Mannheim/Weinheim/Rhein-Neckar, 15. Dezember 2015. (red) Aktualisierung (wir haben Fotos hinzugefügt). Der Vorgang ist komplett ungewöhnlich – das Polizeipräsidium Mannheim zeigte am 14. Dezember auf dem Revier Weinheim eigene Aufnahmen von Gewaltszenen anlässlich des Bundesparteitags der NPD in Weinheim. Anwesend sind Mitglieder der verschiedenen Veranstalter und einige Journalisten. Wir dokumentieren die gezeigten Aufnahmen.
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Samstagmorgen, 21. November 2015, gegen 8 Uhr, Birkenauer Talstraße. 300 vermummte Personen stürmen auf eine Straßensperre der Polizei zu. Dort stehen acht Beamte in normaler Kleidung. Ohne Helm, mit Wollmützen auf den Köpfen.
Konzentrierter, gesteuerter Angriff am Morgen
Die so genannte Antifa sticht und haut mit hölzernen Fahnenstangen auf die Beamten ein. Die verschiedenen Trupps halten Transparente vor sich. Die meisten haben selbstgebastelte Masken vor den Augen – eine Folie mit Gummiband. Andere Skibrillen.
Der Aufwand hat System – die Masken sollen vor Pfefferspray schützen. Die Kleidung ist überwiegend gleich. Schwarz oder dunkel. Mützen, Käppis, Schals. Das soll eine Identifizierung verhindern. “Kleidermarkenzeichen” sind abgeklebt.
Verschiedene Angreifer haben Regenschirme aufgespannt – auch das ein Schutz gegen Pfefferspray und eine Sichtbehinderung für die Polizei. Und eine Stichwaffe mit den Spitzen. Andere tragen Luftmatratzen vor sich her.
Immer wieder stoßen die Holzstangen unter den Schirmen oder seitlich gezielt in Richtung der Beamten. Ein Beamter wird massiv auf dem Kopf getroffen. Die Beamten sind Schutzkräfte, keine “Spezialeinheit”. Einer schreit in dem Video zu einem Kollegen hinüber:
Ich hab Schmerzen, Alter.
Inmitten der Angreifer “koordiniert” eine Aktivistin das Geschehen per Megafon. Rückzug – Angriff. Mehrmals rollen die Wellen in Pulks an, immer gut 30 bis 40 Personen gegen die acht Beamten, die sich eher verzweifelt wehren.
Die Beamten schlagen zurück. Mit ihren Knüppeln. Auf das Transparent – einzelne Personen sind für die Beamten kaum auszumachen. Teils kommt Pfefferspray zum Einsatz – das zeigt so gut wie keine Wirkung. Die isolierte und desolate Lage der Beamten ist klar erkennbar.
Dann reißen die Angreifer das Absperrgitter weg. Die Lage droht vollständig zu eskalieren.
“Presse” fotografiert – die Fotos werden nicht veröffentlicht
Verschiedene “Presse”-Fotografen dokumentieren die Szenerie und filmen auch. Beispielsweise Mitarbeiter der Seite “Beobachternews.de” sind deutlich zu erkennen. Kein Demonstrant wendet sich gegen sie. Offenbar “kennt man sich”.
Keins dieser Fotos und keine Videosequenz wurde nach unserem Recherchestand bislang veröffentlicht – dafür aber jede Menge “Material”, das eine angebliche Polizeigewalt dokumentieren soll.
Dann rücken “BFE”-Einheiten an – die Kampftrupps der Polizei. Beweissicherung und Festnahme-Einheiten. Die Angreifer ziehen sich zurück, denn sie wissen, dass mit diesen auf Nahkampf ausgebildeten Beamten mit Helmen und in Kampfmontur nicht zu spaßen ist. Davon gibt es jede Menge Bilder – auch bei Beobachternews.de. Sie sollen “Polizeigewalt” zeigen.
Steine aus dem Nebel
Weitere Szenen der Vorführung verdeutlichen, wie in Seitengassen Rauchbomben gezündet werden. Dazu wird das Pulver von Feuerlöschern versprüht. Man sieht nichts außer einem orangefarbenem Nebel. Aus dieser undurchsichtigen Wand heraus hageln ohne Ansage Pflastersteine auf die Polizei-Beamten:
Keiner sieht, was da anfliegt, im Zweifel wird man nur getroffen,
kommentiert Polizeipräsident Thomas Köber in seiner gewohnt trockenen Art. Und der Einsatzleiter, Polizeidirektor Jürgen Dörr, ergänzt:
Solche koordinierten Angriffe waren uns bislang unbekannt.
Dann die Szene, die auch über den russischen Youtube-Kanal von “Russia Today” verbreitet wird. Allerdings nicht geschnitten, sondern in voller Länge. Man sieht, wie sich einzelne Beamte einer Gruppe von Antifa-Aktivisten nähern. Die suchen nicht etwa das Weite, sondern warten, bis genug Beamte ihnen gegenüberstehen.
Russia Today-Reporter mit Helm
Der “Reporter” von Russia Today ist ebenfalls zu sehen. Gut ausgerüstet mit Helm auf dem Kopf.
Dann stürmen einige junge Männer vor, deuten einen Angriff an und als die Polizei losrennt, ziehen sie sich zurück. Eine zweite Reihe von Personen tritt in Aktion – plötzlich sind alle unvermummt. Es sind viele junge Frauen darunter, auch schmale Männer, die abwehrend die Hände hochhalten. Sie sagen:
Hey, ich mach doch nichts.
Dahinter kommt es zu gezielten Angriffen auf Beamte, meist aus dem Hinterhalt.
Die Beamten setzen teils Schlagstöcke ein. Es sind kurze Hiebe, auf Oberschenkel, in die Lenden. “Disziplinierungsmaßnahmen” – von einem “brutalen” Schlagstockeinsatz kann keine Rede sein.
Kurz zuvor waren die Beamten Angriffen durch die Nebelwand hindurch ausgesetzt. Da pumpt das Adrenalin. Die Szenerie wirkt “martialisch”. Gehen die Beamten doch teils mit gestrecktem Bein gegen die Demonstranten vor.
“Ganz schöne Dinger”
Bewohner schließen ihre Fensterläden. Es herrscht Straßenkampf in Weinheim. Faustgroße Steine liegen verstreut auf der Straße. Ein Polizist ist zu hören:
Ui, ui, das sind ja ganz schöne Dinger.
Wer sich mit Gewalt auskennt, sieht, dass die Tritte der Polizisten nur Raum schaffen. Gezielte Angriffe, die “brutale Gewalt” ausüben sollen, sind so gut wie keine zu erkennen. Kein einziger Demonstrant geht zu Boden oder krümmt sich vor Schmerzen. Es gibt keine Schläge zum Kopf, in den Schritt oder auf Organe. Es gibt ein Gerangel und Hiebe – Gewaltexzesse sehen anders aus.
Problematischer Sprungtritt
Problematisch ist ein Sprungtritt, der tatsächlich vollständig “sinnlos” darauf abzielt, große Schmerzen zu bereiten, aber daneben geht. Es gibt kurze Stockeinsätze.
Die kann man als “unnötige” Gewalt interpretieren, aber auch als “Ansage” und “Brechen des Kampfwillens” – das Ziel wird erreicht, die Demonstranten lösen die “Stellung” auf, weil die Polizei sich durchsetzt. Es geht hier um Straßenkampf und keine sportliche Veranstaltung mit Schiedsrichter.
Polizeipräsident Köber sagt:
Es gibt Szenen, die gefallen auch uns nicht. Das werden wir aufarbeiten und die nötigen Schritte einleiten.
Der Polizist sagt aber auch:
Wenn wir angegriffen werden, weichen wir nicht zurück. Wir verteidigen keine Rechte, sondern das Recht. Und das machen wir konsequent. Das ist unsere Aufgabe.
Ein bekannter Linksextremist und Sprecher der Demonstranten meint:
Ich erwarte hier Professionalität. Es gab keinen Angriff mehr – die Polizisten haben also unverhältnismäßig und brutal Gewalt eingesetzt.
Er schaut sich mit irr wirkenden Augen um und lächelt. Er will kein “Porträtfoto” von sich. Dann muss sein Name auch nicht genannt werden. Er hat einen seltsamen Kleindungsstil, viele Ringe im Ohr und eine Glatze. Jeder, der die Szene kennt, weiß, wer gemeint ist.
Die Kulis der Journalisten flitzen, aber er findet keine Unterstützer. Die Minen der Demo-Anmelder sind steinern. Die Atmosphäre ist angespannt.
Lesetipp: Wir analysieren die Medienberichterstattung zur Sache
Polizeipräsident Thomas Köber wird später sagen:
Wenn man sich haut, ist es selten elegant.
Count-Down für den Angriff
Eine weitere Szene zeigt die Einkesselung von Demonstranten auf der Birkenauer Straße. Auch hier werden die “Antifa-Aktivisten” mit Megafon koordiniert. Es kommt zu Ausbruchsversuchen, vor denen ein Count-Down runtergezählt wird. Die Demonstranten entzünden ein Feuer – vernichten Beweismittel und erzeugen Stress.
Weil alles abgeschirmt ist, können die Beamten nicht erkennen, was genau passiert. Sie müssen auch die Demonstranten vor sich selbst schützen. Es gibt Aufforderungen der Polizei, die Antwort ist:
Da scheißen wir doch drauf.
Der Megafon-Aktivist sagt:
Wir besetzen die ganze Stadt – drei von vier Verteidigungen stehen.
Der Wasserwerfer fährt vor und sofort werden Beamte, die ihn schützen, angegangen. Der Wasserwerfer stand laut Polizei in Bruchsal in Bereitschaft und wurde erst nach den Krawallen am Morgen nach Weinheim beordert. Um 7:45 Uhr. Nach dem ersten Angriff, der klar verdeutlichte, dass Weinheim “brennen” könnte.
Straßen-Barrikaden und sabotierte Bahngleise
Weitere Aufnahmen zeigen, wie gewaltbereite Antifa-Aktivisten auf der B3 in Höhe des Edeka-Marktes eine Barrikade errichten. Dazu holen sie alles an Material zusammen, was sich in der Umgebung finden lässt. Auch Einkaufswagen. Zu sehen ist ein Banner der Jusos – der SPD-Jugendorganisation. Auch diese Gruppe beteiligt sich an den gewalttätigen Randalen. Die Polizei schreitet ein, die Demonstranten ziehen sich zurück. Auch hier werden Steine und anderes Wurfmaterial gefunden.
Dann sind Szenen zu sehen, wie Bahngleise besetzt werden. An einem Übergang wurden die Zugseile der Schranken durchschnitten und die Schranken mit Klemmen und Stahlseilen “verknotet”. Das sind hochgefährliche Vorgänge.
“Die brauchen sofort Unterstützung”
Auch ein Polizeihubschrauber filmt und irgendwann kommt der Kommentar: “Das kriegt ihr nie gebacken.” Rund ein Dutzend Beamte sichern eine Absperrung, rund 200 Demonstranten bewegen sich in diese Richtung. Sofort werden BFE-Einheiten dorthin geleitet: “Die brauchen Unterstützung und zwar sofort.” Die Demonstranten nehmen einen anderen Weg.
Die Demonstration am Nachmittag wird von 120 Beamten abgeschirmt – tatsächlich nur der “schwarze Block” von einigen Hundert gewaltbereiten Autonomen, die sich vermummt haben. Der massive Einsatz der Polizei verhindert Ausschreitungen. 201 Personen wurden zuvor gekesselt und festgesetzt.
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Lesetipp – Beobachtungen am Tatort nach einer Schießerei – über 140.000 Mal aufgerufen
Ich bin fassungslos – krass geht anders
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Konfetti-Mädchen
Die von der Polizei gezeigten Szenen zeigen vollständige Abläufe und zwar ungeschnitten. Viele Szenen sind so “verpixelt”, dass man die Personen nicht erkennen, aber jederzeit den Abläufen folgen kann.
Teils wirken die Gesichter der Demo-Anmelder angespannt, manchmal fassungslos. Bei der anschließenden Debatte melden sich nur wenige zu Wort. Statt sich der Macht der Bilder zu beugen und anzuerkennen, dass es keine Polizeigewalt gab, kritisieren einzelne Polizeikontrollen, dass sich Streifenwagen in der Nähe des “Kulturfestes” gefährlich verhalten hätten, der Wasserwerfer (auf der Suche nach der Einsatzstelle) dort aufgehalten hätte und wieso junge Mädchen festgenommen wurden, die doch nur “Konfetti” geworfen hätten, wie die SPD-Stadträtin Stella Kirgiane-Efremidis meint.
Gewahrsamnahme für “ACAB”
Diese jungen Mädchen waren bei der Vorführung nicht zu sehen. Nach unseren Recherchen bildeten sie teils eine “Schutzwand” für die Schläger, beleidigten Beamte und trugen Kleidung mit der Aufschrift: ACAB. All Cops Are Bastards. Deswegen wurden sie in Gewahrsam genommen.
Im Einsatz waren vom 20.-22. November 1.700 Polizisten. Am “Kampftag” standen 700 Polizisten insgesamt weit über 1.000 gewaltbereiten Antifa-Aktivisten gegenüber. Es gab 16 verletzte Beamte und angeblich 89 verletzte Demonstranten. Eine Frau soll mit einem “Verdacht auf Wirbelbruch” in ein Krankenhaus eingeliefert worden sein – wir konnten diesen Fall trotz erheblicher Mühe nicht verifizieren. In den umliegenden Krankenhäusern wurden nur wenige Personen medizinisch behandelt. Die “Antifa-Aktivisten” hatten Anwälte und eigene “Sanitätsdienste” “im Einsatz” vor Ort.