Rhein-Neckar, 13. März 2017. (red/cr) Von Politik und Wirtschaft ist oft zu hören wie wichtig es ist, Geflüchtete in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das ist oft mit Ausbildungsplätzen verbunden. Doch was ist mit denjenigen, die studieren wollen? Wie funktioniert das an deutschen Universitäten? Wer darf sich überhaupt bewerben? Und gibt es finanzielle Unterstützung? Wir haben exemplarisch bei den Universitäten in Mannheim und Heidelberg nachgefragt.
Von Christin Rudolph
Flucht kann viele Ursachen haben. Genauso gibt es viele verschiedene Vorstellungen, wie man leben möchte, wenn man endlich angekommen ist. Vor allem für junge Menschen ist dabei ein Aspekt des Lebens besonders entscheidend – Bildung.
Das betrifft auch das Studium. Manche Geflüchtete wollen in Deutschland studieren, um später ihren Traumberuf ausüben zu können. Andere wollen Kenntnisse auffrischen oder ihr im Heimatland begonnenes Studium fortsetzen.

Von der Flüchtlingsunterkunft an die Uni – geht das so einfach? Hier das philosophische Seminar der Universität Heidelberg; Foto: Universität Heidelberg – Kommunikation und Marketing
Aber geht das so einfach? Sich als Geflüchteter einfach mal bewerben? Und dann auch noch genommen werden? Reichen die Deutschkenntnisse überhaupt aus für ein Studium? Wer unterstützt sie? Und wie soll man das eigentlich finanzieren?
Wir haben nachgefragt bei der Universität Mannheim und bei der Universität Heidelberg. Dabei fallen Gemeinsamkeiten auf, aber auch große Unterschiede.
Spezielle Beratung für spezielle Voraussetzungen
Wie viele Geflüchtete es derzeit an Universitäten gibt, ist unklar. Denn das wird aus datenschutzrechtlichen Gründen bei der Immatrikulation nicht erfasst. Es gibt jedoch an beiden Universitäten Sprechstunden speziell für studieninteressierte Geflüchtete.
An der Universität Mannheim berät und betreut Angela Dörflinger neben internationalen Vollzeitstudierenden auch studieninteressierte Geflüchtete. Verstärkt von Geflüchteten nachgefragt wurde dieses Angebot seit Anfang 2015. Im August des selben Jahres verstärkte sich der Andrang zu den Sprechstunden, die zweimal pro Woche stattfinden.
Im vergangenen Jahr seien etwa 20 bis 30 Geflüchtete in der Woche zur Beratung gekommen, erinnert sich Frau Dörflinger weiter. Aktuell seien es noch circa zehn Interessenten in der Woche.
Bachelor in Syrien, Master in Deutschland?
Den Zahlen der Universität Heidelberg nach nehmen mit aktuell knapp über 30 pro Woche mehr Studieninteressierte die Beratung der Heidelberger Universität in Anspruch.
Frau Dörflinger schätzt, dass die Interessierten zu etwa 90 Prozent aus Syrien stammen. Denn dort gab es bis vor ein paar Jahren noch ein funktionierendes Bildungssystem. Zu den Beratungen kommen immer wieder auch junge Menschen, die schon studiert haben.
Die meisten syrischen Hochschulabschlüsse werden in Deutschland anerkannt. Wer also in Syrien seinen Bachelor gemacht hat und hier einen Master anschließen möchte, hat gute Chancen – wenn er oder sie die entsprechenden Nachweise vorlegen kann.
Leistungen nachweisen können
Hier werden Kopien und digitale Dokumente akzeptiert, „wenn der Bildungsweg nachvollziehbar ist“, so Frau Dörflinger.
Bei Geflüchteten sind Nachweise oft schwierig, vor allem bei Menschen aus Afrika. Bei Syrern kommt es oft auf den Zeitpunkt des Abschlusses an. Früher, erzählt Frau Dörflinger, sei das in den meisten Fällen kein Problem gewesen.
Doch in letzter Zeit habe sie erfahren müssen, dass in syrischen Hochschule oft Soldaten auf Absolventen warteten, um die jungen Männer direkt in die Armee zu zwingen. Daher gebe es auch einige Syrer ohne Abschlussurkunde, weil diese nicht abgeholt worden ist.
An der Universität Heidelberg gibt es die Möglichkeit, im Bewerbungsverfahren eine „fluchtbedingte Beweiserleichterung geltend zu machen“, wenn zum Beispiel auf der Flucht Unterlagen verloren gegangen sind.
Die Sprache ist die Hürde
Haben die Interessierten irgendeine Art von Leistungsnachweis, hilft das schon beim ersten Schritt. Denn wenn ein Geflüchteter in Frau Dörflingers Sprechstunde kommt, muss zuerst festgestellt werden, was der Stand ist. Was kann er, was möchte er, und wie gut passt das zusammen? Was muss er für ein Studium in Deutschland noch lernen?
Zunächst muss ein Geflüchteter genauso wie jeder andere internationale Studierende die DSH machen – die Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang. Der Test teilt in drei Niveaustufen ein. Um studieren zu können, braucht man in der Regel für alle Studiengänge auf Deutsch das DSH-Niveau 2.
Das entspricht einem Sprachniveau von C1 und heißt damit fließend in Wort und Schrift. Für Studiengänge auf Englisch sind Nachweise für die englische Sprache nötig. Für manche Studiengänge, zum Beispiel germanistische an der Universität Heidelberg, ist sogar ein höheres Niveau Voraussetzung.
95 Prozent der Geflüchteten erreichen C1 noch nicht,
schätzt Frau Dörflinger. Fachlich qualifizierte Interessenten gebe es jedoch. Für die bestehen verschiedenen Möglichkeiten, Deutsch zu lernen.
Nicht auf Integrationskurse verlassen
Am naheliegendsten mag der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angebotenen Integrationskurs scheinen. Doch aus Erfahrung weiß Frau Dörflinger, dass die Ergebnisse des Kurses oft hinter den Ansprüchen zurückbleiben. So würde kaum jemand nach einem solchen Kurs ein Sprachniveau von B1 erreichen, bei dem man die Hauptpunkte von klarer Standardsprache verstehen können soll.
Dazu seien die Kurse einfach zu „bunt gemischt“. Dort werden Menschen mit den verschiedensten Voraussetzungen was Vorwissen, aber auch was Muttersprache, Herkunft und Alter betrifft zusammen unterrichtet.
Die Universitäten Heidelberg und Mannheim bieten wie viele andere Hochschulen auch DSH-Vorbereitungskurse an. Doch die sind für studieninteressierte Geflüchtete nicht zwingend geeignet. Sie dauern nämlich oft nur wenige Wochen, sind rein auf die sprachliche Vorbereitung für die DSH ausgerichtet und erfordern ein hohes Maß an Eigenorganisation.
Zwei Programme in einem
Ein Förderprogramm speziell für Geflüchtete verantwortet der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD): Im Rahmen des Integra-Programms erhalten immatrikulierte Geflüchtete Unterstützung durch sogenannte Buddys im DAAD-geförderten Welcome-Programm.
Buddys sind Studierende höherer Fachsemester, die bei allen Fragen zum Studienbeginn und zum studentischen Leben an der Universität als Ansprechpartner zur Seite stehen.
Diese beiden Förderprogramme werden unter anderem an den Universitäten Heidelberg und Mannheim durchgeführt.
Vorlesungen, aber keine Prüfungen
Um ein Semester lang in einen Studiengang „reinzuschnuppern“ gibt es die Möglichkeit, eine Gasthörerschaft in Anspruch zu nehmen. Dadurch darf man Vorlesungen besuchen, jedoch keine Prüfungen ablegen. An der Universität Heidelberg ist das Gasthörerprogramm nach eigenen Angaben für registrierte Flüchtlinge grundsätzlich kostenlos.
Das wird in Heidelberg anscheinend gut angenommen. Die Universität sagte dazu:
In allen persönlichen, telefonischen und Mailberatungen wird darauf hingewiesen, so dass sich die Teilnehmer-Zahl seit Oktober 2015 erhöht hat.
An der Universität Mannheim zahlt jeder Gasthörer pauschal für ein Semester 125 Euro. Doch die Gasthörerschaft wird dort von Geflüchteten praktisch gar nicht nachgefragt – denn die Universität hat für sie ein spezielles Angebot.
Nicht nur die Sprache lernen

Als regulärer Student im Hörsaal sitzen – das ist das Ziel. Foto: Universität Mannheim/Stefanie Eichler
Im vergangenen Jahr wurde an der Universität Mannheim ein Studienvorbereitungskurs speziell für Geflüchtete eingerichtet. Der unterscheidet sich von den bisher genannten Programmen. Denn der Kurs dauert ein ganzes Jahr und beschränkt sich nicht auf Sprache und Kontakt zu einheimischen Studierenden.
Zusätzlich zu den täglichen vier Stunden Deutsch-Intensivkurs gibt es bei Bedarf, erklärt Frau Dörflinger, ein- bis zweimal in der Woche Nachhilfe. Dazu kommen einmal pro Woche Englischunterricht und Mathematik. Der Matheunterricht soll die Geflüchteten etwa auf den Stand eines Abiturienten bringen – denn mathematische Kenntnisse braucht man in vielen Studiengängen, auch an der Universität Mannheim.
Auch bei diesem Programm bekommt jeder Kursteilnehmer einen Buddy zugewiesen. Er oder sie soll ausdrücklich bei der Vertiefung der Deutschkenntnisse helfen. Außerdem gibt es gemeinsame kulturelle Events wie etwa eine Weihnachtsfeier.
Heiß begehrte Plätze
Ein solcher Kurs mit 18 Teilnehmern wurde bereits erfolgreich abgeschlossen. Ein zweiter mit 14 Studieninteressierten läuft noch. Die Bilanz ist gut. Im März soll es bereits den nächsten Kurs geben.
Interessierte werden sicher nicht fehlen. Bei der ersten Runde mit 32 Plätzen hatte es mehrere hundert Bewerbungen gegeben. Und das alles über „Mundpropaganda“.
Wir mussten noch nie Werbung machen,
erklärt Frau Dörflinger selbst ein wenig erstaunt. 2015 zum Beispiel wurde kurzfristig beschlossen, am Studieninformationstag zusätzlich eine Beratung nur für Geflüchtete anzubieten. Zwei Wochen vorher wurden Flyer verteilt und der Andrang war groß.
Langfristige Erfolge ungewiss
Die Universität Heidelberg setzt dagegen eher auf institutionelle Vernetzung. Sie ist nach eigenen Angaben mit vielen Akteuren wie Beratungsstellen von Caritas, der Diakonie, dem Asylarbeitskreis, der Stadt Heidelberg, dem Jobcenter, der Arbeitsagentur, den Studierendengemeinden der Kirchen, anderen Universitäten in Baden-Württemberg oder studentischen Initiativen in Kontakt.
Eins haben die verschiedenen Akteure auf jeden Fall gemeinsam.
Das Ziel ist es, die Leute ins Studium zu bringen,
sagt Frau Dörflinger. Ob das langfristig gelingt, ist noch nicht anzusehen. Da die Bewerbungsfrist für das Frühjahrssemester in Mannheim bereits im November geendet hat, konnte sich noch keiner der ehemaligen Kursteilnehmer bewerben. Frau Dörflinger weiß aber von einigen, die das zum nächsten Termin, für das Herbst-/Wintersemester 2017, vorhaben.