Mannheim/Rhein-Neckar, 04. Dezember 2015. (red) Der frühere, selbsternannte „Sohn Mannheims“, Xavier Naidoo, ist seit geraumer Zeit mächtig in der Kritik. Wegen antisemitisch interpretierbaren Anklängen in Liedtexten, wegen dubioser Auftritte vor Reichsbürgern, Verschwörungstheorien und seltsamen Aussagen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zur angeblich nicht vorhandenen Souveränität des deutschen Staates. Jetzt verbreitet sich in Windeseile ein neues Musikvideo – und schon wieder muss man sich fragen: Gehts noch, Xaver?
Kommentar: Hardy Prothmann
Es hat den Anschein, dass Xavier Naidoo nach sehr viel medialer Kritik von allen Seiten aktuell versucht, sich wieder beliebt zu machen. Dafür wäre er sogar als Vertreter Deutschlands beim European Song Contest (ESC) aufgetreten.
Reichlich absurd, weil er Deutschland „immer noch für ein besetztes Land“ hält, wie er öffentlich in der ARD geäußert hat. Wie kann man ein Land vertreten, dass nicht souverän ist? Das versteht nur Xavier Naidoo auf unendlich steinigen Hirnverwindungen.
Gehts noch?
Die große Freude über die Ehre „für Deutschland“ singen zu dürfen, währte bekanntlich nur kurz. Kaum nominiert, zog die ARD zurück und Naidoo war blamiert. Dann, so wird durch verschiedene Medien berichtet, stellte sich heraus, dass nicht etwa der „Shitstorm der Empörung“ den federführenden Sender NDR in die Knie zwang, sondern der Protest leitender Mitarbeiter im Sender, die dem Unterhaltungschef den Vogel zeigten. Gehts noch?
Lange Rede, kurze Zusammenfassung: Xaver, wie ihn Freunde nennen, war draußen und die ganze unsouveräne Republik hatte es mitbekommen.
Xavier – der bedrohte Art-ist
Dann schaltete der Konzertveranstalter Marek Lieberberg für vermutlich rund 70.000 Euro eine ganzseitige Anzeige in der FAZ: „Menschen für Xavier Naidoo“. Unterschrieben mit einer Namensliste von überwiegend C bis F oder No-Promis. Bundesweit berichten Medien über die skurrile Anzeige. Ob Naidoo eine bedrohte Art ist?
Was macht Xaver, wenn es Kritik gibt? Er singt. Es gibt auch Leute, die meinen, er jault. Das ist Geschmackssache und von der Meinungsfreiheit gedeckt. Spiegel online nennt ihn „Erweckungs-Säusler“.
Nie mehr Krieg?
„Nie mehr Krieg“ ist sein aktueller Song – der geht ab durch die Decke. Veröffentlicht von Jürgen Todenhöfer auf Facebook – Jurist, ehemaliger CDU-Politiker, Medien-Manager und nun „Publizist“, der mit einfachsten Botschaften Fans bei Facebook einsammelt.
Bar jeder Komplexität steht „Nie mehr Krieg“ als Forderung im Raum. Von einem Sänger, der pädophile Logen am Werk sieht, die Kinder meucheln und denen er die „Klöten zerquetschen“ will und sie vorher oder nachher in den „Arsch fickt“, während er in anderen Texten eine jüdische Weltgeldverschwörung der „Totschilds“ wittert.
Die Süddeutsche Zeitung meint:
Feindseligkeit gegenüber Muslimen wird mit dem größtmöglichen Vergleich bedacht, der systematischen Ausgrenzung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung Europas. Die Kunstfreiheit schützt auch solch hanebüchenen Unsinn. Allerdings kommt der Satz aus dem Mund eines Künstlers, der wenig versteckt („Baron Totschild“) jüdische Banker („Der Schmock ist ein Fuchs“) als Akteure hinter der Weltbühne identifiziert.
Irgendwie hängt das Ganze irgendwie und alles überhaupt irgendwie zusammen
Und irgendwie hat irgendwie alles irgendwie miteinander irgendwie zu tun. Xaver will den Schleier für alle heben, will, dass man sich „informiert“ und endlich „erkennt“. Im Zweifel die „Wahrheit“.
Was alles in einem Kopf schief laufen muss, um solchen „Freigeist“ zu texten? Keine Ahnung. Ehrlich nicht. Das überfordert jeden analytischen Verstand.
Nochmal die Süddeutsche Zeitung:
Der Sänger bleibt seinem Stil treu, komplexe Satzstrukturen zu vermeiden. „Nie wieder Krieg, wenn wir das nicht sagen dürfen, dann läuft doch etwas schief“, lautet der Refrain des Lieds. Offen bleibt, seit wann „wir“ uns nicht mehr gegen Krieg aussprechen dürfen – und wer „wir“ überhaupt ist.
Hauptsache Judenstern gesagt
Muslime sind alles Terroristen? Wer sagt das? Wer hatte wann mal Muslime gern? Sind Träger von Judensternen früher Terroristen gewesen? Wer dachte das und wer denkt das heute? Wo tragen Muslime einen Judenstern? Sind die muslimischen Extremisten von Paris etwa am Ende Teil einer jüdischen Verschwörung?
Das schwirrt einem der Kopf, wenn man versucht, der „ganzen Wahrheit“ zu folgen.
Xavier Naidoo, erst mäßig und dann sehr erfolgreicher Musiker ohne abgeschlossene Berufsausbildung, vor einigen Jahren in heftigen Konflikten mit der staatlichen Ordnung, was ihm Vorstrafen und Strafzahlungen einbrachte, wirbelt in seiner Fantasiewelt irgendwie ziemlich viel durcheinander und lässt systematisch große Lücken, in denen Fans alles mit allem irgendwie durcheinanderwirbeln können.
Krieg ist nur bei anderen – Xaver mahnt aus Liebe ab
Er behauptet, Deutschland sei kein souveräner Staat, verlässt sich aber gleichzeitig auf die deutsche Rechtsstaatlichkeit, wenn er Filesharer abmahnt oder die Amadeu Antonio Stiftung oder auch das Rheinneckarblog.
Dann geht er auf niemanden zu. Dann ist Schluss mit Liebe. Dann ist er im Krieg. Pardon – natürlich nicht so irgendwie, sondern ganz in echt. Das macht er dann nicht als Botschafter der Liebe und „weil ich auf die Menschen zugehen will“.
Xaver und seine Anwaltslogenarmee
Seine Söldner sind Anwälte, die so teuer sind, dass sich normale Menschen diese nie leisten könnten. Dann ist Xaver nicht „einer wie ihr“, sondern Promi – schließlich geht es dann – vermutlich – ums Geschäft. Oder um die persönlich gekränkte Seele des „Künstlers“. Oder im Zweifel irgendwie um „die Wahrheit“.
Als Künstler rennt er irgendwo rum, verirrt sich auch mal „aus Versehen“ und „spontan“ zu Verschwörungstheoretikern und Reichsbürgern, meint im Fernsehen, dass er auch auf die „NPD zugehen würde im Namen der Liebe“ – doch wenn ihn jemand kritisiert, dann geht er nicht auf denjenigen zu, dann schickt er seine Anwälte, die sich ganz souverän auf eine funktionierende Rechtsordnung in einem angeblich nicht-souveränen Staat beziehen.
Wer das für irre hält…
Wer das für reichlich irre hält, sollte sich seine Meinung nur denken. Äußern sollte man das nicht – denn sprechen darf nur Xaver. Der beruft sich dabei auf die, rechtsstaatlich definierte, „Kunstfreiheit“. Er darf alles, seinen Kritikern schickt er seine Juristen-Krieger auf den Hals.
Ganz ehrlich? Wir haben keine hochdotierten Anwälte, die wir bezahlen könnten, um jedes Wort, jedes Komma prüfen zu lassen, bevor dieser Text online geht.
Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand, ist ein geflügeltes Wort. Als Journalist ist man auch immer in Gefahr von Leuten verklagt zu werden, die viel Geld haben und erstmal klagen. Reiche Leute wie Naidoo verlieren möglicherweise Geld, aber nicht ihre Existenzgrundlage. Vermutlich gewinnen sie, weil sie die größten juristischen Halsabschneider bezahlen können, die sich finden lassen.
Auch doofe fünf Prozent können viele sein
Nach gerade Mal sechs Stunden ist dieses „Lied“ mehr als 1,2 Millionen mal angeklickt worden. Knapp 60.000 mal wurde es geteilt. Ein Sprechgesang aus der immer gleichen Retortenfabrik des Naidoo-Klangs.
Das gibt Hoffnung – denn man kann die Zahl auch so interpretieren, dass 1,2 Millionen Menschen neugierig waren, aber nur fünf Prozent doof genug, den Song zu teilen. Kaufen später 60.000 Doofe den Song, ist das sattes Geld.
Schlagworte der Erkenntnis
Muslime tragen keinen „neuen Judenstern“. Das ist sogar als Metapher gequirlter Unsinn. Nicht mehr, nicht weniger. Aber es gibt da draußen jede Menge Menschen, die jeden Blödsinn liken, wenn nur die Schlagworte wie „Nie mehr Krieg“, „Liebe“, „Sehnsucht“, „Hoffnung“, „Wahrheit“ fallen. Oder Naidoo. Dann weiß man Bescheid und versteht plötzlich alles.
Klassische Dolchstoß-Metaphorik
Interessant ist, dass der souveräne Xaver unterstellt, irgendjemand würde ihm seinen Glauben nehmen wollen. Irgendjemand will ihm irgendwie seinen Platz im Paradies rauben. Und irgendjemand will ihm irgendwie verbieten, „nicht mehr sagen zu dürfen“.
Und das sagt und singt er – und irgendwie wird er nicht erschossen, erhängt oder geköpft. Er darf es sagen und singen, obwohl er das irgendwie angeblich nicht mehr darf.
Und dann singt er über Schwerter zu Pflugscharen und hat nur noch ein Schwert. Das hat er im Mund, meint er. Und damit meuchelt er dann alle weg, die Krieg machen, weil er singt „Nie mehr Krieg“. Und das glaubt er auch noch. Das meint er ernst. Und es gibt Leute, die glauben das auch. Ganz im Ernst.
Mundschwert in Scheide und gut ist
Weder der Xaver, noch seine Söhne und andere von ihm wirtschaftlich abhängigen Leute, noch versäuselte Fans werden verstehen, wie falsch seine Metaphern sind.
Er mag glauben, dass er ein Schwert im Mund hat. Aber ein Schwert ist ein Schwert ist ein Schwert – wer ein Schwert im Mund führt, führt mit dem Mund Krieg. Und wer mit dem Schwert im Mund säuselt „Nie mehr Krieg“, der ist nicht ernst zu nehmen.
In diesem Sinne, Xaver, zitiere ich Ihre Liedzeile: „Warum liebt ihr keine Mösen?“. Stecken Sie Ihr Mundschwert in irgendeine geliebte Scheide, dann ist es hoffentlich gut aufgehoben und Sie verschonen die Welt mit Ihrem verschwurbelten Gesabber.