Rhein-Neckar, 26. März 2018. (red/pro) Unser fiktionaler Text über einen angeblichen Terroranschlag in Mannheim hat weite Kreise gezogen. Es wurde bundesweit darüber berichtet. In sozialen Netzwerken gab es tausende Kommentare mit Vorwürfen, Beleidigungen und Drohungen. Redaktionsleiter Hardy Prothmann bezieht dazu Stellung.
Von Hardy Prothmann
Ich bin als Redaktionsleiter für die Veröffentlichung des fiktionalen Textes “Massiver Terroranschlag in Mannheim” inhaltlich verantwortlich.
In sozialen Netzwerken gab es massive Reaktionen (neudeutsch: Shitstorm) und auch andere Medien haben die erfundene Geschichte massiv kritisiert.
Ich stelle fest:
Es bestand zu keiner Zeit die Absicht, irgendjemanden zu verängstigen. Sollte dies individuell so wahrgenommen worden sein, entschuldige ich mich persönlich.
Tatsächlich habe ich umfangreich dafür Sorge getragen, dass der Text eingeordnet werden kann.
Ich habe mich zudem im vergangenen Jahr mit den Sicherheitsbehörden schriftlich in Verbindung gesetzt und um Prüfung des Entwurfs gebeten, ob der Text die öffentliche Sicherheit beeinträchtigen könnte. Dies wurde verneint.
Weiter haben wir wenige Minuten nach Veröffentlichung den Schichtführer des Polizeipräsidiums Mannheim in Kenntnis gesetzt, dass möglicherweise Bürger darauf reagieren könnten und “Entwarnung” gegeben, da es eine erfundene Geschichte ist. Die Polizei hat dies auch umgehend mitgeteilt. Diese Mitteilung haben wir in den Text noch in der Nacht eingepflegt.
Ich stelle nochmals unzweideutig fest: Weder Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz noch Polizeipräsident Thomas Köber waren über die Veröffentlichung aktuell informiert. Der SWR hatte dazu eine Fakenews veröffentlicht, in der stand, die Herren seien über die Veröffentlichung “amüsiert”. Dies ist eine absolut falsche und wahrheitswidrige Darstellung, die mittlerweile korrigiert wurde, nachdem ich den Intendanten Peter Boudgoust persönlich angeschrieben und zur Korrektur aufgefordert habe (was ich nicht hätte tun müssen). (Leider ist die Korrektur immer noch missverständlich.) (Herr Boudgoust noch jemand anderes aus dem SWR hat übrigens geantwortet.)
Weiter steht in unserem Text nach der fiktionalen Story ein langer Abspann, der Informationen zu den Hintergründen und zum Anlass des “Gonzo”-Artikels auseinandersetzt. Dieser Abspann befand sich hinter einer Paywall. Zudem haben wir am frühen Morgen einen Begleittext veröffentlicht “Denken, statt liken“.
Wir stellen fest, dass der Text allein am Sonntag über 20.000 Mal aufgerufen worden ist (zeitweise war der Server nicht erreichbar). Die Paywall wurde genau 46 Mal angeklickt. Genau 2 Personen haben sich für einen für 30 Tage kostenfreien Zugang registriert. Damit haben alle Personen, die sich später kommentierend geäußert haben und alle Journalisten, die über den Text berichtet haben, den kompletten Text nicht gekannt.
Heute haben wir den Text nochmals veröffentlicht, ergänzt um Hinweise auf alle “Fakes”, die nach unserer Auffassung so überdeutlich im Text vorhanden sind, dass die Fiktionalität vernünftig erkennbar war.
Uns wurden verschiedene Vorwürfe gemacht, unter anderem, dass Erläuterungen erst hinter der Paywall zu lesen seien. Dieser Vorwurf ist absurd. Journalismus und jede andere Autorentätigkeit ist eine Dienstleistung, die angeboten wird, aber nicht genutzt werden muss. Wenn sie genutzt wird, liegt es im Ermessen des Dienstleisters, unter welchen Bedingungen und zu welchem Preis dies möglich ist. Jeder der über 20.000 Leser am Sonntag hätte sich durch eine einfache Registrierung einen für 30 Tage kostenfreien Zugang verschaffen können. Nur zwei Personen haben das getan, aber keiner der berichtenden Journalisten, hat dies gemacht. Der Kreis der Leser, die für unser Angebot bei Steady registriert sind, ist überschaubar, weil wir das Angebot erst seit kurzem machen. Wir haben mit dem Artikel also genau keinen Cent verdient.
Weiter wurde uns vorgeworfen, dass das Rheinneckarblog eine Nachrichtenplattform ist und damit nicht geeignet für “Fakenews”. Das ist zutreffend und auch nicht – weil wir keine Fakenews verbreiten, sondern experimentell einen fiktionalen Text veröffentlicht haben. Wir stehen für verlässliche, hintergründige und kritische Informationen. Und wie immer haben wir gesellschaftlich relevante Aspekte thematisiert, die seit Jahren Thema sind: Eine “abstrakte Gefährdungslage”, die öffentliche Sicherheit und was-wäre-wenn? Wir haben zu möglichen Reaktionen geschrieben:
Auch – wie die Leute mit diesem “Gonzo” umgehen und welche Kreise der Text zieht. Wir haben viele Spuren gelegt, die ihn absurd erscheinen lassen, wenn man einigermaßen vernünftig ist, möglicherweise ist das aber ohne Interesse. Klar ist, dass viele Telefone klingeln werden – sorry dafür.
Wir müssen leider feststellen, dass viele Menschen nicht sehr vernünftig mit dem Text umgegangen sind und kein Interesse hatten, den fiktionalen Text und den Abspann bis zu Ende zu lesen.
“Möglicherweise ist das aber ohne Interesse” hat sich bewahrheitet. Wir haben also vorausgesehen, was passieren würde – und das haben wir thematisiert. So eine Art “sich-selbst-erfüllende-Prophezeiung”. Das ist “meta” und wir konnten auch nachweisen, dass “der Journalismus” damit eindeutig überfordert ist. Damit führen wir den Journalismus nicht ad absurdum, sondern zeigen massive Probleme auf, die gelöst werden müssen. Die Fakenews im Anschluss haben das bestätigt.
Die Themenfelder Sicherheit, Extremismus und Terrorismus wurden und werden von uns weiter umfangreich betreut.
Weitere Berichte zur Sache folgen.