Rhein-Neckar, 13. März 2017. (red/momo) Der Ton zwischen der Türkei und Europa wird immer rauer. Scheinbar wie er möchte, attackiert der türkische Staatspräsident Erdogan, oder wahlweise seine Minister, verschiedene Länder der EU verbal. Selbst äußerst fragwürdige Bezeichnungen wie „Nazis“ und „Faschisten“ sind längst gefallen. Beim Umgang der verschiedenen Länder mit der Problematik fällt auf: Jeder nach seinem Gusto, Einheitlichkeit geht anders. Dabei wäre gerade in Krisenzeiten wie der momentanen Lage ein gemeinsames Vorgehen der EU wichtig.
Von Moritz Bayer
Wer Recep Tayyip Erdogan reden hört, bemerkt, unabhängig von eigener etwaiger Kenntnis der türkische Sprache, eine durchaus aggressive Art. Dass der türkische Premier gerne provoziert, ist allen klar. Auch, dass er absichtlich provoziert, lässt sich nach den teils wüsten Beschimpfungen – etwa die Niederlande als „Bananenrepublik“ zu bezeichnen – kaum mehr verneinen. Die europäischen Länder gingen allesamt darauf ein, mal mehr, mal weniger.
Gerade fehlende Einheitlichkeit gibt Erdogan die Möglichkeit, Kerben in den Zusammenhalt zu schlagen. Längst werden in Deutschland Stimmen laut, die ein ähnlich rigoroses Auftreten gegenüber dem „Sultan von Ankara“ fordern wie das der Niederländer oder des österreichischen Kanzlers Christian Kern, der sich unlängst für ein europaweites Verbot von türkischen Wahlkampfauftritten ausgesprochen hatte. Innenminister Thomas de Maizière sagte:
Wer die Bundesrepublik Deutschland oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft oder böswillig verächtlich macht, macht sich strafbar. Dort wäre spätestens eine Grenze.
Er will aber zumindest bisher von einem generellen Einreiseverbot nichts hören. Wie auch immer man reagiert, man kann sicher sein, dass es jemandem nicht passt, sei es im eigenen Land oder einem EU-Partner.
Seit das Bundesverfassungsgericht in der vergangenen Woche bestätigt hat, dass ausländische Politiker keinerlei Recht auf Auftritte in Deutschland haben, wäre der Regierung nun das Instrument gegeben, es auf juristisch wasserfestem Wege den Niederlanden gleichzutun. Hinzu kommt, dass es offenbar dem türkischen Wahlgesetz selbst widerspricht, im Ausland Wahlkampf zu betreiben.
Die Chance, eine europaweit einheitliche Linie von Beginn an zu fahren, wurde vertan und ist nicht mehr gut zumachen. Diese hätte nicht nur der Türkei den Zusammenhalt und die Stärke Europas signalisiert, sondern auch jedem Land, in das türkische Politiker reisen wollen, erspart, wegen einer souveränen Entscheidung den schwarzen Peter zugeschoben zu bekommen.
Wie kann es weiter gehen?
Im Prinzip bleiben drei Möglichkeiten: Weiter wie bisher, jedes Land, wie es das selbst für richtig hält, oder Europa verbietet Auftritte türkische Politiker geschlossen, oder erlaubt sie geschlossen.
Die „Jeder für sich“-Variante hat streng genommen versagt. Weder verhinderte sie sämtliche Auftritte, noch sorgte sie für Deeskalation, die dringend notwendig wäre. Zufrieden war weder die Türkei, noch jemand in Europa.
Die nächste Möglichkeit wäre, Wahlkampfauftritte von EU-Ausländern in ganz Europa zu verbieten. Die Staaten, die von ihrer höchsten gesetzlichen Instanz kein, oder kein so deutliches O.K. dazu haben wie Deutschland durch das Bundesverfassungsgericht, könnten sich wohl problemlos auf türkisches Recht berufen.
Vor der dritten Möglichkeit werden sich viele Menschen grausen: Türkische Politiker, wo sie wollen? – Nein danke! Zumindest in Deutschland zeigen auch sämtliche Umfragen, dass die Bevölkerungsmehrheit gegen eine solche Regelung wäre. Bedenkt man aber, dass eine Erlaubnis noch lange keine Erlaubnis mit Freilos sein muss, könnte es interessant werden.
Erlaubnis unter Vorbehalt
Was spricht dagegen, sich auf eine klare Linie zu verständigen und diese durchziehen? Sollen türkische Politiker kommen und auf Versammlungen sprechen, solange das nach unseren Regeln abläuft. Übersetzer könnten und müssten diese aufmerksam mitverfolgen, Hetzreden und Aufrufe zu Gewalt oder ähnliches würden selbstverständlich nicht geduldet.
Erdogan würden die Angriffspunkte genommen werden. Außerdem gibt es durch Gegendemonstrationen, Information und klare, objektive Berichterstattung seitens der Medien genügend Möglichkeiten, eigene, unterschiedliche und demokratisch zulässige andere Meinungen kundzutun.
Sollte sich ein türkischer Politiker dann sogar eventuell derart im Ton vergreifen, dass man die Veranstaltung abbrechen muss/kann, wäre Erdogan in seine eigene Falle getappt. Eine europaweit einheitliche Regelung wäre, wenngleich haltungsmäßig korrigiert, kein Zeichen der Schwäche, sondern eines des Zusammenhalts, der Standfestigkeit und der Stärke eines gemeinschaftlichen Europas.