Heidelberg, 28. Oktober 2015. (red/hmb) Die Initiative „Offene Uni Heidelberg“ setzt sich dafür ein, dass Geflüchteten der Hochschulzugang erleichtert wird. Sie wurde von ehemaligen und aktuellen Studierenden der PH und Uni Heidelberg gegründet und ist seitdem in Gesprächen mit den Verantwortlichen beider Hochschulen. Klare Angebote für das Wintersemester gab es aber noch nicht. Warum ist eine solche Initiative überhaupt notwendig? Warum ist das Fortsetzen eines Studiums für Flüchtlinge in Deutschland mit so großen Hürden verbunden? Mitgründerin Anna Schmauder nennt im Interview einige verständliche Gründe. Sie macht aber auch deutlich, dass die Zeit drängt und eine schnelle, pragmatische Lösung von Nöten ist.
Interview: Hannah-Marie Beck
Frau Schmauder, was war für Sie der Auslöser, die Initiative zu gründen?
Anna Schmauder: Jemand hat mir von einem derartigen Programm an der Universität in Lüneburg erzählt. Daraufhin habe ich angefangen über dieses Thema zu recherchieren: Ich habe eine Karte erstellt, die alle Universitäten und Hochschulen zeigt, die ihre Veranstaltungen kostenlos für Geflüchtete öffnen. In Deutschland sind das momentan in etwa 40. Kostenlose Gasthörerschaften gibt es bereits an zahlreichen Hochschulen – es hat mich gewundert, dass die Uni Heidelberg gar nicht unter diesen ist. Schließlich ist ihr Motto „Semper Apertus“ – stets offen.
Kann man sich bei der Initiative auch beteiligen? Sammeln Sie Spenden oder suchen noch ehrenamtliche Helfer?
Schmauder: Wir haben die Initiative erst Anfang September gegründet und sind momentan elf ehemalige und aktuelle Studierende der PH und Uni Heidelberg. Gerne nehmen wir noch weitere interessierte Helfer auf. Falls die Verhandlungen mit der Uni nicht bald zu einem Ergebnis führen müssen wir schauen, wie wir die Geflüchteten weiter unterstützen können. Eventuell mit einer Spendenkampagne zur Kostenübernahme.
„Wir engagieren uns für jeden Einzelnen“
Sind Sie bereits in Kontakt mit Geflüchteten? Wie viele Interessenten, die das Angebot annehmen wollen, haben Sie bereits?
Schmauder: Ja, das sind wir. Dazu möchte ich noch sagen, dass wir nicht nur in Kontakt mit aus Syrien geflüchteten Menschen sind. Häufig entsteht dieser Eindruck – unser Angebot gilt aber für alle. Viele befürchten, dass wir Massen an Geflüchteten an die Hochschulen bringen wollen, aber darum geht es uns gar nicht – wir engagieren uns für jeden Einzelnen. Momentan haben wir zwischen 15 und 20 Interessenten und von diesen könnten auch gar nicht alle sofort mit dem Studieren anfangen – dazu sind die Deutschkenntnisse noch nicht gut genug. Es ist auch klar, dass nicht jeder Geflüchtete, der in Deutschland ankommt, studieren wird. Schließlich bringt auch nicht jeder die nötigen Voraussetzungen für ein Studium mit. Aber wenn man sagt, dass Integration über Bildung geschieht, dann sollte man die Universitäten nicht davon ausnehmen und Geflüchteten diese Bildung ermöglichen.
Welche Ziele möchten Sie mit der Initiative erreichen?
Schmauder: Unser erstes, kurzfristiges Ziel, ist es, Geflüchtete noch zu diesem Wintersemester als Gasthörer an die Universität in Heidelberg zu bringen. So kommen sie mitten in die Gesellschaft und können ihre akademische Ausbildung fortsetzen. Diesen Freitag läuft allerdings die Bewerbungsfrist für das Wintersemester ab. Daher können wir nicht mehr lange auf eine Reaktion der Uni warten. Wir wollen keine Gelegenheit vertun, noch zu diesem Wintersemester handeln und die Geflüchteten erst einmal über die Möglichkeit einer Gasthörerschaft informieren. Unser Hauptziel ist es, ihnen den Hochschulzugang zu vereinfachen. Eine Gasthörerschaft ist in dieser Hinsicht durchaus sinnvoll, sie ändert aber nichts an der Situation der Geflüchteten. Viel hilfreicher als eine Gasthörerschaft wäre es, wenn die Uni Geflüchtete als Austauschstudierende einschreiben würde. Mit dem Status als sogenannte Kurzzeitstudierende (maximal zwei Semester) könnten sich die Geflüchteten ihre erworbenen Studienleistungen bescheinigen lassen und bei einem Bundesland- und/oder Stadtwechsel diese Leistungen „mitnehmen“. Andere Hochschulen, zum Beispiel die LMU in München, sind hierzu durchaus bereit.
„Es gibt noch vieles zu tun“
Das heißt, wenn Sie Gasthörerschaften für Geflüchtete in Heidelberg erreicht haben, ist Ihre Arbeit noch lange nicht getan?
Schmauder: Nein, ganz und gar nicht. Es gibt noch vieles zu tun. Wir wollen zum Beispiel erreichen, dass die Hochschulen Beratungstermine für Geflüchtete anbieten und ein guter Informationsfluss besteht – denn wenn man keine Wege zum Studium aufzeigt, sind die Geflüchteten verständlicherweise abgeschreckt. Wir haben verschiedene Stufen vor uns: Als erstes möchten wir Geflüchteten die Gasthörerschaft ermöglichen. Dabei wollen wir erreichen, dass die Flucht als ein ausreichender Grund angesehen wird, um als Härtefall zu gelten und die Uni Heidelberg den Geflüchteten die Gebühren erlässt. Wenn wir das erreicht haben, ist es unser nächstes Ziel, dass die Geflüchteten als Austauschstudierende behandelt werden können. Außerdem sollte es eine gute Information und Beratung für die Geflüchteten geben. Es wäre auch wünschenswert, dass die Hochschulen selbst Sprachkurse und Mentoring anbieten, um den Einstieg in ein Studium zu erleichtern.
Warum ist das Fortsetzen eines Studiums für Geflüchtete in Deutschland überhaupt mit so großen Hürden verbunden?
Schmauder: Vor allem fehlt es an dem nötigen Informationsfluss. Die Hochschulen sollten Geflüchtete gebündelt und in verschiedenen Sprachen über ihr Angebot informieren – momentan bringen nur wir diese Informationen in die Unterkünfte. Außerdem gibt es große sprachliche und finanzielle Hürden, sowie das Problem der fehlenden Nachweise. Es gibt bereits Stipendien für Menschen aus Syrien was großartig ist und gut funktioniert, weil diese meist Nachweise vorlegen können. Davon sollte man aber in Zukunft nicht ausgehen. Nach teilweise vielen Jahren auf der Flucht können solche Dokumente eben verloren gehen und man muss eine Lösung finden, wie man damit umgeht. Davon abgesehen, dass es viele fluchteigene Gründe gibt, weshalb offizielle Dokumente vor der Flucht nicht beantragt werden konnten.
„Wir brauchen eine schnelle, pragmatische Lösung“
Momentan sind Sie in Gesprächen mit den Verantwortlichen der Universität in Heidelberg – Sie haben aber noch keine Angebote für das Wintersemester erhalten. Woran könnte das liegen?
Schmauder: Ich denke, es dauert einfach, bis die Uni Heidelberg auf unsere Vorschläge eingehen kann. Aber genau diese Zeit haben wir aufgrund der Bewerbungsfrist eben nicht – wir brauchen eine schnelle, pragmatische Lösung. Ich kann immer nur auf andere Universitäten verweisen, denn bei diesen klappt es ohne großen Aufwand: In Lüneburg wurde ein derartiges Programm innerhalb von drei Wochen auf die Beine gestellt, an der Uni Freibug gibt es bereits eine kostenlose Gasthörerschaft für rund 20 Geflüchtete, die LMU in München zeigt mögliche Wege auf: Dort gibt es ein Hinführungsprogramm und Orientierungsgespräche. Die Hochschulen in Heidelberg müssen sich überlegen, was sie tun können – sie können einen Beitrag leisten und das sollten sie auch!
Bei der Uni Heidelberg hat sich nach eigenen Angaben schon vieles getan: Es gibt eine Flüchtlingsbeauftragte, Deutsch- und Konversationskurse. Außerdem werden momentan angeblich Maßnahmen entwickelt, um das Gasthörerprogramm verstärkt an Geflüchtete anzupassen. Sind das bereits erste Ergebnisse Ihrer Arbeit?
Schmauder: Diese Fortschritte freuen mich sehr – mal sehen, wie sich das weiter entwickelt. Als wir unsere Initiative gegründet haben, gab es all dies noch nicht. Die Universität hat auch einen Aufruf zur Mithilfe an die Studierenden gestartet. Meiner Meinung nach sollte man sich nicht nur auf Ehrenamtliche verlassen, sondern auch überlegen, was man als Hochschule selbst beitragen kann – auch wenn das mit Kosten verbunden sein könnte.