Rhein-Neckar/Berlin, 05. Dezember 2015. (red/pro) Am 04. Dezember 2015 hat der Deutsche Bundestag den Kriegseinsatz von 1.200 Soldaten, 6 Tornados und 1 Fregatte beschlossen. Mit diesem historischen Datum tritt Deutschland in den asymmetrischen Syrienkrieg ein, der längst Teil eines Weltkriegs ohne territoriale Grenzen ist. Militärisch ist er nicht zu gewinnen. Ein Appell.
Anm. d. Red.: Sie lesen eine lange Analyse, kommentieren Sie gerne. Sind Sie anderer Meinung? Haben wir etwas vergessen? Welche Vorschläge haben Sie, um die Lage in Syrien zu lösen? Welche zum Umgang mit den Flüchtlingen hier? Wir schätzen vernünftige Leserhinweise immer, sie werden Teil unserer Arbeit. Besten Dank vorab.
Von Hardy Prothmann
Am 04. Dezember 2015 hat der Deutsche Bundestag auf Vorschlag der Bundesregierung folgenden Militäreinsatz beschlossen:
Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen in Verbindung mit Art. 42 Abs. 7 des Vertrags über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
Man muss kein Militärhistoriker, General oder sonstein „Experte“ sein, um zu wissen, dass der Krieg gegen ISIS, auch Daesch genannt, aus der Luft nicht gewonnen werden kann.
Um das zu verstehen, braucht man nur gesunden Menschenverstand und einen informierten Blick auf die Weltlage.
Syrien – jeder gegen jeden
Der aktuelle Fokus liegt auf Syrien. Dort kämpfen mehrere Kriegsparteien gegeneinander und irgendwie auch miteinander. Diktator Baschar al-Assad kämpft in einem Bürgerkrieg gegen verschiedene „revolutionäre“ Aufständige wie die Freie syrische Armee oder die Islamische Front, das eigene Volk, gegen die al-Nusra Front (Al-Quaida) sowie ISIS.
ISIS kämpft gegen alle „Ungläubigen“. Die Terrororganisation, die den „Islamischen Staat“ ausgerufen hat, ist eine Freischärler-Armee, deren Kämpfer aus der ganzen Welt kommen. Unterstützt wird die Mörderbande offenbar durch Saudi-Arabien, möglicherweise auch andere Golfstaaten und indirekt durch die Türkei.
Die Türkei kämpft gegen Kurden im Nordirak und auch Syrien und durch die Unterstützung von syrischen Turkmenen auch indirekt gegen al-Assad. Die Kurden wiederum kämpfen gegen ISIS und Assad und werden dabei durch Großbritannien und Frankreich unterstützt. Gemeinsam mit den USA fliegen diese Staaten seit 2014 Luftangriffe gegen ISIS im Nordirak.
Russland unterstützt Assad im Kampf gegen ISIS, tatsächlich geht es auch gegen die Aufständigen und die syrische Bevölkerung. Vor ein paar Tagen wurde die Lage bedrohlich, als die Türkei einen russischen Bomber abgeschossen hat, und zwischen dem Nato-Partner Türkei und der Großmacht Russland knisterte es gefährlich.
Iran und die libanesisch-islamistische Terrororganisation „Hisbollah“ unterstützen Baschar al-Assad, was zu scharfer Kritik durch die USA führt, die wiederum die angeblich säkulare Freie syrische Armee (FSA) unterstützen.
Deutschland ist im Krieg
Nach den Terroranschlägen im Januar und November ist nun auch Deutschland Kriegspartei an der Seite der Franzosen und entsendet 1.200 Soldaten, sechs Aufklärungskampfflugzeuge und eine Fregatte.
Somit sind die drei stärksten europäischen Länder Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die USA, Russland, die Türkei, die Golfstaaten, Iran sowie Syrien und Irak und vermutlich auch Israel in Syrien unmittelbar oder mittelbar Kriegsparteien. Dazu kommen die syrischen oppositionellen Aufständigen, die Kurdengruppen PKK und YPG, ISIS und Hisbollah.
Rund 12 der 18 Millionen Syrer sind auf der Flucht, über vier Millionen in den islamischen Nachbarstaaten, rund acht Millionen Menschen innerhalb Syriens.
Fluchtbewegungen aus dem Nahen Osten, Afrika und dem Hindukusch
Nach Europa werden in diesem Jahr rund zwei Millionen Menschen fliehen, die meisten nach Deutschland. Vermutlich wird es weitere massenhafte Fluchtbewegungen aus Afghanistan geben, da sich dort die kriegerischen Zustände wieder verschärfen.
Ebenso steigen die Fluchtbewegungen aus Afrika über Libyen, das nach einer Militärintervention mehrerer europäischer Länder 2011 und anschließenden Bürgerkriegen faktisch ohne rechtsstaatliche Regierung ist.
Unterhalb Libyens in der Sahelzone, die sich über die komplette Breite Afrikas erstreckt, kämpft Frankreich mit mindestens 3.000 Soldaten gegen islamistische Terroristen in Mauretanien, Mali, Niger, Tschad und Burkina-Faso. In Nigeria erobert die islamitische Terrororganisation Boko Haram immer mehr Gebiete und hat bereits mehrere zehntausend Menschen umgebracht.
Auch Russland und China sind im Fadenkreuz des Terrors
Kaum jemand denkt an die Rolle der Großmacht China. Auch hier kommt es immer wieder zu Anschlägen durch uigurische Islamisten, die mal Al-Quaida mal ISIS zugerechnet werden. Vergangene Woche tötete ISIS eine chinesische Geisel und in Mali starben drei chinesische Manager bei der Erstürmung ihres Hotels durch islamistische Terroristen. Und ISIS sieht den Westen Chinas als Teil des „Kalifats“.
Auch Russland ist immer wieder durch islamistischen Terror bedroht – insbesondere aus Tschetschenien, wo bereits ein Kaukasus-Kalifat ausgerufen worden ist und von wo viele Kämpfer sich ISIS im Nordirak angeschlossen haben. ISIS soll durch einen Bombenanschlag für den Absturz eines russischen Passagierflugzeugs verantwortlich sein.
Nach den Attentaten vom 11. September 2001 gab es Terrorangriffe auf London, Madrid und Paris mit mehreren hundert getöteten Opfern. Einige Anschläge konnten verhindert werden – die Terrorgefahr ist eindeutig gestiegen und es wird weitere Anschläge geben.
Der Kampf zwischen korrupten Regierungen, Terrorgruppen und westlichen Staaten, darunter allen Großmächten ist mittlerweile also Alltag und zwar weltweit. In mehreren Ländern Afrikas, im Nahen Osten, im Kaukasus und am Hindukusch. Dieser Kampf strahlt punktuell auch nach Europa aus.
3. Weltkrieg – eine Definitionsfrage
Bislang wurde der Begriff 3. Weltkrieg häufig mit dem „Kalten Krieg“ in Verbindung gebracht, der allerdings wenn, dann nur stellvertretende kriegerische Auseinandersetzung hervorbrachte. Aktuell sind mehrere Dutzend Länder auf drei Kontinenten im Kriegszustand oder kurz davor. Dabei ist es nicht wesentlich, ob in den beteiligten Ländern Krieg herrscht – im 2. Weltkrieg gab es auf dem Gebiet der USA auch keine Kriegshandlungen. Beteiligt sind die jeweiligen Länder sowie alle Großmächte bis auf China und die meisten europäischen Staaten. Das ist ein realer 3. Weltkrieg – allerdings ein asymmetrischer mit unterschiedlichen Allianzen.
Enorme Kosten
2015 war das Jahr der Flüchtlingsbewegung. Seit dem Sommer kommen immer mehr Menschen, bis Jahresende werden es allein in Deutschland über eineinhalb Millionen Menschen sein. Nur die Grundversorgung (Dach über dem Kopf, Essen und Trinken) dieser Menschen kostet rund 10 Milliarden Euro pro Jahr. Kommen nochmals so viele im Jahr 2016 – davon ist auszugehen, verdoppeln sich die Kosten auf 20 Milliarden Euro.
Finanziell wird Deutschland die Last einige Zeit tragen können, strukturell nicht. Wer denkt, mehrere Millionen Menschen aus anderen Kulturen, viele davon ohne Schul- und Ausbildung ließen sich innerhalb weniger Jahre integrieren, ist ein Utopist.
„Importierte“ religiöse Konflikte und Antisemitismus
Zudem kommen mit den unterschiedlichen Nationen auch Konflikte zwischen diesen ins Land wie regelmäßige „nationale“ Auseinandersetzungen in den Lagern zeigen. Dazu kommen religiöse Konflikte zwischen Moslems unterschiedlicher Glaubensrichtungen und gegen andere Religionsgruppen. Vollständig ausgeblendet wird bislang der tief sitzende Antisemitismus insbesondere bei den Arabern. Die Anschläge von Paris im Januar richteten sich gezielt auch gegen Juden – nur zur Erinnerung.
Die aktuellen Angebote der EU an di…