Heidelberg, 13. Februar 2017. (red/momo) Sollen Bismarckplatz und der Willy-Brandt-Platz vorm Hauptbahnhof videoüberwacht werden? Eine spannende Frage, zu deren Erörterung der CDU-Kreisverband Heidelberg in den „Achter“, das Klubhaus des Heidelberger Ruderklubs, geladen hatte.
Von Moritz Bayer
Thomas Köber kennt sich mit dem Thema Videoüberwachung bestens aus. Der Polizeipräsident des Polizeipräsidiums Mannheim hatte 2001 bis 2007 das „Mannheimer Modell“ in der Quadratestadt eingeführt. Dieses beinhaltete die Videoüberwachung an den Orten, wo die Verbrechensrate signifikant höher war als im Umfeld, beispielsweise dem Paradeplatz.
Nach der Begrüßung durch den Kreisvorsitzenden Alexander Föhr führte Herr Köber vor zahlreichem Publikum im „Achter“ aus, was das „Mannheimer Modell“ besonders machte. Beamte an Bildschirmen überwachten die Videobilder in Echtzeit und alarmierten im Verbrechensfall sogenannte „Interventionstrupps“, also Streifen, die in der Nähe postiert waren und innerhalb von zwei Minuten eingreifen konnten.
Aufgrund der geringeren Größe und Verbrechenslage wäre für Heidelberg ein anderes Modell geplant. Hier sollen die Überwachungsvideos nicht live angeschaut, sondern gespeichert werden, um im Verbrechensfall zur Aufklärungshilfe auf die vergangenen zwei Tage zugreifen zu können.
Dr. Karl A. Lamers, CDU-Bundestagsabgeordneter, versicherte der Polizei die 100-prozentige Unterstützung seiner Partei und stellte klar, dass
Angriffe auf Bürger und Staat mit allen rechtsstaatlichen Mittel zu bekämpfen sind. Die Sicherheit unserer Bürger ist nicht verhandelbar.
Man würde dabei aber sehr gut auf die Privatsphäre achten. Würde nicht gesetzteskonform vorgegangen, würde das Bundesverfassungsgericht jede Form unzulässiger Überwachung binnen weniger Tage wieder einkassieren.
Zur Verdeutlichung der Dringlichkeit der Debatte verwies Dr. Lamers auf Berlin, an dem man sehr gut sehen könne, wie problematisch sich die Kriminalität entwicklen könne, wenn man nicht an wichtigen „Problempunkten“ moderne Mittel zur Verbrechensbekämpfung einsetzen würde. Ein gemeinsames und zügiges Vorgehen sei notwendig, schließlich sei Prävention besser als Nachsorge.
Thomas Köber ist überzeugt, dass die Videoüberwachung
ein gutes Werkzeug ist, wenn sie richtig und maßvoll einsetzt wird.
Neben seiner eigenen Erfahrung steht er auch im regen Austausch mit den Verantwortlichen anderer Städte wie zum Beispiel London, Liverpool oder Paris. Eine nahezu flächendeckende Überwachung wie in London lehnt Polizeipräsident Köber strikt ab, da solche Maßnahmen nicht nur viel zu weit in die Privatsphäre eindrängen, sondern auch nicht mehr den gewünschten Effekt lieferten:
Die Videoüberwachung ist nicht einfach ein Einschnitt in die Privatspähre, sondern soll dafür eben auch das Versprechen sein, im Notfall schnell handeln zu können.
In London sei das schon aufgrund der riesigen Datenmengen nicht gegeben. Dadurch stimme dann das Verhältnis von verbesserter Sicherheit zu Einschnitten in die Privatsphäre nicht.
Den Schutz der Privatspähre hat auch Bernd Köster, der Leiter des Bürgeramtes Heidelberg, im Kopf. Obwohl nicht mit Mannheim vergleichbar, so sei dennoch in Heidelberg die Anzahl an „Brennpunkten“ gestiegen, erste Reaktionen seien bereits durch das Aufstocken des Kommunalen Ordnungsdienstes auf 16 Personen erfolgt.
Nun müsse man überlegen, ob und wie Videoüberwachung eingesetzt werde. Der Bismarckplatz und der Willy-Brandt-Platz würden zwar die Vorraussetzungen erfüllen, von Kameras überwacht zu werden, nicht aber, Beamten mit der Dauerüberwachung der Bilder zu beauftragen.
Algorithmen zum Schutz der Privatsphäre
Die moderne Technik böte eine Möglichkeit, welche Arbeitskraft und Privatsphäre gleichermaßen schonen könnte: Algorithmen ,die über die digitalen Überwachungssysteme laufen, erkennen Gefahrenlagen. Die generell unscharf gefilmten Szenen würden nur dann scharf gestellt, wenn zum Beispiel eine fallende Person, mehrere hektische Bewegungen oder ähnliches die Algorithmen auslösen.
Bernd Köster denkt dabei nicht nur an die Aufklärungshilfe von Straftaten für die Polizei, sondern auch an die abschreckende Wirkung, wenn jeder potenzielle Täter befürchten müssen, gefilmt und somit schnell gefasst zu werden.
Das Landesgesetz Baden-Württembergs erlaubt Videoaufzeichnungen mit einer Speicherzeit von bis zu vier Wochen, in Heidelberg würde man mit 48 Stunden deutlich darunter liegen und dahingehend ein weiteres Zeichen setzen, wie wichtig die Privatsphäre anzusehen ist.
Maßnahmen öffentlich einsehbar
Polizeipräsident Thomas Köber fasste zusammen, dass man bei gegebener Gesetzeslage und korrekter Anwendung keine Angst vor Videoüberwachung haben müsse. Man solle bedenken, dass staatliche Einrichtungen stets über alle Maßnahmen berichten müssen und Informationen über Dauer, Art und auch Erfolge immer einsehbar wären.
Das „Mannheimer Modell“ war übrigens so erfolgreich, das es sich sein eigenes Grab schaufelte: 2007 war die Verbrechensrate beispielsweise am Paradeplatz derart gesunken, dass die Vorraussetzungen für weitere Videoüberwachung wegfielen und das Modell abgeschafft werden musste.
Heidelberg ist nicht Mannheim – bisher keine Erfahrungsberichte
Ob in Heidelberg mit einem ähnlichen Erfolg gerechnet werden kann, konnten weder Herr Köber, noch Herr Köster beantworten. Aufgrund der fehlenden Praxiserfahrung mit Heidelberg vergleichbarer Städte müssen man hier vielmehr eigene Erfahrungen sammeln, sagte Polizeipräsident Köber.
Die Anwesenden schienen sich weitgehend darüber einig zu sein, dass kein Grund generell jede Videoüberwachung verböte. Die Meinungen und Fragen in der Diskussion gingen um Einzelheiten wie die Dauer der Speicherung, ob Gesichter immer erkennbar sein müssen oder die Beweiskraft solcher Aufzeichnungen vor Gericht.
Trotz des auf der CDU-Veranstaltung herrschenden Konsens pro Videoüberwachung an manchen Orten fällt die Entscheidung darüber letztendlich dem Heidelberger Gemeinderat zu. Bis zum Antrag, der dort mit CDU-Stimmen alleine noch keine Mehrheit hätte, können noch viele Feinheiten und Vorraussetzungen ausgearbeitet werden. Beispielsweise drängt sich die Frage auf, was eine nur aufzeichnende Videoaufzeichnung bringen solle, wenn doch das wichtige Element, des sofortigen Einsatzes von Streifen entfällt.