Mannheim/Ludwigshafen/Rhein-Neckar, 16. März 2017. (red/pro) “Die Stadt Mannheim wird keine städtischen Räumlichkeiten für türkische Wahlkampfveranstaltungen zur Verfügung stellen.” Das teilte Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz zu den gegenüber dem Bundesaußenministerium angekündigten Terminen türkischer Politiker in Deutschland und eventuell in Mannheim mit. Anmeldungen und Erkenntnisse zu konkreten Veranstaltungen liegen derzeit noch nicht vor. Die Behörden sind hochgradig nervös.
Von Hardy Prothmann
Wir wollen in unserer vielfältigen Stadt gut zusammenleben und keine importierten Auseinandersetzungen oder gar eine Spaltung. Die aktuelle Wahlkampfrhetorik aus Ankara und Wahlkampfauftritte sind mittlerweile darauf angelegt, die Entfremdung zwischen Türkeistämmigen und Deutschen zu befördern. Daher wollen wir hier diese Art von Veranstaltungen nicht und appellieren an alle, nicht dabei mitzumachen und sich nicht an dieser Form der Eskalation zu beteiligen. Insbesondere den Wahlkämpfern für das Verfassungsreferendum gebe ich zu bedenken, dass das Zusammenleben in Mannheim auch nach der Abstimmung in der Türkei im April weitergehen wird,
sagte Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz gestern zur aktuellen Lage.
Nach unseren Informationen aus dem Innenministerium hat sich der ehemalige stellvertretende Ministerpräsident der Türkei, Yalcin Akdogan, für das kommende Wochenende in Mannheim angekündigt und am Wochenende darauf AKP-Berater Ozun Ceyhun.
Das türkische Generalkonsulat in Stuttgart teilte auf Anfrage mit, dass man selbst noch keine Informationen über mögliche Veranstaltungen habe, was zweierlei bedeuten kann – entweder ist man dort tatsächlich ahnungslos, was nicht eben für die Kompetenz spricht oder man lügt.
Typischerweise laufen Besuche ausländischer, politischer Funktionsträger grob so ab: Sie melden beim Auswärtigen Amt ihren Besuch an, von dort aus werden die zuständigen Innenministerien informiert, die dann ihrerseits prüfen, ob und welche Maßnahmen, beispielsweise zur Sicherheitslage getroffen werden müssen.
Dass nun offenbar nur die Personen und die Tagesdaten mitgeteilt wurden, verschärft die Lage: Denn so können sich die zuständigen Behörden eben nicht ordentlich vorbereiten. Dieses Vorgehen ist möglicherweise Programm – denn einerseits erhöht es die “Aufmerksamkeit” und andererseits verhindert es möglicherweise auch entsprechende Maßnahmen. Auf Anfrage teilte auch die Stadt Ludwigshafen mit, dass dort nichts von Wahlveranstaltungen bekannt ist. Hier leben rund 9.300 Türken, die in der Türkei wahlberechtigt sind.
Auftritt in privaten Räumlichkeiten oder im öffentlichen Raum?
Fakt scheint zu sein, dass die Auftritte nicht in kommunalen Liegenschaften stattfinden werden, denn bei der Stadt liegen bislang keine Reservierungen vor. Damit bleiben nur privatwirtschaftliche Räumlichkeiten oder der öffentliche Bereich. Durchaus vorstellbar ist, dass am Freitag kurzfristig eine Veranstaltung angemeldet wird. Dann wäre die Stadt als Versammlungs- und Polizeibehörde gefragt, ob diese genehmigt werden muss oder ob sie – aus Sicherheitsgründen beispielsweise – nicht zugelassen wird.
Die Polizei Mannheim sitzt derweil auf glühenden Kohlen – der G20-Gipfel der Finanzminister in Baden-Baden bindet Kräfte, dazu gibt es am Wochenende zwei Fußball-Spiele, darunter das Hochrisikospiel Waldhof Mannheim gegen Kickers Offenbach am Sonntag im Carl-Benz-Stadion:
Selbstverständlich werden wir unsere Aufgabe erfüllen und jede Herausforderung meistern. Üblicherweise meldet man Veranstaltungen frühzeitig an, um einen friedlichen und geordneten Ablauf gewährleisten zu können,
sagt Polizeisprecher David Faulhaber auf Anfrage. Auch bei der Polizei liegt lediglich die Information des Innenministeriums vor, dass sich zwei türkische Politiker an diesem und am kommenden Wochenende in Mannheim aufhalten wollten. Ort und Zeit sind bislang unbekannt.
In Mannheim leben rund 28.000 türkischstämmige Menschen. Mannheim ist damit wie Köln, Berlin oder Stuttgart eine “Türkenstadt” und von herausgehobener Bedeutung. Unter den in der Stadt lebenden Menschen mit Migrationshintergrund machen sie 20,2 Prozent aus. Seit vielen Monaten demonstrieren regelmäßig Kurden in der Stadt – oft Kleinstversammlungen mit nur wenigen Dutzend Teilnehmern.
Lage kann schnell eskalieren
Wie schnell eine Lage eskalieren kann, musste die Stadt im Herbst 2012 erleben, als hunderte gewaltbereiter Kurden auf dem Maimarkt-Gelände die Polizei mit Steinwürfen angegriffen haben – rund 70 Beamte wurden dabei verletzt. Die türkischstämmigen Kurden bilden aber nur eine Minderheit – was, wenn die nationalen Türken zeigen wollen, “wo der Hammer hängt”?
Wir malen den Teufel nicht an die Wand – aber warnen eindeutig vor einer möglicherweise drohenden Eskalation. Ein Hinweis ist auch, dass es von Seiten der türkischen “Community” keinerlei beschwichtigenden Äußerungen gibt.
Dabei sind die in der Stadt lebenden Türken dringend aufgefordert, sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zum friedlichen Zusammenleben zu äußern und sich gegen die aus Ankara zu hörende beschämende Rhetorik zu stellen, um ein klares Zeichen zu setzen.
Doch das darf als “Wunschtraum” gelten. Eine Demo nationaler Türken im vergangenen Sommer endete mit “Alahu Akbar”-Rufen. Damit muss man davon ausgehen, dass große Teile der Türken in Mannheim glühende Erdogan-Verehrer sind, die hier geltenden Freiheitsrechte genießen, aber für eine Verfassungsänderung in der Türkei stimmen werden, die das Land in eine Diktatur überführen wird.