Mannheim/Rhein-Neckar, 25. Mai 2016. (red/pro) Ein halbes Jahr nach der ESC-Entscheidung kritisiert der Pop-Sänger Xavier Naidoo die ARD und seine Kritiker. Der NDR wollte den Sänger nach Stockholm schicken – nach heftigen Protesten wurde er aber wieder ausgeladen. Der Sender Vox hat jetzt eine „Dokumentation“ ausgestrahlt, in der sich der Künstler zum ESC äußert und meint, die Demokratie sei „nix wert“.
Von Hardy Prothmann
Aktuell hat Vox eine „Dokumentation“ über den Pop-Sänger ausgestrahlt, in der nur positive Stimmen zu hören sind und Herr Naidoo ohne Gegenrede oder kritische Fragen sich zum Opfer böser Medien stilisieren darf.

Xavier Naidoo. Archivbild
Stefan Niggemeier, einer der profiliertesten Medienjournalisten Deutschlands hat dazu seine Sicht auf diese „Dokumentation“ aufgeschrieben: „Einer wie Jesus – verhetzt, weil er für den Frieden ist„.
Interessant ist, dass sich Herr Naidoo mal wieder als verfolgtes, unverstandenes Opfer gibt. Er darf dann unwidersprochen solche Sätze sagen:
Wenn eine Demokratie nicht aushält, dass ein kleiner Sänger aus Mannheim sein Maul aufmacht, dann ist die Demokratie auch nix wert.
Der Satz wirkt vordergründig harmlos, hat es aber in sich.
Der „kleine Sänger“ ist ein überaus erfolgreicher und wohlhabender Unternehmer mit einer großen Vernetzung in der Musikbranche. Dieser „kleine Sänger“ ist schon mehrfach dadurch aufgefallen, dass er Deutschland abspricht, ein souveräner Staat zu sein.
Naidoo, Freiwild & Co – alles Opfer
Seine Rhetorik des ewig verfolgten, missverstandenen Künstlers ähnelt der von Freiwild aus Italien – die Rechtsrocker werden auch ständig missverstanden und behaupten, dass die Deutung ihrer Texte als rechtsradikal und nationalistisch nur böse Unterstellungen sind. Beide leben und lieben die Opferpose.
Naidoo, selbsternannter „Botschafter der Liebe“, stellt gerne gewagte Thesen vor mindestens „zweifelhaftem“ Publikum auf und tauscht sich ebenso gerne mit rechten Verschwörungsschwurblern wie einem Jürgen Elsässer aus.
Das Bemerksenswerte dabei ist, dass Herr Naidoo dann einerseits vorgibt, sehr gut informiert zu sein, tatsächlich aber Dinge sagt und tut, bei denen man sich fragen muss, ob er eigentlich so gar nichts verstanden hat.
Fundamentale Verständnismängel
Der kleine Satz des „kleinen Sängers“ hat es ihn sich: Naidoo behauptet also, die Demokratie hält es nicht aus, wenn er sein „Maul“ aufmacht. Wo ist der Beweis? Natürlich hält „die Demokratie“ das aus. Nur er scheint es schwer auszuhalten und akzeptieren zu können, dass andere sich zu dem, was aus seinem „Maul“ kommt, ebenfalls äußern. Doch dann ist seiner Auffassung noch die „Demokratie nix wert“.
Hier zeigt sich, dass Herr Naidoo fundamentale Verständnismängel hat, was eine Demokratie ist und was es mit der Meinungsfreiheit auf sich hat. Artikel 5 Grundgesetz schützt nicht nur Meinungen, die intelligent sind, sondern auch die dümmsten Meinungen. Das gilt auch für Herrn Naidoo.
Prozesshansel Naidoo
Herr Naidoo zieht übrigens schnell vor Gericht, wenn einer das „Maul“ so aufmacht, dass ihm das nicht gefällt. Dann verklagt er schon mal Journalisten – im vergangenen Jahr traf es ausgerechnet die Amadeu Antonio Stiftung, die sich gegen Rechtsradikalismus einsetzt. Ein Zufall?
Als das Rheinneckarblog darüber berichtete und eine Pressemitteilung der Stiftung zum gerichtlich getroffenen Vergleich veröffentlichte, war Herr Naidoo damit auch nicht einverstanden. Ein Zufall?
Die Pressemitteilung entsprach wohl nicht ganz den Absprachen der Streitparteien – was wir nicht wissen konnten. Was machte Herr Naidoo? Er ließ uns über seinen Anwalt Freitag nach Mitternacht abmahnen und hatte uns zur Unterlassung aufgefordert – die haben wir zwar nicht befolgt, 1.800 Euro Kosten sind uns trotzdem entstanden. Die 1.800 Euro für seinen Anwalt haben wir nicht bezahlt. Dafür müsste er klagen und gewinnen.
Möglicherweise ist Herr Naidoo dann doch nicht vor Gericht gegangen, um keine zusätzliche negative Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, die wir mit diesem Text angekündigt hatten: „Es ist, als würde Dir jemand eine Kugel in den Kopf schießen.“
Herr Naidoo beschwert sich ständig darüber, dass Deutschland kein souveränes Land sei, sieht irgendwo Verschwörer zugange, hält die Demokratie „für nix wert“ und macht was? Genau, er bedient sich der Mittel der Demokratie, des Rechtsstaats und der Justiz, um alles das wegzuklagen, was ihm nicht passt.
Hübsch ist auch, dass er in einem Lied Folter- und Todschlagsphantasien unter die Leute bringt, aber auf der anderen Seite „nie mehr Krieg fordert“. Was er von anderen fordert, gilt für ihn als „Künstler“ nicht – er darf in seiner Vorstellung alles.
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Sehr hübsch ist auch dieser Satz aus der „Dokumentation“:
Wenn man kleine Teile aus etwas herausnimmt, kann ich auch Jesus zu einem Hassprediger werden lassen.
Wieder so eine Naidoo-Behauptung, die er nicht belegen kann. Sollte Herrn Naidoo dieses Kunststück gelingen, kann er uns gerne den Text zukommen lassen, der „Jesus zu einem Hassprediger werden“ lässt. Und wer hat ihn – by the way – jemals „Hassprediger“ genannt?
Spiegel Online nennt den Künstler einen „Erweckungs-Säusler“ und „politischen Irrläufer“ – schaut man die Vox-„Dokumentation“, muss man hingegen glauben, er sei ein Heiliger. Und beim Vergleich mit der Amadeu Antonio Stiftung kam heraus, „dass die Stiftung aber weiter die Auffassung vertritt, dass Zeilen aus Naidoos Liedtext „Raus aus dem Reichstag“ als antisemitisch interpretiert werden könnten.“
Einen wirklich gut gemeinten Ratschlag des Mannheimer Komikers Bülent Ceylan vor einigen Jahren bei einer Veranstaltung im Capitol, beherzigt der Sänger bis heute nicht. Ceylan sagte damals, als Naidoo seine seltsamen Ansichten vortrug:
Xaver, wesschd was, sing Du lieber un überlass des mit dem Babble mir.
Irgendeine dokumentarische Aufklärung braucht man sich von dem Vox-Film nicht zu erwarten. Stefan Niggemeier nennt es „Schmieren-Dokumentation“ – mal schauen, ob der Filmautor und Herr Naidoo das aushalten. Wenn nicht, dann ist das nicht schlimm. Das hält die Demokratie ganz sicher aus. Auch die „Berichterstattung“ der Haus- und Hof-Postille.
Anm. d. Red.: Da Herr Naidoo mit schöner Regelmäßigkeit irgendwelche Äußerungen von sich gibt, haben wir heute mit „Neues von Naidoo“ eine neue Reihe gestartet.