Rhein-Neckar/Ankara, 19. Dezember 2016. (red/pro) Andrej Karlow, Russlands Botschafter in der Türkei, ist heute durch einen Attentäter bei der Eröffnung einer Kunstausstellung erschossen worden. Mindestens drei Schüsse sollen ihn getroffen haben. Der Attentäter soll ein türkischer Polizist sein – er wurde von anderen Polizisten erschossen. Wie viele weitere Menschen bei dem Attentat verletzt worden sind, ist unklar. Russische Medien berichten, der Attentäter gehöre zur “Gülen-Bewegung”.
Eine niederländische Nachrichtenseite zeigt das Attentat in einem Videoausschnitt (Link am Ende des Artikels). Man hört neun Schüsse in schneller Folge und sieht, wie der Botschafter zu Boden geht. Danach ist der mutmaßliche Schütze im Bild zu sehen, ein schlanker Mann in einem Geschäftsanzug. Er hält eine Pistole in der Hand und brüllt auf türkisch “Alahu akbar” und nach verschiedenenen Berichten “Vergesst Syrien nicht! Vergesst Aleppo nicht”. Der Botschafter wollte gerade in der türkischen Hauptstadt eine Rede zu einer Kunstausstellung halten.
Ob es sich bei dem Attentäter tatsächlich um einen Mann im aktiven Polizeidienst handelt, ist noch unklar. Angeblich soll er als Zivilbeamter für den Schutz des Botschafters eingeteilt gewesen sein. Auf weiteren Fotos (Link am Ende des Artikels) sieht man den Attentäter blutverschmiert und offenbar tot am Boden liegen – mindestens von drei Kugeln in den Oberkörper getroffen.
Das Attentat könnte die Beziehung zwischen der Türkei und Russland wieder belasten. Russland unterstützt den syrischen Diktator Baschar al-Assad, während die Türkei Assad entmachten will und einige der aufständischen Gruppen unterstützt. Allerdings soll die Türkei indirekt auch Daesh unterstützen. Die auch als IS bekannte Terrororganisation kämpft gegen Kurden auf syrischem Gebiet, die wiederum auch gegen Assad kämpfen und von westlichen Aliierten unterstützt werden. Der Krieg in Syrien hat sehr viele Fronten und zahlreiche verfeindete Teilnahmer, die teils radikal-muslim sind.
Im November vergangenen Jahres hatte die türkische Armee ein russisches Kampfflugzeug abgeschossen, was zu brenzligen diplomatischen Verwicklungen geführt hat. Moskau verhängte sofort Sanktionen gegen die Türkei, für die Russland ein wichtiger Wirtschaftspartner ist.
Erst seit diesem Sommer gibt es wieder Annäherungen zwischen Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Putin. Für morgen ist ein Treffen der Außen- und Verteidigungsminister Russlands, der Türkei und des Irans geplant, das nach Meldungen verschiedener Medien trotz des Attentats stattfinden soll.
In der Türkei gibt es immer wieder Proteste gegen Assad. Verstärkt wieder seit einigen Tagen – seit der Offensive der syrischen Armee in Aleppo.
Nach unseren Informationen berichten russische Medien relativ neutral über den Terrorakt. Dort wird kolportiert, dass der Attentäter möglicherweise zur “Gülen-Bewegung” gehören soll. Der islamische Prediger Fethullah Gülen lebt in den USA und gilt als Gegner von Staatspräsident Erdogan. Dieser wirft Gülen vor, hinter dem Putschversuch im Sommer zu stecken.
NOS.nl zeigt hier den Videoausschnitt.
Hier ein Foto des erschossenen Attentäters.
Anm. d. Red.: Ankara liegt außerhalb unseres eigentlichen Berichtsgebiets. Das Attentat kann aber weltweit Auswirkungen haben – auch bei uns. Die Sicherheitslage in der Türkei ist derart angespannt, dass die dortigen Konflikte auch in Deutschland Auswirkungen haben. So gibt es seit dem Putschversuch im Sommer vermehrt Demonstrationen von türkischen Erdogan-Anhängern und andererseits Gegnern von Erdogan, hier vor allem Kurden und linke Parteien.