Mannheim/Rhein-Neckar/Wien, 27. November 2014. (red) „Dieses Brett wird ein goldenes sein…“ steht gleich zu Anfang der Preisverleihung. Das Goldene Brett ist ein Satirepreis, der von einer Jury aus Künstlern und Wissenschaftlern seit 2011 jährlich vergeben wird. „Geehrt“ werden die skurrilsten, haarsträubendsten, dreistesten pseudowissenschaftlichen Nonsense-Beiträge des Jahres im deutschen Sprachraum. Diesjähriger Preisträger ist der Mannheimer Sänger Xavier Naidoo für seine verschwörungstheoretischen Äußerungen.
Von Hardy Prothmann
Die Bundesrepublik Deutschland gibt es gar nicht – stattdessen besteht das Deutsche Reich in Wirklichkeit bis heute. Mehrfach hat Xavier Naidoo diesen Blödsinn öffentlich vertreten. Von dieser merkwürdigen Verschwörungstheorie ist auch die „Reichsbürgerbewegung“ überzeugt, für deren Ideen sich Xavier Naidoo mehrfach öffentlich ausgesprochen hat und seinen Auftrag vor Rechten und Reichsbürgern zum Tag der Deutschen Einheit in Berlin verteidgte.
Natürlich ist es ein Satire-Preis – aber durchaus mit einem ernsten Ziel. Aufmerksamkeit zu schaffen, dass man nicht jeden Unfug ernst nehmen sollte. Das Goldene Brett ist ein ironischer Negativpreis für den größten antiwissenschaftlichen Unfug des Jahres, der von der GWUP (Gesellschaft zur Wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften) vergeben wird. Organisiert wird die Preisverleihung von der GWUP in Wien. Neben Xavier Naidoo hatten es auch Barbara Steffens (Gesundheitsministerin von Nordrhein-Westfalen mit Vorliebe für Alternativmedizin) und der Impfgegner-Verein „Netzwerk Impfentscheid“ auf die diesjährige Shortlist geschafft.
Als Begründung schreiben die Preisverleiher:
Bereits in der Nominierungsphase gehörte Xavier Naidoo zu den Kandidaten, die von der Online-Community am häufigsten vorgeschlagen wurden. Er machte nicht nur mit seiner Nähe zur Reichsbürgerbewegung auf sich aufmerksam, sondern auch mit Aussagen über die Terroranschläge von 9/11, von Madrid und London. Damit hat sich Xavier Naidoo in die Gedankenwelt der sogenannten „Truther-Szene“ begeben, die im Internet eine große Verbreitung findet, an Weltverschwörungen glaubt und sich als äußerst resistent gegen rationale Gegenargumente erweist. Naidoo steht nicht für klassische Pseudowissenschaft (wie etwa Wünschelrutengeher oder Wunderheiler, mit denen sich die Skeptikerbewegung sonst so oft beschäftigt), doch die Gefährlichkeit von Verschwörungstheorien ist mindestens so groß – daher wurde ihm der diesjährige Preis zugesprochen. Mit einigen Mausklicks kommt man heute von einer wirren Behauptung zur nächsten, und wenn ein prominenter Popstar einer solchen Theorie den Anschein von Legitimität verleiht, glauben beeinflussbare Fans oft auch gleich noch ein paar andere.
Xavier Naidoos große Popularität führt insbesondere junge Menschen in eine abstruse Gedankenwelt aus unhaltbaren Behauptungen, in denen Hass und Angst mehr zählen als Fakten. Ein waches Hinterfragen politischer Geschehnisse, auch von Terroranschlägen und der Berichterstattung darüber, könnte ja sinnvoll sein. Doch eine rationale Diskussion über tatsächliche politische Missstände wird durch plumpe Verschwörungstheorien unmöglich. Xavier Naidoo wird zur Einstiegsdroge der Irrationalität, die mit pathetischer Musik beginnt und bei Chemtrails und Weltverschwörungs-Paranoia endet.
Dass Xavier Naidoo bei manchen Interviews außerdem eine recht merkwürdige Auffassung von Naturgesetzen vertritt, fällt angesichts dessen kaum noch ins Gewicht – etwa, wenn er es problematisch findet, dass der Mond heute auch tagsüber sichtbar ist, oder sich zuversichtlich zeigt, dass die Abgase seines Autos schon durch das Ozonloch ins All entweichen werden.