Mannheim/Berlin, 29. August 2015. (red/pm) Neuveröffentlichung unseres Artikels vom 21. August 2015, 17:23 Uhr, nachdem wir abgemahnt worden sind und uns zunächst mit unserem Anwalt beraten haben. Die Amadeu Antonio Stiftung und Xavier Naidoo haben sich in einem Gerichtstermin am 19. August vor dem Landgericht Mannheim auf einen Vergleich geeinigt. Hintergrund war ein Antrag Naidoos auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verschiedener Äußerungen in dem Artikel „Xavier Naidoo: Telegramm für X oder wie bringe ich Reichsbürger-Inhalte ins Fernsehen“, der auf dem Internetportal Netz-gegen-nazis.de der Stiftung veröffentlicht worden war.
Anm. d. Red.: Der Pop-Sänger Xavier Naidoo hatte Teile der ersten Fassung dieses Artikels über seinen Anwalt in der Nacht von Freitag auf Samstag vergangener Woche abgemahnt, fordert eine strafbewehrte Unterlassungserklärung sowie die Übernahme von rund 1.800 Euro Kosten für seinen Anwalt und droht eine Gerichtsverhandlung an. Streitwert 30.000 Euro. Das entspricht mindestens einem Kostenrisiko von 7.500 Euro, in der zweiten Instanz 15.000 Euro. Wären wir auf die Forderung eingegangen, hätten wir inklusive unserem Anwalt einen Schaden von rund 3.600 Euro akzeptiert. Wir lassen uns nicht einschüchtern und veröffentlichen den Text erneut – die betreffenden Stellen haben wir rot markiert und erläutern in einem weiteren Artikel, was abgemahnt worden ist.
(Hier unser neuer Artikel: Es ist, als würde Dir jemand in den Kopf schießen.)
Information der Amadeu Antonio Stiftung:
„Der Artikel setzt sich mit Auftritten Xavier Naidoos auf zwei Demonstrationen am 03. Oktober 2014 vor dem Reichstag auseinander, überdies wurden Textstellen von Xavier Naidoos Song „Raus aus dem Reichstag“ als antisemitisch bezeichnet. (Anm. d. Red.: In der ersten Fassung dieses Artikels lautete die rot gekennzeichnete Stelle anders.) In dem Vergleich erklärte sich die Stiftung zur Unterlassung verschiedener Äußerungen bereit. Überdies wurde klargestellt, dass die Amadeu Antonio Stiftung nicht Xavier Naidoo persönlich als Antisemiten darstellen wollte, dass die Stiftung aber weiter die Auffassung vertritt, dass Zeilen aus Naidoos Liedtext „Raus aus dem Reichstag“ als antisemitisch interpretiert werden könnten.
„Die Stiftung beobachtet mit Sorge, dass antisemitische Stereotype seit Jahren wieder salonfähig werden und häufig unwidersprochen bleiben. Aufgrund dieser Entwicklung ist es fatal, dass Texte, die antisemitisch interpretierbar sind und damit entsprechende Strömungen bedienen von prominenten Personen wie Xavier Naidoo vorgetragen werden. Es ging uns zu keinem Zeitpunkt darum, Xavier Naidoo persönlich anzugreifen. Doch es muss möglich sein, kritikwürdige politische Entwicklungen auch zu kommentieren.
Die Amadeu Antonio Stiftung hat dem Vergleich zugestimmt, weil wir keinen Wert auf eine langwierige juristische Auseinandersetzung mit Xavier Naidoo legen. Es war unser Hauptanliegen, auf die antisemitischen Anknüpfungspunkte in dem Text „Raus aus dem Reichstag“ hinzuweisen, deshalb sind wir zufrieden mit dieser Klarstellung. Auch halten wir die Auftritte von Xavier Naidoo bei den Demonstrationen am 3. Oktober 2014 weiterhin für äußert problematisch,
erklärt Anetta Kahane, Vorsitzende des Vorstands der Amadeu Antonio Stiftung.“
Hintergrund: Xavier Naidoo war im Oktober 2014 in Berlin bei Veranstaltungen aufgetreten, an denen organisatorisch sogenannte „Reichsbürger“ und frühere NPD-Mitglieder beteiligt waren. Dieser Auftritt hatte ihm bundesweit Kritik eingebracht. Auch Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) distanzierte sich von dem Mannheimer Pop-Künstler.
Hofberichterstatter beim Mannheimer Morgen für Naidoo ist Jörg-Peter Klotz, der 2002 zusammen mit Michael Fuchs-Gamböck 2002 bei Goldmann das Buch „Xavier Naidoo: Seine Wege“ veröffentlicht hat. Dementsprechend verbunden wertet der Autor den Vergleich vor Gericht als „Xavier setzt sich weitgehend durch“. (Anm. d. Red.: In der ersten Fassung des Artikels hatten wir uns auf die erste Fassung der Information der Stiftung bezogen, jetzt beziehen wir uns – rot markiert – auf die zweite Fassung.) Dies ist vielleicht aus Sicht von Herrn Naidoo und dem ihm gewogenen Journalisten richtig, für andere dürfte diese Interpretation falsch und es „politisch“ bedeutender sein, dass laut Angaben der Amadeu Antonio Stiftung gewisse Textzeilen weiterhin als „antisemitisch interpretiert werden könnten“. Nach unseren Informationen war die Stiftung auf Schadensbegrenzung aus, insbesondere weil das Landgericht den Streitwert von 15.000 auf 100.000 Euro hochgesetzt hatte.
(Anm. d. Red.:Wie wahr nachfolgende Zeilen sind, haben wir dann rund acht Stunden nach Erscheinen des Artikels erfahren – die anwaltliche Abmahnung erreichte uns am Samstag, 22. August um 01:09 Uhr!) Wir können urlaubsbedingt zum jetzigen Zeitpunkt keine umfassende Recherche vorlegen, werden das aber im September nachholen – da sich Herr Naidoo klagefreudig zeigt, bedeutet dies natürlich eine noch höhere Sorgfalt, als wir sie ohnehin an den Tag legen, denn offenbar werden Äußerungen bis ins kleinste Detail auf rechtliche Angriffsmöglichkeiten geprüft – und juristische Kosten zahlt der millionenschwere Künstler aus der Portokasse.
Zur Amadeu Antonio Stiftung: Der Namensgeber der Stiftung, Amadeu Antonio wurde 1990 von rechten Jugendlichen im brandenburgischen Eberswalde zu Tode geprügelt, weil er schwarz war. Er war eines der ersten von heute 184 Todesopfern rechtsextremer Gewalt seit dem Fall der Mauer. Die Amadeu Antonio Stiftung wird u.a. von der Freudenberg Stiftung unterstützt und arbeitet eng mit ihr zusammen. Die Stiftung ist Mitglied im Bundesverband Deutscher Stiftungen und hat die Selbstverpflichtung der Initiative Transparente Zivilgesellschaft unterzeichnet.
Transparenz: Unsere Redaktion hat in der Vergangenheit mehrfach mit der Amadeu Antonio Stiftung auf informatorischer Ebene zusammengearbeitet und schätzt das Engagement der Stiftung außerordentlich.