Mannheim/Rhein-Neckar, 17. Januar 2015. (red) Aktualisiert. Ab 14 Uhr werden Menschen in Mannheim „Ja zu Flüchtlingen“ sagen und als Teilnehmer/innen einer Kundgebung in gerader Linie vom Schlosshof über die Breite Straße zum Alten Messplatz laufen. Dort gibt es ab 15 Uhr Reden und im Anschluss ab 16 Uhr ein „Kulturfest“. Die bange Frage ist: Wie viele kommen? Die richtige Frage lautet: Wofür kommen die eigentlich?
Von Hardy Prothmann
Kommen alle „8.000-Facebook-Zusager“? Oder werden es sehr viel weniger? Oder doch noch viel mehr? Niemand weiß es – das entscheidet sich heute ab 14 Uhr, wenn die Kundgebung beginnt.
Was, wenn nur 2.000 Menschen kommen? Ist das dann enttäuschend? Sind 4.000 Teilnehmer/innen bei 8.000-Facebook-Zusagen ein Erfolg? Oder müssen es 6.000 sein? Oder kracht es erst richtig, wenn es sogar noch deutlich mehr sind, 10., 12., 14., oder sogar 25.000 Teilnehmer? So wie in Dresden bei „Pegida“.
Keine ordentliche Information
Egal, wie viele Menschen kommen. Was die Initiatoren vorsätzlich versäumt haben, ist eine ordentliche Information der Menschen, wofür diese eigentlich auf die Straße gehen.
Denn der Marsch beginnt nicht mit einer Lüge, aber mit einer Falschaussage: „Mannheim sagt Ja zu Flüchtlingen“ symbolisiert keineswegs die tatsächliche Lage. „Mannheim sagt Ja zur LEA“ wäre richtig. Denn die Stadt Mannheim sagt nicht „Ja“ zu Flüchtlingen, sondern wird Landeserstaufnahmeeinrichtung. Flüchtlinge, die 2015 nach Mannheim kommen, hören kein „Ja“, sondern ein „Hello and Good-bye„.
Flüchtlinge in Mannheim – „Ja“ für ein paar Wochen
Als „Lea“-Standort wird Mannheim keine Flüchtlinge aufnehmen, sondern nur verwalten. Der Bund verteilt die Flüchtlinge auf die Länder, die Landeserstaufnahmeeinrichtungen nehmen diese auf, erledigen erste Formalien, danach werden die Flüchtlinge auf Land- und Stadtkreise zur „vorläufigen Unterbringung“ verteilt. „LEA“-Standorte wie Mannheim werden von dieser Verpflichtung entbunden, sie müssen keine Asylbewerberunterkünfte einrichten.
Wenn also am Samstag wie viele Menschen auch immer marschieren, dann nicht für ein „Ja“ zur Aufnahme in Mannheim. Sondern für ein „Ja“ zur vier- bis achtwöchigen Verwaltung. Danach geht die Reise für die Flüchtlinge weiter – nach außerhalb von Mannheim.
Grinse-Gerhard – wo ist die Kamera?
Je mehr Menschen ein falsches „Ja“ begleiten, je mehr grinsen der grüne Stadtrat Gerhard Fontagnier und der SPD-Stadtrat Thorsten Rhiele – vor allem in Kameras. Herr Fontagnier ist die treibende Kraft hinter der Demo, Herr Riehle die treibende Kraft hinter dem anschließenden „Kulturfest“. Am Freitag durften Sie in einer Sendung des Rhein-Neckar-Fernsehens auftreten, wo sie sonst eher selten zu sehen sind. Für die beiden hat sich die Show also schon gelohnt, bevor überhaupt irgendjemand auf der Kundgebung erschienen ist.
Folgerichtig haben es die beiden Party-Event-Veranstalter auch heute in die Zeitung geschafft – andere „Initiatoren“ wie die Stadträt/innen Marianne Bade (SPD), Rebekka Schmitt-Illert (CDU) und Petar Drakul (SPD) haben ihren Namen gegeben, schaffen es aber nicht auf ein Foto, so wie Herr Riehle und Herr Fontagnier im Mannheimer Morgen.
Hinter den Kulissen ging und geht es ordentlich ab. Insbesondere Herr Fontagnier, ein früherer Kommunist, agierte mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gegen unsere kritischen Berichte. Denn wir hatten die Teilnahme von Rolf Stahlhofen, einem eher einfältigen Xavier-Naidoo-Jünger, kritisiert.
Herr Fontagnier hatte im Herbst 2014 viel Aufmerksamkeit als Kritiker von Xavier Naidoo für dessen Auftritte vor Rechtsradikalen und Reichsbürgern gesucht. Beim „Stahlhofen“ fühlte er sich nicht „zuständig“. Herr Riehle, „zuständig“, wies die Kritik ab, der Herr Stahlhofen hätte sich ja distanziert und nur die Ablehnung des Verhaltens von Xavier Naidoo durch den Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz „kritisiert“. Nur blöd, dass Herr Riehle ein SPD-Stadtrat ist und der OB ebenfalls SPD-Mitglied.
Während der OB sich aber erschüttert über Herrn Naidoo zeigt, bucht Herr Riehle einen von dessen Jüngern, die den OB hart angehen. Vermutlich hat er sich nichts dabei gedacht und dann gedacht, „das wird schon“. (Auch Herr Stahlhofen schafft es heute in die Zeitung, die es nicht schafft, kritische Fragen zu stellen.)
Zahlenrausch
Und dann tauchen „Unterstützer“ auf eine „Liste“ auf, die Herr Fontagnier zusammengestellt hat – neben vielen demokratisch unverdächtigen Gruppen auch „linksradikale“. Denn eine „Differenzierung“ war nicht abgesprochen – die Masse soll es machen. „Über 170“ haben es auf die „Unterstützerliste“ geschafft – Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz kommentierte das auf unsere Anfrage so:
Die Formulierung Unterstützer“kreis“ und eine Wiedergabe auf Plakaten ist etwas unglücklich, weil damit ein Zusammenschluss signalisiert wird, der organisatorisch nicht besteht.
Dieser Zahlenrausch des grünen Stadtrats Fontagnier hat die anderen Initiatoren mächtig beeindruckt und handlungsunfähig gemacht. Insbesondere Marianne Bade, Stimmkönigin der Kommunalwahl und eine zweifellos aufrechte und engagierte SPD-Stadträtin, hat sich den Entwicklungen ergeben. Das wurde alles zu groß, zu durcheinander für sie. Für sie geht es um die „gute“, gemeinsame Sache – für Differenzierungen und Kritik bleibt da kaum Raum.
Petar Drakul, Einwandererkind, Maurer, Rechtsanwalt und nun Ministeriumsmitarbeiter, verhält sich so korrekt wie möglich, wie seine Parteifreundin Frau Bade – aber beide können nur noch zuschauen, wie Herr Fontagnier die Show puscht, stehen aber mit ihrem Namen ein.
Dilemmata
Vollständig im Dilemma ist die CDU-Stadträtin Rebekka Schmitt-Illert. Als „überparteiliches Anhängsel“ von Herrn Fontagnier als „Coup“ eingeplant, vertraut sie im Urlaub auf eine ordentliche Organisation, um dann feststellen zu müssen, dass sie ordentlich reingelegt worden ist. Sie ist mit dabei, wenn „Linksradikale, mit denen sie nichts zu tun haben will, als Unterstützer auftreten. Was tun? Zurückziehen oder „das Beste draus machen“?
Die Dame reagiert souverän und gibt uns ein Interview, dass nicht ganz einfach zu führen war, denn man hatte sie „vor uns gewarnt“. Ihr Parteikollege Nikolas Löbel greift unsere Kritik an „linksradikalen“ Gruppen auf und meint, dass der CDU-Kreisverband Mannheim sich als Unterstützer nicht anschließen könne, während CDU-Ortsverbände anderer Auffassung sind und das tun. Das wiederum freut Herrn Fontagnier, der sich über die CDU nur „wundern“ kann. Herr Riehle äußert sich nicht, der macht, obwohl Stadtrat, schließlich ganz „unpolitisch“ nur das „Kulturfest“.
Das Interview mit Frau Schmitt-Illert führt dazu, dass auch Herr Löbel sich bewegen muss und meint, dass er CDU-Mitglieder zur Teilnahme aufruft, aber nicht zur Untersützung. Aha. Vermutlich ist er ein Fan von „Mutti“ – Teflon hoch zwei.
Oberbürgermeisterkandidat Christopher Probst und die Mannheimer Liste sagten zähneknirschend ihre Teilnahme zu – glücklich ist man auch dort nicht mit den „Linksradikalen“.
Streit hinter den Kulissen
Hinter den Kulissen geht es überhaupt nicht um „Willkommen“ oder irgendetwas „Freundliches“. Der grüne Stadtrat Gerhard Fontagnier agiert wie ein Bolschewik gegen unsere Veröffentlichungen. Wir haben deshalb den Kontakt zu ihm abgebrochen und bezeichnen ihn fortan als Pressefeind im Demokratenmäntelchen. Wer seine Auftritte verfolgt, weiß, dass er sich über den Mannheimer Morgen und das Rhein-Neckar-Fernsehen überwiegend verächtlich macht – außer, er selbst steht im Mittelpunkt. Solange wir nicht kritisch mit ihm waren, drängte er sich mit Informationen auf – aktuell sind wir die „Hetzerpresse“ für ihn.
Stadträtin Bade bemüht sich bewährt redlich um Ausgleich, verzweifelt aber. Stadtrat Drakul hält sich zurück und greift doch ein, wenn Schmähungen gegen uns zu drastisch werden. Stadtrat Riehle lächelt und hält sich raus. Stadträtin Schmitt-Illert hält ihre Linie und schafft es, die CDU im Spiel zu halten.
Leider verkommt die Kundgebung zu einem parteitaktischen Spiel – befördert und befeuert insbesondere durch den grünen Stadtrat Gerhard Fontagnier. Wer ist „im Fernsehen“? Wer ist in der Zeitung? Wer ist Administrator der 8.000-Facebook-Zusagen? Wer, wer, wer? Na klar, Er.
Wer von außen auf die Entwicklung schaut, reibt sich verwundert die Augen. Worum geht es heute nochmal? Um die Gerhard-Show? Oder um ein „Ja zu Flüchtlingen“?
Frau Bade meint, es ginge darum, mehr als „Nein zu Pegida“ zu sagen. Das ist ein frommer Wunsch. Ein Nein zu „Pegida“ wie in Heidelberg wäre eine klare Ansage gewesen. Dort waren 400 angemeldet, 3.000 Menschen kamen. Wenn es um den Zahlenvergleich nach Einwohnern geht, müssen in Mannheim 7.500 Teilnehmer kommen, sonst bleibt man hinter Heidelberg zurück.
Wenn es gegen „Pegida“ gegangen wäre, wäre vermutlich sogar ein CDU-Kreisvorstand Nikolas Löbel vorne mitmarschiert, diesen Opportunismus hätte er vertreten können.
Die Button-Frage
Stattdessen geht es um Buttons („Haste auch schon einen gekauft, um die Demo zu finanzieren, hey, wir haben Aufwand“), um ne Party nach der Demo, genannt „Kulturfest“, wo einer auftritt, der „DEN EINEN“ verteidigt, der die BRD als Firma sieht und noch einer, der nur durch „IHN“ überregional Bekanntheit erlangte.
Wer diese Hintergründe kennt, darf sich zu Recht instrumentalisiert vorkommen. Und zu Hause bleiben.
Wer gegen „Pegida“ aufmarschieren will, wer die Stadt Mannheim gegen „Manngida“ verteidigen will (über 1.600 Facebook-Likes), wer für die Aufnahme von Flüchtlingen außerhalb Mannheims eintreten will und die gut 10.000 Südost-Europäer aus Rumänien und Bulgarien mit einem herzhaften „Ja“ begrüßen will – der ist richtig bei dieser Kundgebung, auch, wenn die europäischen Zuwanderer keine Flüchtlinge sind, sondern schlicht und ergreifend Neubürger.
Vermutlich wird Mannheim trotzdem Flüchtlinge in einer „vorläufigen Unterbringung“ beherbergen müssen, denn im Land fehlen Unterkünfte. Aber das ist eine freiwillige Leistung, die nur vorübergehend sein wird.
Für etwas sein, was es nicht geben wird
Eigentlich, so war der Gedanke von einigen Initiatoren, wollte man nicht nur gegen „Pegida“ sein, sondern für etwas. Also für Flüchtlinge. Leider hat man dabei übersehen, dass man „für“ etwas ist, was es nur in ihrer Fantasie, aber in Mannheim nicht geben wird.
Weil aber sehr schnell sehr viel Wind gemacht worden ist, kam man aus der „Nummer“ nicht mehr raus.
Soviel ist sicher: Nach der heutigen Kundgebung wird es bei SPD, Grünen und CDU ganz ordentlich krachen. Denn bei allen drei Parteien kommt Herr Fontagnier in seinem Zahlenrausch nicht gut weg und alle haben Probleme mit seiner Agitation.
Genau darüber wird man diskutieren müssen – nach der Kundgebung. Über eine klare Organisation, über Regeln, über Zuständigkeiten, über Transparenz und über Ehrlichkeit. Hinder den Kulissen brodelt es gewaltig – auch beispielsweise, weil die alevitische Gemeinde nicht einverstanden war, dass nur sunnitische Gemeinde als Redner auftreten soll. Oder als klar war, dass ein Grußwort von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) verlesen werden soll – jetzt gibt es auch eins von Landtagspräsident und Kretschmann-Herausforderer Guido Wolf (CDU).
Die „Gespräche“ sind schon angekündigt, weil aus politischer Sicht kaum noch jemand über die „Gerhard-Thorsten“-Zelle amüsiert ist und künftige Veranstaltungen unter „Führung“ von Herrn Fontagnier als „breites Bündnis“ ausgeschlossen sein dürften.