Mannheim, 30. Dezember 2014. (red/pro) Am 17. Januar 2015 wird ab 14:00 Uhr eine Demonstration unter dem Motto „Mannheim sagt Ja“ als klares Bekenntnis der Stadt und seiner Einwohner für Flüchtlinge abgehalten werden. Im Anschluss gibt es ab 16 Uhr ein Kulturfest im Capitol. Eine Reihe von Musikern haben auf Initiative der Veranstalter zugesagt. Darunter auch Rolf Stahlhofen, ehemaliger Sänger der „Söhne Mannheim“ und Freund seines Förderers Xavier Naidoo. Nachdem der Soulsänger vor Rechtsextremen und Reichsbürgern am 03. Oktober in Berlin mit Verschwörungstheorien aufgetreten war, ist die Empörung groß und Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz, die Pop-Akademie und andere distanzierten sich von Herrn Naidoo. Rolf Stahlhofen fand das „beschämend“ und wirft den Kritikern ein „armseliges Verhalten“ vor. Vielleicht sollte Herr Stahlhofen mehr darüber nachdenken, was er so von sich gibt.
Lieber Rolf Stahlhofen,
Musiker sollen Musik machen. Niemand zwingt sie zu politischen Äußerungen oder irgendeinem Engagement außerhalb ihres Metiers. Aber natürlich dürfen sich Musiker und andere Künstler auch politisch äußern und sich engagieren. Damit geht aber auch Verantwortung einher, denn je bekannter der Künstler, desto mehr Menschen werden erreicht – und viele Fans „stehen“ zu ihren Idolen, teils auch ohne jede kritische Reflexion.
Das gilt auch für Dich. Du bist ein Fan von Xavier Naidoo, dem Du auch wesentlich Deine musikalische Karriere zu verdanken hast und mit dem Du auch nach der Zeit bei den „Söhnen Mannheims“ immer wieder aufgetreten bist. Und Du hast eine Fan-Gemeinde, viel kleiner als die von Naidoo. Der hat 1,4 Millionen Facebook-Fans, Du immerhin 7.035.
Nach Herrn Naidoos Auftritt in Berlin vor Rechtsextremen und Reichsbürgern, bei dem er verschwörungstheoretischen Unsinn erzählt hat, haben andere Menschen, die Verantwortung tragen, sich bestürzt gezeigt und sich klipp und klar von diesen „radikal libertären und anti-staatlichen Aussagen“ (OB Kurz) distanziert.
Und was machst Du? Du findest es „beschämend, wie die Stadtväter und Stadtbrüder Mannheims mit Xavier Naidoo umgehen“. Und Du findest die Art und Weise, „wie OB Peter Kurz oder die Popakademie Mannheim in Distanz gehen, ihn ausschließen, armselig.“ Und allesamt sind das nur „Schulterklopfer“ für Dich. Du zeigst damit, wie „verächtlich“ Du diese Menschen findest.
Rolf, geht’s noch?
Ganz ehrlich, Rolf? Geht’s noch? Bei Dir geht ganz schön viel durcheinander. Ich gebe Dir dafür ein paar Beispiele. Du forderst Toleranz – man soll, wie Du übersetzt, Herrn Naidoo „erdulden, ertragen“, auch wenn man nicht „alles toll“ findet, was er so von dich gibt. Und Du meinst, es sei „der komplette Wahnsinn“, wie Presse und Medien (wo ist der Unterschied?) „IHN“ (Großschreibung von Dir) als Rassist zu verunglimpfen versuchen.
Wer ist „IHN“? Ein Gott? Der Heiland? Ein Übermensch, den man nicht kritisieren kann? Klingt irgendwie so. Und Du meinst tatsächlich, dass Journalisten aller großen Medien, bei Fachmagazinen vorsätzlich versuchen, „IHN“ zu verunglimpfen? Alles gesteuerte Lügenpresse oder was?
Und Du tust das verschwurbelte Zeugs, das Herr Naidoo von sich gibt, als „ab und zu nicht die richtigen Worte“ finden ab? Nochmal, Rolf, geht’s noch? Der Mann wählt seine Worte bewusst und systematisch. Das ist sein Job, mit Worten umzugehen. Und mit dem, was sie bedeuten. Und nicht nur wir haben thematisiert, dass jede Menge antisemitischer, rassistischer und gewaltverherrlichender Scheiß in seinen Songs zu finden ist. Immer und immer wieder. Seit Jahren. Meistens auf der Andeutungsebene – wie man das zu deuten hat, weiß man spätestens seit seinem Auftritt in Berlin.
Dein Herr und Meister vertut sich nicht ein Wenig, der weiß genau, was ihn umtreibt und was er mit seinem komplett verworrenen Weltbild als „Botschaft“ unter die Leute bringen will. Deutschland hat keine Verfassung und ist immer noch besetzt, es gibt eine jüdische Weltverschwörung sowie eine der „Eliten“, pädophile Logen missbrauchen Kinder und der Weltuntergang ist nah:
Xavier Naidoo ist ein Erweckungs-Säusler mit einem gläubig-treuen Millionenpublikum; er ist auch, wie sich jetzt herausgestellt hat, ein politischer Irrläufer, der für neue rechte Überzeugungen steht.
Alles Deppen, die nicht an „IHN“ glauben?
Georg Diez hat das bei SPON recht gut auf den Punkt gebracht. Vom Popstar zum Populisten. Auch bei uns kannst Du nachlesen, was wir zu den „Inhalten“ von Herrn Naidoo recherchiert haben. Oder bei Publikative.org, getragen von der Amadeu Antonio-Stiftung. Oder bei Zeit online, bei der taz, bei heise.de undsoweiter. Alles Deppen, die nix kapieren? Oder kann es sein, dass Du der xxxx bist, der nix kapierst?
Die krude Soße, die sich der Xavier Naidoo zusammenreimt, ist natürlich eine „Spinnerei“, aber eine, an die er glaubt. Sie ist natürlich total bekloppt, aber er lebt sie mit System und verbreitet das Zeugs, wo er kann.
Und Du Rolf, was machst Du? Was hast Du in den vergangenen Jahren gemacht? Hast Du „IHM“ mal ordentlich Deine Meinung gegeigt? Beispielsweise bei den Bibel-Stunden, an denen Frauen nicht teilnehmen dürfen? Hab ich was übersehen oder hast Du Dich niemals von dem kruden Zeugs, das er so von sich gibt, distanziert? Und glaubst Du tatsächlich, dass nur, weil über Jahre alle nur verlegen weggeguckt haben, ja, auch Du, das damit in Ordnung geht? Ist Dir mal der Gedanke gekommen, dass Du auch ein Weggucker bist? So wie viele, vielleicht sogar die meisten? Und wenn es dann ganz böse wird, hat man von nix gewusst?
Meinst Du Deinen Quatsch tatsächlich ernst?
Und stellst Du seine „verrückten wirren Ideen“, beispielsweise als Mitinitiator der Popakademie auf dieselbe Stufe mit Auftritten vor Rechtsextremen Staatsfeinden? Meinst Du den Quatsch, den Du da schreibst, tatsächlich ernst? Findest Du es wirklich gut, dass Dein Meister auch auf die NPD zugehen will? Als „Botschafter der Liebe“? Glaubst Du im Ernst, der Herr Naidoo hat die „Liebe“ für sich gepachtet und kann tun und lassen, was er will ohne dafür kritisiert zu werden? Und ist Kritik für Dich sowas wie ne „Hinrichtung“? Wenn wir schon beim Thema sind, „Hinrichtungen“ wünscht sich auch Dein Förderer in seinem „Hidden track“ (Dazu Stadtrat Fontagnier: „Der Text gruselt mich.“). Marcus Schwaiger dazu auf Zeit.de:
Auch die Verhandlung des Themas Kindesmissbrauch im Rap-Kontext ist nicht neu. Ein Sujet, zu dem alle Idioten dieser Welt eine Meinung haben, jeder für sich natürlich die richtige und gesunde: Kopf ab! Da treffen sich dann Nazis und Islamisten, Biedermänner mit gesundem Volksempfinden, Schwerverbrecher, Steuersünder und nicht-pädophile Vergewaltiger und rufen nach autoritären Strukturen und der Todesstrafe, immer mit dem Argument: „Um jeden Scheiß kümmern sich die da oben, aber die Kinderschänder lassen sie frei herumlaufen!“
Du singst übrigens gerne ein Lied mit ihm, das heißt: „Volle Kraft voraus“, darin heißt es:
Wir können nichts verlieren
als den Alltag dieser Welt
Ich kann nur existieren
wenn Babylon fällt
Mehr und mehr wird ihnen Macht entweichen
Und ein Heer von Soldaten auch
Die Rechnungen die wir begleichen
Begleichen wir aus dem Bauch
Elsässer, Janich, Jebsen, Super-Mario – was hältst Du von denen, Rolf Stahlhofen?
Es ist also nicht so, dass Du nur den Xavier Naidoo entschuldigst und ihm als alter Kumpel zur Seite stehst. Du bist Teil seines „Systems“ und wirkst aktiv mit, die krude Soße, die er im Kopf hat, weiterzuverteilen. Babylon (die Hure) muss fallen, „mehr und mehr wird IHNEN Macht entweichen“. Es werden „Rechnungen beglichen“ – jaja, das kann man alles als pubertär-bescheuertes Geschwätz abtun, als spinnertes Zeugs. Ist es auch – aber Xavier Naidoo glaubt dran und missioniert darüber hinaus mit „politischen Botschaften“ – auch vor Reichsbürgern und Rechtsradikalen. Jürgen Elsässer, Oliver Janich, Ken Jebsen (zum Foto hier noch ein Link) – er lässt sich mit diesen „Verschwörungstheorieverbreitern“ ablichten. Nicht zufällig, sondern gewollt. Aktiv. Und die Verkaufszahlen sind gut. Lieber Rolf, das heißt aber nicht, dass der Scheiß inhaltlich wertvoll ist, sondern nur, dass er sich „gut“ verkauft. „Super-Mario“ verkauft sich auch gut, rangiert sogar unter den zehn weltweit meistverkauften Produkten – aber niemand würde auf die Idee kommen, den „Klempner“ in seinem Kampf gegen Riesenaffen als Retter der Welt zu bezeichnen.
„Wenn man jetzt meine Alben hört, hat man schon härtere Töne gehört.“ Xavier Naidoo, Video veröffentlicht am 05. Oktober 2014, zwei Tage nach seinem Auftritt vor Reichsbürgern in Berlin. Er promotet das Buch von Oliver Janich, „Die vereinigten Staaten von Europa“, ein Verschwörungsbuch über angebliche „dunkle Pläne der Elite“. Janich ist Begründer (2009) der „Partei der Vernunft“, von dessen Vorsitz er aber 2013 zurückgetreten ist. Die PdV hat rund 1.000 Mitglieder. Ein Großteil des „Bundesvorstands“ ist Anfang November 2014 wegen des mangelnden Erfolgs und „Intrigenspielchen“ zurückgetreten.
Du willst „zuhören, diskutieren, MITEINANDER reden“? Können wir gerne machen. Und zwar öffentlich. Frag doch mal den Thorsten Riehle, den Manager des Capitol, ob wir das gleich am 17. Januar 2015 machen können. Der ist übrigens SPD-Stadtrat, also einer der „Stadtväter oder Stadtbrüder“ Mannheims, deren Verhalten Du beschämend findest. Herr Riehle gehört vermutlich nicht dazu, denn der hat viel Verständnis für den „Xaver“, den er seit 20 Jahren kennt.
Bist Du bereit für eine öffentliche Diskussion, Rolf?
Ich würde sehr gerne mit Dir und Herrn Riehle und anderen darüber reden, wie lange man die Klappe hält, wenn Leute „komisches Zeugs“ reden und welche Rolle dabei geschäftliche Interessen spielen. Vielleicht geht es ja auch nur um Musik. Auch darüber können wir reden. Und da Du ja einen guten Draht in den Himmel hast, vielleicht ist „ER“ ja auch bereit, sich an dem Gespräch zu beteiligen, auch wenn ich kein Reichsbürger bin, nicht an Verschwörungstheorien glaube. Aber ich bin qualifiziert, weil ich ganz viel über Nazis recherchiere, also die Leute, auf die der „Xaver“ so gerne „aus Liebe“ zugehen möchte.
Organisator der Veranstaltung am 17. Januar 2015 ist übrigens unter anderen Gerhard Fontagnier. Der ist auch „Stadtvater und -bruder“. Für die Grünen. Für den schämst Du Dich ganz bestimmt. Das ist ein ganz übler Bursche, einer, der Deinen Meister ganz schön angeht. Ich zitiere mal die RNZ, wo sich der „armselige“ Fontagnier äußert:
Xavier Naidoo hat in der Vergangenheit schon sehr viel gefährlichen Unsinn verzapft. Er ist ein Verschwörungstheoretiker, religiöser Fundamentalist und Spinner, was seine politische Haltung angeht.
Überleg es Dir. Ich würde mich sehr freuen, wie Du „IHM“ „klar die Meinung darlegst“, also Naidoo und gerne auch „ihm“, Fontagnier. Außerdem würde mich interessieren, was Du mit „unüberlegten, die breite Masse beruhigen wollenden Dinge“ meinst. Außerdem würde ich gerne wissen, wie „tolerant“ Du bist und ab wann Schluss-mit-lustig für Dich ist. Pädophilen die „Klöten zu quetschen“ geht für Dich in Ordnung – was geht nicht in Ordnung?
Wir können auch gerne über „rechte und linke“ Meinungen reden und was für Dich „der gemeinsame Nenner“ ist. Stichwort: Querfront. Vielleicht meinst Du ja das. Also Pegida und so. Außerdem würde mich interessieren, was Du mit „ganz klar gegen rechts“ meinst. Und sehr spannend: Darf man jemanden, der sich wohltätig zeigt, trotzdem kritisieren und ab wann muss man „Wohltaten“ zurückweisen, weil sie „Übeltaten“ rechtfertigen? Spannende Frage, oder?
Am Spannendsten finde ich aber die Frage nach Deinem persönlichen Opportunismus. Oder sagen wir mal, über Deine spezifische „Geschmeidigkeit“. Du schämst Dich für gewisse Leute, wie die mit „IHM“ umgehen. Trittst dann aber auf Veranstaltungen von „DIESEN“ Leuten auf. Braucht man dafür ein flexibles Rückrat? Oder kommt man ohne aus?
Du merkst schon, lieber Rolf, das könnte ein interessantes Gespräch werden. Aber ganz ehrlich, Rolf? Ich traue Dir nicht die Traute zu, dass Du Dich darauf einlässt. So ganz ungefiltert.
Ich wünsche Dir nen guten Rutsch!
Grüße
Hardy Prothmann