassischen” rechtsextremen Positionen zu verwechseln. Es handelt sich um krude (Welt-)Verschwörungstheorien über “geheime Mächte”, die angeblich wesentliche Teile der Welt beherrschten. Darüber ist man schnell bei klassischen antisemitischen Mustern wie dem “Weltjudentum”, das mit Hilfe von Geld die Welt kontrolliert. Oder irgendwelche Geheimlogen, die Satanismus betreiben und kleine Kinder missbrauchen. In den Texten von Xavier Naidoo lassen sich solche “Hinweise” mehrfach belegen. Der Einfluss auf die “Söhne Mannheims” lässt sich nicht leugnen, die stark durch Naidoo geprägt sind.
Belegte Auftritte und Äußerungen
Hinzu kommen “Reichtsbürgerideologien”, die die Bundesrepublik Deutschland als Staat nicht anerkennen – so werden eigene “Reichsgebiete” definiert, eigene Pässe und Nummernschilder ausgegeben. Behörden und deren Entscheidungen werden nicht akzeptiert. Gemein ist diesen Strömungen die konsequente Ablehnung des Rechtsstaats und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Mannheim gegen rechts führt in seinem Statement aus:
- Xavier Naidoo singt homophobe Songtexte: In dem blutrünstigen Lied “Gespaltene Persönlichkeit” wird auf üble Weise gegen Schwule gehetzt und dies in einer wirren Art mit Wutfantasien gegen Pädophile und Verschwörungstheorien vermischt.
- Xavier Naidoo singt antisemitische Songtexte: In dem Lied “Raus aus dem Reichstag” bedient er antisemitische Klischees über Juden, Bankiers und korrupte Politiker, wenn er beispielsweise singt „Baron Totschild gibt den Ton an“ und „Der Schmock is’n Fux“.
- Xavier Naidoo verbreitet verschwörungstheoretische Äußerungen: Zu den Terroranschlägen am 11.9.2001 in New York sagte er: “Wer das als Wahrheit hingenommen hat, (…) der hat den Schleier vor den Augen”.
- Xavier Naidoo vertritt Positionen der Reichsbürger-Bewegung: Er behauptet, Deutschland sei ein besetztes Land. Bei einer Reichsbürger-Kundgebung in Berlin trat er als Redner auf, bekleidet mit einem T-Shirt mit der Aufschrift “Freiheit für Deutschland”.
Die Positionen von Xavier Naidoo sind nicht etwa private Spinnereien. Er vertritt sie als Persönlichkeit des öffentlichen Lebens und wird damit vielfach in den Medien zitiert. Sogar in Mannheim hat er Kundgebungen abgehalten, um seine politischen Ansichten zu verbreiten. In der Reichsbürger-Szene wird er als ihr prominentester Vertreter gefeiert. Auf einschlägigen Web- und Facebook-Seiten werden seine Äußerungen und Lieder vielfach zitiert. Eine Distanzierung seinerseits gab es bisher nicht,
schreibt “Mannheim gegen rechts” weiter. Die genannten Auftritte und Aussagen sind belegt.
Diese öffentliche Kritik ist umso bemerkenswerter, als Oberbürgermeister Dr. Kurz enge Verbindungen zu “Mannheim gegen rechts” hat. Ob über die SPD oder den DGB – Herr Dr. Kurz ist ein politischer Unterstützer dieses Bündnisses, um gesellschaftliche Kräfte gegen rechtsradikales Gedankengut zu positionieren. Weglächeln lässt sich das nicht mehr – der Oberbürgermeister ist damit aufgefordert, sich inhaltlich zu positionieren.
Prozesshansel Naidoo
Wir als Rheinneckarblog waren übrigens das einzige Medium, dass die Mitwirkung von Xavier Naidoo im “Jubiläumssong” “Willst Du mich begleiten” klar kritisiert haben.
Der Grund für eine fehlende Kritik in anderen Medien dürfte klar sein: Xavier Naidoo ist ein sehr populärer Musiker mit einer harten Fan-Base, die sich überhaupt nicht kritisch mit dem Künstler auseinandersetzt. Hier geht es vielen Medien auch ums Geschäft – man will es sich nicht mit dem “Star” verscherzen.
Und wer ihn kritisiert, muss schnell mit Prozessen rechnen. Er klagte beispielsweise gegen die Amadeu-Antonio-Stiftung (die von der Freudenberg-Stiftung unterstützt wird) und einen Autoren, die sich kritisch mit antisemitischen Inhalten im Liedgut des Künstlers auseinandergesetzt hatte. Letztlich wurde vor Gericht ein Vergleich erzielt. Als wir darüber berichtet haben, wurden wir sofort abgemahnt. Der Grund: Wir hatten eine Pressemitteilung der Stiftung zitiert, die dem Künstler nicht ganz passte. Demnach könnten Textstellen des Songs “Raus aus dem Reichstag” als antisemitisch verstanden werden. Naidoo „als Person“ dürfe von der Stiftung jedoch nicht als Antisemit eingestuft werden.
Nur durch das sofortige Herstellen von Öffentlichkeit traute sich Herr Naidoo dann wohl nicht, die Sache vor Gericht auszuhandeln. Herr Naidoo proklamiert gerne für sich seine Meinungsfreiheit – wenn er mit anderen Meinungen Probleme hat, scheut er sich nicht, von den Möglichkeiten des deutschen Rechtsstaats, also eines “unfreien Landes”, Gebrauch zu machen.
Dilemma für die Stadt Mannheim
Die sogenannte “Reichsbürger”-Szene, die keine homogene Gruppe ist, wurde lange als “spinnert” abgetan. Spätestens mit dem Tod eines Polizisten in Georgensmünd, der 2015 bei einem SEK-Einsatz gegen einen Reichsbürger erschossen worden ist, ändert sich die Wahrnehmung. Seither haben verschiedene Razzien gegen Reichsbürger stattgefunden, bei denen regelmäßig Waffen gefunden werden. Aktuell ermitteln die Staatsanwaltschaft Mannheim und der Generalbundesanwalt gegen einen sogenannten “Nazi-Druiden”, Burghard B. aus Schwetzingen, der eine rechtsextreme kriminelle Vereinigung gegründet haben soll.
Mannheim gegen rechts schreibt weiter:
In der Auseinandersetzung mit der Reichsbürger-Szene muss klar werden, dass schwarz-weiß-denken nicht zielführend ist. In der modernen multikulturellen Gesellschaft gibt es vielfältige Bestrebungen, die sich politisch im rechten Spektrum einordnen lassen – auch von Menschen, die selbst einen Migrationshintergrund haben. Nicht jeder Rechte sympathisiert automatisch mit der NPD. Homophobie, Antisemitismus und die kruden Positionen der Reichsbürger-Szene sind Bausteine rechter Ideologie und stehen im Widerspruch zu den Werten von Vielfalt, Toleranz und Menschenrechten. Die Positionen dieser neurechten Ideologie stehen im deutlichen Widerspruch zu den selbst gesteckten Zielen der Stadt Mannheim. Eine Zusammenarbeit mit Vertretern solcher Positionen werden wir nicht akzeptieren und fordern daher die Stadt Mannheim dazu auf, dies zu beenden. Basement Bikes, der Fahrradladen, in dem das Musikvideo gedreht wurde (ohne zu wissen, dass Xavier Naidoo darin mitwirkt), hat sich bereits distanziert.
Für die Stadt Mannheim entsteht mit dieser Positionierung ein Dilemma. Distanziert man sich nicht eindeutig von Xavier Naidoo und den unterstützenden Söhnen Mannheims, “legitimiert” man quasi deren Haltungen und Aussagen indirekt, weil Herr Naidoo als “Botschafter” der Stadt akzeptiert wird. Distanziert man sich, wird es massive Vorwürfe, insbesondere der Fans geben. Möglicherweise fühlen sich gewisse Bewegungen dann auch bestätigt, dass “das System” von irgendwoher gelenkt würde und der “Kritiker” Naidoo Opfer einer “Verschwörung” wurde. Mit Argumenten kommt man in dieser postfaktischen Szene nicht weit. Als wir damals kritisch zu Naidoo berichteten, mussten wir innerhalb weniger Tage gut 800 Personen auf unserer Facebook-Seite blockieren, die versucht haben, einen “Shitstorm” aufzulegen.
Unterm Strich ist aus unserer Sicht vollkommen unverständlich, warum man ausgerechnet die Söhne Mannheims und die “Lead”-Stimme Xavier Naidoo eingekauft hat – es gibt eine Pop-Akademie in der Stadt mit viel künstlerischem Potenzial.
Artikel zu Naidoo:
Zeit Online: http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2015/03/12/xavier-naidoo-skandal-mit-verspaetung_18941
Publikative.org: https://publikative.org/2014/10/07/43287/
Anm. d. Red.: Wir haben in der Vergangenheit das “Bündnis gegen rechts” massiv kritisiert, weil beispielsweise gewaltbereite, linksradikale Gruppierungen wie die “Interventionistische Linke” oder die Antifa als aktive Unterstützer akzeptiert werden. Nach unserer Auffassung muss der Kampf gegen Extremisten immer gewaltfrei sein. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Die Achtung der Rechtsstaatlichkeit unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung muss von allen bedingungslos akzeptiert werden. Aufgrund dieser Kritik werden wir von Teilen der “Mannheim gegen rechts”-Unterstützer selbst als “neurechts” eingeordnet. Belege dafür können von diesen nicht vorgebracht werden – einer angebotenen inhaltlichen, direkten Auseinandersetzung verweigert man sich bis heute.