Rhein-Neckar/Schwetzingen/Stuttgart, 26. Januar 2017. (red/pro) Der Generalbundesanwalt hat am Mittwoch bundesweit Durchsuchungen in zwölf Objekten gegen sechs Personen veranlasst. Rund 200 Polizisten waren im Einsatz. Eine Person „geistert“ durch die Medien: Der 66-jährige „Burgos von Buchonia“, wie sich der selbsternannte „Druide“ Burghard B. nennt. Der Mann ist seit Jahren bekannt. Jetzt soll er nach Medienberichten mutmaßlicher „Kopf“ einer rechtsterroristischen Zelle sein. Die Auskünfte der Behörden sind minimal und wirken inszeniert.
Von Hardy Prothmann
Volles Programm am Mittwoch. Der Generalbundesanwalt lässt bundesweit zwölf Anwesen durchsuchen – zunächst gibt es sechs Tatverdächtige, dann sieben, durch einen „Beifang“. Der Kopf der rechten Terrorzelle soll Burghard B. sein, der sich selbst „Burgos von Buchonia“ nennt und als selbsternannter Druide nicht gerade konspirativ auftritt.
Erst Druide in der Abenschau, nun „Kopf“ einer „Terrorzelle“
Uns ist der Mann schon seit Jahren bekannt – als radikaler Hetzer und Judenhasser. Präsent in Mannheim und Ludwigshafen auf Kundgebungen von Radikalen. Seine Posts in „sozialen Netzwerken“ lassen überhaupt keinen Zweifel zu, dass es sich um einen Rechtsextremisten handelt. In der Öffentlichkeit tritt der gerne mit weißer Kutte, rotem Umhang und Wanderstab auf. Dazu langer Bart und langes Haar.
Mit seinen kruden Ansichten schaffte es der „Druide“ sogar in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – der Bayerische Rundfunk ließ den Spinner vor einigen Jahren über sein Leben als Druide für die Abendschau plaudern. Fernsehen braucht Bilder und da ist einer, der wie Miraculix rumläuft und was von Kraft und Mythos erzählt. Da brennen jedem Fernsehredakteur die journalistischen Sicherungen durch: „Wie geil ist der denn?“
Tiefer Hass
Von seinem Hass auf die „BRD“, seinem Hass auf Juden und Moslems und seinem Hass auf sonstwen, hat er nichts erzählt. Immerhin scheint er nicht ganz blöd zu sein. Aber die TV-Journalisten haben nichts zu dem Mann recherchiert, sonst wäre klar gewesen, dass das kein kurioser Spinner, sondern ein aggressiver Radikaler ist. Ist er auch tatsächlich gefährlich? Wir wissen es nicht.
Jetzt gibt es also mehrere Razzien. Und obwohl sich der Generalbundesanwalt wie gewohnt äußerst knapp zu den Ermittlungen äußert, werden sehr schnell viele Details bekannt. Interessant: Das LKA Baden-Württemberg ist mit den Ermittlungen beauftragt, sagt auf unsere Anfrage nichts, aber irgendjemand sticht dem SWR Informationen durch. Und schnell tauchen überall Fotos vom „Nazidruiden“ auf. In Berlin begleiten mehrere Kamerateams eine Durchsuchung vor Ort. Wer hat die informiert? Hatten die Glück, weil man gerade Kaffee trank und vor der eigenen Nase die Razzia lief?
Mediale Inszenierung
Obwohl sich der Generalbundesanwalt sonst eher als closed shop erweist, was Informationen angeht, tritt flugs am Nachmittag die Pressesprecherin Frauke Köhler vor die Kameras und erteilt Auskünfte, obwohl zuvor mitgeteilt wurde, dass wegen der laufenden Ermittlungen keine Auskünfte erteilt werden:
Bei den heutigen Durchsuchungsmaßnahmen sind diverse Waffen, eine große Anzahl von Munition und Sprengmittel sichergestellt worden. Um was für eine Art Sprengstoff es sich dabei handelt, können wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht sagen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) steht sofort bereit, um zu sagen:
Etwaiger entstehender Rechtsterrorismus wird von den Behörden im Keim erstickt. (…) Der Rechtsstaat bleibt auch hier entschlossen und wachsam.
Auch der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) äußert sich:
Der Rechtsstaat zeigt, dass er auf Rechtsextremismus, auf rechte Gewalt, auf rechten Hass ein Auge hat und dass er wehrhaft ist.
Klingt irgendwie gleich, was die Herren von sich geben. Vom Generalbundesanwalt heißt es:
Ziel der heutigen Durchsuchungsmaßnahmen ist es, weitere Beweismittel für das tatsächliche Bestehen einer Vereinigungsstruktur sowie zu den angeblich geplanten Straftaten und zu etwaigen Tatmitteln zu gewinnen. Erkenntnisse zu konkreten Anschlagsplanungen liegen derzeit nicht vor.
„Angeblich geplanten Straftaten“ und „etwaige Tatmittel“ also. Etwaig sagte auch der Bundesinnenminister. „Erkenntnisse zu Anschlagsplanungen“ hat man keine. Aber die Botschaft: „Seht her, wir sind entschlossen.“
Gefährlich, nicht-gefährlich – wir können es nicht entscheiden
Wir können redaktionell auf Basis der uns vorliegenden Informationen nicht entscheiden, wie „gefährlich“ diese mutmaßliche rechte Gruppe ist. Wir wundern uns nur auf Basis unserer Erfahrung, wie sehr alles inszeniert wirkt – mit zwei Botschaften: „Deutschland wird durch Rechtsradikale bedroht“ und „Der Rechtsstaat lässt das nicht zu“. Im Fokus der rechtsradikalen Bedrohung – ein 66-Jähriger im Druidengewand.
Dagegen, dass die Behörden ihre Arbeit machen, ist nichts einzuwenden – das soll so sein. Ob von dem hasserfüllten Rechten „Burgos von Buchonia“ und seinen „Mannen“ aber eine erhebliche Gefährdung ausgeht, wissen wir nicht. Er soll zur „Reichsbürgerbewegung“ gehören – Radikalen, die die Bundesrepublik Deutschland und den Rechtsstaat ablehnen.
Dieser Mann ist seit Jahren ein übler Hetzer – möglicherweise hat er sich derart radikalisiert, dass er tatsächlich gefährlich geworden ist. Möglicherweise hat man aber auch den bildergeilen Medien ein schönes Narrativ geliefert – der „Nazidruide“ ist echt unschlagbar.
Damit Sie uns, liebe Leserin, lieber Leser, nicht falsch verstehen. Wir machen die Behörden nicht lächerlich. Wer unsere Arbeit kennt, weiß, dass wir sehr intensiv zu Extremismus berichten und alles dazu nicht auf die leichte Schulter nehmen. Unser Instinkt sagt uns – irgendwas ist hier „seltsam“.
Warum jetzt?
Genau aus diesem Grund erscheint uns die Story auch sehr kurios. Verhaftungen? Unklar. Haftbefehle? Unklar. Genauer Vorwurf? Unklar. Waffen? Unklar. Was für Waffen? Unklar. Welche Munition? Unklar. Wo wurden Waffen und Munition gefunden? Unklar. Pläne? Unklar. Effizienz?
Dafür aber volle Aufmerksamkeit – bundesweit. Alle großen Medien haben berichtet. Viele berichten, beim „Druiden“ seien Waffen, Munition und Sprengstoff gefunden worden.
Dass es sich bei „Burgos von Buchonia“ um einen Rechtsextremen handelt? Seit Jahren für jeden erkennbar, der sich mit dem Thema befasst. Frühere Konsequenzen gegen seine Hetze? Keine.
Am 22. Januar postet der Mann dieses Bild:
Heute hat die mediale Inszenierung gewirkt. Der Generalbundesanwalt wird aber nachliefern müssen. Aktuell sind wir auf der Nachrichtenebene. Eine Razzia fand statt. In den nächsten Tagen und Wochen und später sind wir auf der Inhaltsebene: Wieso? Weshalb? Warum? Welches Ergebnis? Wer kommt in Haft und wenn niemand in Haft kommt, weshalb dieser enorme Aufwand?
Wir bleiben dran.
Nicht vergessen werden sollte der Fall Anis Amri und der Terroranschlag von Berlin – hier muss noch sehr viel Aufklärungsarbeit geleistet werden, um festzustellen, warum der Tod von zwölf Menschen nicht verhindert worden ist. Bislang sind da alle wesentlichen Fragen offen.
Auch zur Verantwortung öffentlich-rechtlicher Medien. In der „Frankenschau“ vom Bayerischen Rundfunk. Hier wurde ein Filmbeitrag über den späteren „Nazidruiden“ so anmoderiert:
Die Kunst die Erzählens. Die pflegt Burghard B. aus Bischofsheim. Nun sitzt er dabei nicht etwa als Märchenonkel im Lehnsessel und blickt bedeutungsschwer über seine Lesebrille. Er durchstreift mit seinen Zuhörerinnen und Zuhörer Wiesen und Wälder der Rhön und schlüpft dabei in die Rolle des Burgos von Buchonia und schon beginnt die Zeitreise in das Reich der Druiden und die Welt der Kelten.
Das war 2008 – 2017 wird aus dem Erzählkünstler ein „Nazidruide“ und die öffentlich-rechtlichen Medien vermeiden es peinlichst, transparent zu machen, wie man früher über den „Durchstreifer“ in der Rhön berichtet hatte. Die Bilder aus dem Beitrag verwendet man aber – auch in der Tagesschau. Und auch der Bayerische Rundfunk (BR) berichtet – sogar mit Hinweis auf „Youtube“-Videos. Dass diese teils Beiträge vom BR wiedergeben, wird allerdings nicht thematisiert. Transparenz? Keine.