Rhein-Neckar, 26. März 2018. (red/pro) Wir dokumentieren einen Facebookpost von Redaktionsleiter Hardy Prothmann zum Aufregerthema „Terrorangriff in Mannheim“ – wir hatten einen fiktionalen Text veröffentlicht, der für viel Aufregung gesorgt hat. Und für Fakenews durch Qualitätsmedien, wie SWR, FAZ und DLF – dabei war das gar nicht der „Plan“. Geplant war ein „Aufregerthema“ – bewusst hart, aber begleitet. Die Entwicklung war erschütternd – insbesondere der Kontrast zwischen journalistischer Kritik und journalistischer Fehlleistung. Das Thema ist „meta“, aber gesellschaftlich sehr relevant. Denn es fehlt allerorten an Medienkompetenz.
Von Hardy Prothmann
Dokumentation unseres Facebookposts (Zwischenüberschriften sind nicht auf Facebook):
„Die ersten Facebookkommentatoren haben bereits wenige Minuten nach den Posts der Polizei reagiert und erkannt, dass unser fiktive Story „nicht real“ ist – diese Erkenntnismöglichkeit ist also dokumentiert.
Wir haben um 5:56 Uhr den Screenshot der Polizeimeldung in den Text eingefügt, mit folgendem Hinweis: „Polizei Mannheim reagiert sofort auf unseren Hinweis – die Story ist Gonzo, also Fakenews.“
Bis hier hatten nur wenige hundert Menschen den Beitrag angeklickt und der Server war noch stabil.
SWR verändert klare Information in Fakenews
Im Laufe des Tages haben mehrere Medien berichtet – ohne uns zu kontaktieren. Dafür haben sie andere „Experten“ kontaktiert.
Keiner der Journalisten kannte den Text komplett, denn keiner hat sich registriert. Die allermeisten Kommentatoren auch nicht.
In der Folge haben insbesondere FAZ, SWR und DLF Fakenews verbreitet – der SWR behauptet beispielsweise, Polizeipräsident Köber und Oberbürgermeister Dr. Kurz „hätten amüsiert reagiert“. In unserem weiteren Text „Denken statt liken“ steht aber das genaue Gegenteil: „Unser Textentwurf ist nicht sehr alt. Wir haben Polizeipräsident Thomas Köber und Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz am 22. Dezember 2017 in Kenntnis gesetzt. Beide waren nicht amüsiert und haben umgehend gebeten, diesen nicht zu veröffentlichen.“
SWR lügt
Der SWR verbreitet damit in völlig unverantwortlicher Weise Fakenews und das Gegenteil der Wahrheit, also eine Lüge. Eine Lüge ist keine fiktive Story.
Wir betonen nochmals, dass wir mit einem zugegeben krassen Text Aufmerksamkeit schaffen wollten – das wollen alle Journalisten für Themen, die sie als wichtig erachten.
Absolut korrektes Verhalten von Kurz und Köber
Wir sind damit aber verantwortlich umgegangen, weil wir die obersten Vertreter für Sicherheit informiert haben und wissen wollten, ob diese ein Sicherheitsrisiko erkennen. Dies wurde verneint, aber die Bitte geäußert, keine „unnötige Irritation“ zu schaffen. Dieser Bitte sind wir zunächst gefolgt. Herr Köber und Herr Dr. Kurz haben sich also zu jeder Zeit korrekt verhalten – auch im Respekt vor der Kunst- und Pressefreiheit.
Dann haben sich aktuelle Ereignisse ergeben und wir haben eigenverantwortlich – ohne Kenntnis von OB und PP – den Text publiziert, dann den Polizeiführer vom Dienst informiert, der ebenfalls vollständig korrekt reagiert hat und ganz früh einen weiteren Hinweis eingearbeitet, der klar von „Fakenews“ spricht.
Shitstorm
In der Folge ist ein wahrer Shitstorm ausgebrochen – anhand der Registrierungen können wir nachweisen, dass der allergrößte Teil der Leute den gesamten Text nicht kannte und nicht kennen wollte.
Uns wurde vorgeworfen, wir wollten damit Geld verdienen – selbstverständlich müssen wir Geld verdienen und wir haben genau keinen Cent verdient, denn wer sich registriert, kann erstmal gratis lesen.
Wir wurden von hunderten von Kommentatoren massivst beleidigt und Hardy Prothmann mehrfach als „Missgeburt“, „Spast“ usw. bezeichnet. Gleichzeitig wurden Drogen- und Alkoholprobleme unterstellt und Fragen zur psychischen Verfassung aufgeworfen.
Medien lassen sich vom Mob treiben und treiben den an
Dafür haben wir ein Wort: Mob.
Wir arbeiten den Ablauf minutiös auf und dokumentieren entscheidende Zeiten und Veröffentlichungen, ebenso Schreiben an andere Medien, Rechercheanfragen von Medien, unsere Antworten und was andere Medien draus gemacht haben.
Es ist erschütternd, was in der Sache gelaufen ist. Zufrieden sind wir damit nicht und das hat einen Grund: Wir haben ein Experiment gestartet. Zugegeben sehr herausfordernd. Die massiven Reaktionen haben deutlich gemacht, wie emotional der Themenzusammenhang besetzt ist, aber auch, wie wenig Medienkompetenz beim Großteil der Kommentatoren erkennbar ist.
Fakenews wären kein Thema bei vorhandener Medienkompetenz
Insbesondere in der Fakenews-Debatte ist unsere These: Wir würden nicht über Fakenews debattieren, wenn diese als Fakenews erkannt und behandelt würden. Das Gegenteil ist der Fall.
Man kann sich kritisch zu unserer Arbeit äußern – gerne mit Argumenten. Es gab aber so gut wie keine. (Hoffentlich) allen Kommentatoren, die sich freundlich, interessiert und kritisch geäußert haben, haben wir entsprechend geantwortet.
Der Mob hat uns bedroht, beleidigt und massiv zu Boykott und Ausgrenzung aufgerufen. Zur eigenen Erkenntnis über das eigene verwerfliche Verhalten reicht es bei den meisten nicht. Daran kann man gut erkennen, dass Moral nie ein Maßstab ist.
Andere wünschen uns Gerichtsverfahren an den Hals – wir gehen davon aus, dass es Strafanzeigen geben wird. Aber wir gehen ebenso davon aus, dass diese keinen Erfolg haben haben.
Wir haben übrigens keine Witze gemacht und uns keinen Scherz erlaubt, sondern ein todernstes Thema „inszeniert“ – fiktiv. Uns wäre nicht eingefallen, in Form einer „Satire“ das Thema aufzubereiten – Terror ist für Satire nicht geeignet.
Nerven liegen blank
Viele Kommentatoren haben eine „Entschuldigung“ gefordert – wir würden uns entschuldigen, wenn wir konkret wüssten, was wir falsch gemacht haben sollen. Niemand kam zu Schaden. Wir haben niemanden beleidigt, wir haben niemanden stigmatisiert. Wir haben eine fiktive Story veröffentlicht – jeder Roman ist eine fiktive Story. Jedes Theaterstück.
Möglicherweise haben wir viele Menschen getriggert – ist das aber unser Fehler? Oder haben wir gezeigt, wie blank die Nerven bei vielen liegen?
Unser Ziel war und ist ein Denkanstoß. Das Mittel dazu war hart, aber erkennbar.
Entstehungsgeschichte – ganz transparent
Der Entwurf unseres Autoren entstand nach dem Attentat von Paris. Also vor über drei Jahren. Dann wurde immer mal wieder darüber geredet. Irgendwann kam die Idee einer Anlehnung an „Krieg der Welten“ von H.G. Wells. Dann wurde der Text geschrieben.
Selbstverständlich war uns bewusst, dass der Text problematisch ist. Deswegen haben wir vorab die Einschätzung von OB und PP eingeholt – die sahen keine unmittelbare Bedrohung, aber richtigerweise eine Verunsicherung. „Einverstanden“ waren sie zu keiner Zeit. Die Verantwortung liegt bei uns.
Vor Weihnachten und „über die Jahre“ haben wir den Text verworfen. Dann gab es weitere Entwicklungen und die Veröffentlichung wurde konkret anvisiert – ob dieses oder nächstes Wochenende ist nicht entscheidend.
Falsche Vorwürfe
Wir haben auch nicht „perfiderweise“ die Nacht gewählt, sondern sehr bewusst. Wir haben veröffentlicht zu einer Zeit, wo eben nicht viele Menschen erwartbar zugreifen. Wir haben die Polizei informiert, die hat reagiert und wir haben die Reaktion eingearbeitet. Dann einen Begleittext geschrieben.
Am Ende des Tages zählen wir weit über 20.000 Zugriffe auf den Text (bringt uns kein Geld, schon gar, weil der Server über Stunden tot war), aber nur 1.500 auf den Begleittext.
Es gab viel Aufregung, aber es stellt sich auch die Frage, warum sich die Menschen nicht auch für die Entspannung interessieren? Warum ist das Missverhältnis zwischen fiktiver Story und Erklärung dazu so groß?
Wer sich für unsere Dokumentation interessiert, für Hintergründe, echte Fakten und belegte Fakenews, kann das am Montag bei uns lesen – gegen Geld.
Wer es empörend findet, dass wir unsere Arbeit bezahlen lassen, wendet sich bitte ab. Wer sich nicht für mögliche Gefahrenlagen interessiert, beschwert sich bitte nicht, wenn diese eintreten.
Gute Nacht und viel Glück.