Mannheim/Rhein-Neckar/Berlin, 09. April 2018. (red/pro) Am 25. März erschien auf Rheinneckarblog.de eine fiktionale „Story“ über einen angeblichen Terroranschlag in Mannheim, bei dem Männer mit Messern die Bevölkerung angreifen. Nur zwei Wochen später meldet die Zeitung „Die Welt“, dass ein solcher Anschlag vereitelt werden konnte. Dazu kam am Wochenende ein Anschlag auf Menschen in Münster, mindestens zwei mussten sterben, 20 Menschen wurden verletzt, sechs davon schwer und kämpfen teils mit ihrem Leben. Redaktionsleiter Hardy Prothmann dazu mit einer persönlichen Erklärung.
Kommentar: Hardy Prothmann
Nein, niemand hier ist stolz darauf, dass wir vor zwei Wochen mit einem fiktionalen Text über einen angeblichen Terroranschlag in Mannheim eine ausgdachte Szenerie beschrieben haben, die möglicherweise aktuell von Mördern in Berlin geplant worden ist.
Glücklicherweise verhindert
Glücklicherweise – und dieses Wort verwendet ich bewusst – ist es den Sicherheitskräften gelungen, einen Anschlag in Berlin auf einen Halbmarathon und Zuschauer wie Teilnehmer zu verhindern. Das war keine „fiktionale“ Bedrohung, sondern eine echte.
Unser fiktionaler Text war gespickt mit „Fakenews“ – und wir haben klar festgestellt, das könnten „Realnews“ werden – in jeder deutschen Kommune. Dass der Beweis so schnell erfolgen würde, konnten wir nicht wissen, überrascht uns aber nicht weiter, weil wir ja eine „abstrakte Bedrohungslage“ ernst nehmen.
Sollten in Berlin tatsächlich bis zu sechs Angreifer einen Mordanschlag mit Messern geplant haben, kann man von mindestens sechs bis zu 30 und mehr Toten ausgehen, bis solche Angreifer gestoppt werden könnten, wenn ein solches Attentat nicht im Vorfeld verhindert wird. Wie ich auf die Zahlen komme? Ich gucke auf vergangenen Attentate und bilde „Mittelwerte“.
Zynismus ist teils unvermeitbarer Teil der Arbeit
Das mag man „zynisch“ finden – für mich ist es Arbeit. Bei Sicherheitsbehörden ist das nicht anders. Ich blende Emotionen aus, konzentriere mich auf Fakten und analysiere. (Das Schicksal von Opfern und Angehörigen geht auch mir zu Herzen, aber meine Aufgabe ist eine andere.)
Die „Hintermänner“ sollen Leute aus dem Umfeld von Anis Amri sein – dieser Mörder hatte 2016 einen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin verübt, konnte fliehen, tagelang in Europa herumreisen und wurde zufällig in Italien kontrolliert und dabei erschossen.
Den Mörder von Münster hatte niemand wirklich auf dem Schirm. Wie offizielle Quellen und Medien übereinstimmend berichten, ist dieser 48 Jahre alt, ein Deutscher und war vermutlich psychisch krank. Er hat „nur“ zwei Menschen und dann sich getötet.
ARD und ZDF verhalten sich skandalös
Haben Sie die Nachrichten verfolgt? Es war unglaublich. Die Polizei bietet inständig, keine Fotos und Videos zu posten und ARD und ZDF nutzen doch über Twitter und Facebook gepostetete Fotos, um ihre „Berichte“ anzureichern. Sogar in Zeitlupe.
Das ist ein Skandal erster Güte.
Soweit wir das überblicken, thematisieren nur wir das bislang als einziges oder als eins von wenigen Medien.
Gleichzeitig bringt man aber die Botschaft aus, das ja nicht zu tun, was man selbst tut. Unglaublich! Aber wahr.
Uns hat eine Wucht getroffen
Ja, ich gebe zu, die Wucht der Abwehr und Ablehnung, die uns nach dem 25. März getroffen hat, war so heftig, dass der Betrieb des RNB erheblich ins Wanken gekommen ist.
Der Anschlag von Münster und der verhinderte von Berlin machen die Arbeit eben auch nicht leichter – wir bieten sorgfältigen Journalismus an und der braucht Zeit, Konzentration und Genauigkeit. Das hält man nur schwer durch, wenn die Ereignisse sich überschlagen.
Wir müssen in erheblichem Umfang juristische Nachspiele prüfen – ob wir andere verklagen, weil es erheblich relevante Äußerungen gegeben hat, die rufschädigend sind. Wir sind keine Klagehanseln, aber wir sehen uns einer massiven Hetzkampagne gegenüber, die wirklich sprachlos macht.
Die Staatsanwaltschaft Mannheim ermittelt gegen mich persönlich als „Tatverdächtigen“ einer „virtuellen Tat“, die ich nicht begangen habe, aber für die ich als Herausgeber „verantwortlich“ bin. Ich bin 51 Jahre alt, habe noch nie eine Straftat begangen, bin Journalist aus Leidenschaft und mir-nichts-dir-nichts plötzlich jemand, dem man die „Störung des öffentlichen Friedens“ von staatlicher Seite vorwirft, während Menschen in echt sterben oder sterben sollen. Sie sehen mir nach, wenn man das erstmal verkraften und einordnen muss. Aktuell werde ich behandelt wir ein Staatsfeind. Und dass, obwohl ich mit erheblicher Energie den Rechtsstaat seit Jahrzehnten erklärbar mache und verteidige und garantiert nichts mit irgendwelchen Extremisten zu tun habe.
Dazu kommt, dass in dieser Gemengelage Zeiten der Wahrheit folgen. Persönliche Freundschaften gehen unreparierbar zugrunde, andere entstehen. Ich sehe mich sehr vielen loyalen Menschen gegenüber, aber ich erkenne auch die illoyalen.
Es gibt einen enormen wirtschaftlichen Druck und ich werde den aushalten, weil ich ums Verrecken keine Kompromisse machen werde, um durch „korrektes Verhalten“ Umsätze zu sichern. Wer das von mir verlangt, will, dass ich als verantwortlicher Redakteur RNB zur „Systempresse“ mache. Nicht mit mir. Dann stelle ich lieber ein, wenn es keine andere Möglichkeit gibt.
Experimentierfelder sind der Zeit voraus
Das von mir verantwortete Rheinneckarblog ist ein Experimentierfeld des Journalismus – wir sorgen seit Jahren immer wieder für Debatten und sind der Zeit immer voraus. Wir werden willenlos kopiert und abgekupfert. Weil wir das benennen, werden wir nach dem Diebstahl angegriffen. Von einer Wutbranche, die zutiefst verunsichert ist, weil es landauf, landab an Haltung fehlt. An Mut. An allem, was Journalismus eigentlich ausmachen sollte.
Das von mir verantwortete Projekt konnte sich gegen viele Widerstände etablieren. Darunter: Wir sind 47 Mal juristisch angegriffen worden, dass ist für unsere Größe ein absoluter Rekordwert. Ebenso, dass wir nur ein Mal (beim ersten Prozess) verloren haben. Noch niemand konnte uns eine „Ente“ nachweisen, noch „Fakenews“. Das RNB steht in erheblichem und vorbildlichem Maße für korrekte Information. Wir haben Fehler gemacht, aber die allermeisten selbst transparent korrigiert, andere waren ohne größere Bedeutung (Ja, es gibt Rechtschreibfehler, angesichts der Textmenge müssen wir damit leben).
Der mächtige SWR widmet mir einen Kommentar, ich sei „Herr Wichtigmann“. Das ist so dermaßen erbärmlich, dass mir echt die Spucke wegbleibt.
Was soll man auf so viel Dumpfsinn antworten? Ja, Journalismus ist wichtig, ich nehme den wichtig und ja, ich bilde mir, was auf meine Haltung und meine Arbeit und aller, die mitgewirkt haben oder mitwirken, ein. Das RNB ist ein wichtiges Medium mit herausragender journalistischer Leistung unter erhebliche widrigen Umständen.
Durch Journalismus selbst gefährdet
Auf die Leistung sind wir stolz. Nicht auf die Umstände, die uns Leistung abverlangen.
Das RNB ist als regionales Medium dafür da, über alltägliche Dinge zu informieren. Darüber hinaus berichten wir, was nicht alltäglich und außergewöhnlich ist. Und, was den Alltag außergewöhnlich gefährden könnte.
Diese Berichterstattung gefährdet nun uns selbst – weil wir uns trauen, an Grenzen zu gehen und nicht alltäglich herauszufordern.
Von meiner Seite aus verspreche ich Ihnen – wir haben einen „harten Aufschlag“ gemacht mit unserer fiktionalen Story. Wir liefern dazu Hintergründe und Einordnungen. Gleichzeitig bemühen wir uns trotz erheblicher Anstrengungen ums Tagesgeschäft, was aber leiden wird.
Das RNB wird sich erneut verändern – wir machen noch mehr Hintergrund. Aber wir setzen auch darauf, dass Sie dafür bezahlen. „Ohne Moos nix los“. Wenn Sie das nicht tun, also nur nutzen wollen, ohne zu honorieren, dann ist das so. Wenn ehrlicher und kritischer Journalismus nicht zu finanzieren ist, dann diktiert der Markt das Angebot.
Wenn der Markt Fakenews glaubt, wie eine „Nachrichtensperre“ und eine „Terrorwarnstufe“, kommt wir dagegen nicht an – Dummheit ist ein großes Übel.
Sie werden leiden müssen – versprochen
Wir versprechen Ihnen aber, überhaupt nicht fiktional – in wenigen Jahren werden Sie extrem darunter zu leiden haben, wenn es Angebote wie das RNB nicht mehr gibt. Denn dann bilden sich unkontrollierte Systeme aus, die sich selbst bedienen. Das ist schon im Gange und wie man feststellt, haben wir diese wohl herausgefordert.
Sie können sicher davon ausgehen, dass unsere Haltung anderen Medien eher fremd ist.
Und ja, wenn Sie das konkret wollen: Es gibt eine erhebliche Bedrohungslage durch systemkonformen Journalismus, der seine unabhängigen Aufgaben nicht mehr erfüllt, weil er abhängig geworden ist.
Und nein, „die Medien“ sind nicht „Systempresse“. Wir sind ein Beispiel dafür und ich kenne viele andere aufrechte Kollegen, mit denen ich gerne zusammenarbeite.
Sie, um das auch noch klar zu machen, befördern unabhängigen Journalismus nicht, indem Sie darauf warten, dass andere den bezahlen.
Von Ihnen erwarte ich, dass Sie bei uns werben, dass Sie Mitglied im Förderkreis werden oder sich bei Steady anmelden.
Dafür erhalten Sie von uns valide Informationen – möglicherweise aus als fiktionales Angebot, was eine provokante Ausnahme war -, insgesamt bin ich davon überzeugt, dass wir in den vergangenen Jahren sehr viele wichtige Veröffentlichungen vorgenommen haben.
Der fiktionale Text über Bedrohungsszenarien gehört dazu, wie die aktuelle Entwicklung belegt hat.
Dazu brauchen wir eine gesellschaftliche Debatte und eine valide inhaltlicher Auseinandersetzung.
Nicht mehr, und vor allem nicht weniger.
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