Mannheim/Rhein-Neckar, 19. Oktober 2015. (red/pro) Die Alternative für Deutschland (AfD) hat beste Chancen, im März 2016 in den Landtag von Baden-Württemberg gewählt zu werden. Wir haben den Spitzenkandidaten und Bundesvorsitzenden Prof. Dr. Jörg Meuthen Ende September zum Interview getroffen. Er gilt als „gemäßigt“ – anders als die Bundesvorsitzende Frauke Petry, die als nationalkonservativ gilt. Die Positionen der AfD polarisieren – insbesondere zur Europapolitik und aktuell zur Flüchtlingskrise.
Interview: Hardy Prothmann
Herr Professor Meuthen, wie ist denn die Stimmung aktuell in der AFD, nachdem sich Parteigründer Lucke und andere als „ALFA“ abgetrennt haben?
Prof. Dr. Jörg Meuthen: Weitaus besser, als man das von außen vermuten würde. Wir haben eine neue Geschlossenheit. Ich bin ja im Bundesvorstand und im Landesvorstand, jeweils im Vorsitz und bekomme das mit: Wir haben jetzt einfach auf allen Ebenen eine harmonisch arbeitende Truppe zusammen. Das ist ein gutes, fokussiertes Miteinander und das war es ja nun erkennbar vorher nicht.
Ich fühle mich nicht einsam – wir haben viele gute Leute
Fühlen Sie sich nicht ein wenig einsam? Viele ihrer wirtschaftsliberalen Kollegen sind mit Herrn Lucke zu ALFA weg gewechselt.
Meuthen: Ich fühle mich nicht einsam. Wir haben weniger Ökonomen, weil mit Lucke einige gegangen sind, das ist wohl war. Es sind aber auch einige geblieben und es sind gute Leute geblieben, mit denen das Zusammenarbeiten in gewisser Hinsicht auch einfacher ist.
Wie wird Ihr politisches Engagement denn in Kehl aufgenommen? Sie bilden da ja Verwaltungsfachwirte aus, für Gemeinden in Baden-Württemberg. Wie kritisch sieht man Ihre Lehrtätigkeit und Ihre politische Position?
Meuthen: Im Kollegium völlig offen und respektvoll. Viele sagen: „Bemerkenswert, was du da machst!“ und zwar durchaus mit einer positiven Konnotation. Bei den Studenten ist es so, dass die überwiegend so unpolitisch sind, dass die das gar nicht wahrnehmen. Wenn sie es thematisieren, dann blocke ich deswegen ab, weil ich dort meinen Dienst versehe. Ich bin Beamter und ich kann da keine parteipolitischen Diskussionen führen. Das würde mir mit Recht zum Vorwurf gemacht, wenn ich es täte. Ich blocke das völlig. Das heißt, wenn die mir kommen: „Wie ist denn das mit AfD“, dann verweise ich auf meine Lehrtätigkeit und dass ich am Arbeitsplatz keine parteipolitischen Diskussionen führe. Das kann man außerhalb der Hochschule machen, aber nicht in der Hochschule.
Finanzen werden mein Kernthema sein
Sie sind Fachmann für öffentliche Finanzen. Welche Rolle werden denn gerade öffentliche Finanzen im Landtagswahlkampf in Baden-Württemberg spielen?
Meuthen: Es wird sicherlich nicht das Kernthema sein. Aber es wird ein Thema sein, weil wir einerseits einen ausgeglichenen Landeshaushalt haben, andererseits wir den sicherlich nicht halten können angesichts der Herausforderungen, die auf uns zukommen. Und weil wir innerhalb des Landeshaushaltes auch die falschen Schwerpunkte setzen. Das ist ja auch völlig logisch: Grün-Rot hat andere Schwerpunkte, als wir von der AfD die haben.
Was ist aus Ihrer Ansicht nach falsch bei grün-roten Schwerpunkten? Was wäre richtig?
Meuthen: Ich gebe Ihnen konkret das bildungspolitische Beispiel: Mir fließt zu viel Geld in Gemeinschaftsschulen, von denen wir nichts halten. Wir stehen ein für ein mehrgliedriges Schulsystem. Ich habe doch massiv den Eindruck, dass die Ausstattung der Gymnasien leidet. Während erhebliche Mittel in die Gemeinschaftsschulen hineingepumpt werden. Das ist sicherlich eine Struktur, die völlig nachvollziehbar ist, wenn man dahinter steht – aber das ist nicht unsere Position. Deswegen würden wir es anders machen.
Nach neuesten Umfragen käme die AfD mit sieben bis acht Prozent in den Landtag. Können Sie sich vorstellen, dass die CDU mit Ihnen verhandeln würde?
Meuthen: Ich gehe davon aus, dass die CDU noch nicht bereit ist, das zu tun. Und dass wir, wenn wir – wovon ich wirklich ausgehe – in den Landtag einziehen, dort die Oppositionsbank drücken werden.
Für Grün-Rot wird es nicht mehr reichen
Und wer sitzt da neben Ihnen?
Meuthen: Die Parteien, die nicht die Regierung bilden – das wird zwischen CDU, SPD und Grünen zu entscheiden sein. Ich kann da nur spekulieren, wie alle darüber spekulieren, es wird in irgendeiner Form eine Koalition zwischen CDU und Grünen oder zwischen CDU und SPD geben – vermute ich mal. Für Grün-Rot wird es sicherlich nicht reichen. Dann müssen die sich untereinander einigen, also wir sind für Gespräche mit allen bereit, aber ich glaube nicht, dass man in Sachen Regierungsbildung mit uns sprechen wird.
Das könnte an der Ausrichtung der AfD liegen. Wie rechts ist denn die AFD – vor allem in Bezug auf ihre Vorsitzenden.
Meuthen: Gemeinsam mit Frau Petry bin ich ja einer der beiden Vorsitzenden. Wir haben keinen inhaltlichen Schwenk vollzogen. Wir haben die gleichen Positionen wie zuvor auch, die Führung hat sich verändert. Wir sind eine konservative Partei.
Ich bin konservativ.
Raus aus dem Euro fordern Sie doch nicht unbedingt, oder?
Meuthen: Wir wollen eine andere Form von Währungsunion. Eine Währungsunion zwischen den Niederlanden, Österreich, Deutschland, Finnland, sogar den baltischen Staaten ist kein Problem. Weil wir eine ähnliche Stabilitätskultur haben. Eine Währungsunion gemeinsam mit Griechenland, Italien und sogar Frankreich ergibt in der Situation keinen Sinn. Wir sehen ja auch, dass das nicht funktioniert. Das ist die bekannte AfD-Position – da gibt es gar nichts Neues und da hat sich gar nichts verändert. Wie sich überhaupt inhaltlich gar nichts verändert hat. Ich persönlich kann mit diesen ganzen Etiketten wie Rechts/Links relativ wenig anfangen. Es gibt Bereiche, wo wir konservative Positionen haben. Neulich hat mich ein Journalist der Süddeutschen Zeitung interviewt und hat anschließend gesagt: „Sie sind ja eher konservativ.“ Weil ich familienpolitische Positionen habe, die wirklich der klassischen Familie zugeneigt sind.
Homo-Ehen finden Sie also eher nicht so gut?
Meuthen: Das war zum Beispiel ein Thema. Ich sage es ihnen, so wie ich es dem Journalisten von der Süddeutschen Zeitung auch gesagt habe: Mein Problem mit der Homo-Ehe ist, dass es dann zugleich ein Adoptionsrecht gibt. Das ist rechtlich so. Und nun bin ich Vater von fünf Kindern und ich habe wirklich ein gelebtes Verständnis davon, dass eine Vaterrolle und eine Mutterrolle ganz unterschiedlich sind. Und wenn ich das jetzt aus der Sicht des Kindeswohls betrachte: Dann glaube ich, dass ein Kind, das adoptiert wird, besser in eine klassische Mann-Frau-Rolle rein kommt, als in eine Frau-Frau- oder Mann-Mann-Rolle. Denn so hat es einen Vater und eine Mutter und das ist besser als zwei Väter oder zwei Mütter. Ich bin nicht erfreut, wenn man mir dann eine Homophobie nachgesagt wird oder so etwas – ich habe Homosexuelle in meinem Bekanntenkreis, das hat, glaube ich, jeder Mensch. Und ich hab damit auch nicht einen Anflug von Berührungsängsten. Ich habe eine Position, die vertrete ich.
„Die Zuwanderung gerät aus den Fugen“
Nochmal zurück zu den anderen Positionen: „Das Boot ist voll“ in Sachen Flüchtlinge gab es schon einmal Anfang der 90er – damals war es noch eine CDU-Position, heute ist es eigentlich überwiegend eine NPD- Position. Wo ist da der Unterschied zwischen der NPD und der AfD, wenn die AfD die volle Boot-These vertritt?
Meuthen: Da gibt es jede Menge Unterschiede! Gerade die Formulierung: „Das Boot ist voll“. Zuletzt habe ich die vom Berlin-Korrespondenten von SWR1 im Radio gehört. Er hat das wörtlich und zwar nicht zitiert – als eigenen Kommentar so gesprochen. Wenn Herr Gauland das sagt, dann stellt man ihn gleich in die äußerste, rechte Ecke – wenn ein SWR1-Korrespondent das sagt, dann ist das gleich was vollkommen anderes. Irgendwie bemerkenswert, oder? Der Unterschied zwischen der NPD und der AfD ist völlig klar: Die NPD ist eine ausländerfeindliche Partei. Wir wenden uns nicht gegen Ausländer – wir lehnen es kategorisch ab, vor Erstaufnahmeeinrichtungen zu demonstrieren. Das sind Menschen, die aus völlig nachvollziehbaren Gründen zu uns kommen und denen wir nichts vorzuwerfen haben. In ihrer Situation täten wir doch das gleiche. Sich gegen Ausländer zu richten, ist insofern eine absurde Position, die, für meine Begriffe, die NPD hat. Wir haben sie definitiv nicht. Wir sind eher die, die vor das Innenministerium ziehen, so jüngst in Sachsen geschehen, und sagen: „Leute, so geht das nicht!“. Wir haben eine Zuwanderung, die wir nicht mehr kontrollieren, die uns völlig aus den Fugen gerät und die müssen wir vernünftig steuern.
Was heißt eine vernünftige Steuerung von Zuwanderung in ihren Augen? In Baden-Württemberg werden es dieses Jahr mindestens 100.000, eher 130.000 Flüchtlinge werden. Im Frühjahr ist man noch von 50.000 Menschen ausgegangen. Was ist denn eine gute Zuwanderungspolitik für Baden-Württemberg?
Meuthen: Ich weiß, dass die Zahlen, die wir im Moment haben, weit jenseits der Zumutbarkeit sind. Wir haben allein in Bayern im September 169.400 Zuwanderer gehabt. Nur in Bayern – in einem einzigen Monat. Herr de Maizière spricht ja von 8.000 bis 10.000 Menschen – pro Tag. Das ist jeden Tag eine Kleinstadt. Und das ist eine vollständige Überforderung unserer Aufnahmekapazitäten. Wir erleben eine völlige Überforderung unserer Behörden. Wir werden ein regelrechtes Chaos in diesem Land erleben. Das heißt, wir müssen jetzt, in dieser akuten Situation – wir sind in einer Notsituation – zunächst einmal die Zuwanderung stoppen. Das Problem ist, dass das rechtlich sehr, sehr schwer ist. Aber wir müssen es stoppen, denn es kann so nicht weiter gehen. Das ist die Aussage „Das Boot ist voll“ – das konnotiert man jetzt mit rechts-außen. Aber wenn wir einmal ehrlich sind, dann haben wir im Moment eine Zuwanderung, die wir nicht bewältigen können.
Keine zehn Prozent werden kurzfristig in den Arbeitsmarkt kommen
Nach der demographischen Entwicklung brauchen wir dringend Zuwanderungen. Denn nach den Zahlen, die ich kenne, fehlen ab 2015 rund 10 bis 15 Prozent Fachkräfte, um Betriebe oder auch Verwaltungen aufrecht zu erhalten. Können wir denn mit diesen Menschen etwas anfangen, die aktuell zu uns kommen?
Meuthen: Ja, dazu muss man sich die Menschen genau anschauen. Man müsste das tun, was andere Nationen auch machen. Die Australier, zum Beispiel, sagen jetzt, dass sie 12.000 Syrer aufnehmen werden –sie gehen in die Flüchtlingslager in Jordanien, im Libanon und in der Türkei und schauen sich an, ob die Flüchtlinge zu ihnen passen, ob sie diese wirklich auch als produktive Teile der Gesellschaft bei sich aufnehmen können. Bei uns gehen im Moment alle Menschen rein und selbst Frau Nahles, als Bundesarbeitsministerin, räumt ein, dass keine 10 Prozent der Menschen kurzfristig für den Arbeitsmarkt einsetzbar sind. Wir haben also derzeit 90 Prozent Zuwanderer, die wir jedenfalls kurzfristig nicht in den Arbeitsmarkt integrieren können. Der Gedanke, mit dieser Form der Zuwanderung, wie wir sie zur Zeit erleben, einen etwaigen Fachkräftemangel ausgleichen zu können, ist absurd. Das funktioniert schlicht nicht.
Ist es andersrum betrachtet, Sie sind ja ein Finanzmann, nicht auch eine Art Konjunkturprogramm? Sanitärcontainer-Hersteller, Feldbettenproduzenten, Caterer – die machen alle Geschäfte ohne Ende. Kann man es auch als ökonomisches Programm sehen?
Meuthen: Nein, kann man nicht. Wenn Sie es einzelwirtschaftlich betrachten: Aus der Sicht von Menschen, die daran in irgendeiner Weise Geld verdienen, weil sie Dienstleistungen bereitstellen, die auch gebraucht werde – wunderbar, die machen das Geschäft ihres Lebens! Wenn sie aber mal die Rechnung gesamtgesellschaftlich betrachten, dann muss das von der Gesellschaft aufgebracht werden.
Wer Ausgaben für Flüchtlinge als „wirtschaftliches Wachstum“ beschreibt, macht Voodoo-Ökonomik
Die Steuereinnahmen brummen doch gerade.
Meuthen: Wir haben im Moment schöne Steuereinnahmen, mit denen wir einige Sachen machen müssten, die wir nun nicht mehr machen können. Wir haben tatsächlich eine Unterfinanzierung in weiten Bereichen der öffentlichen Güterversorgung: Bei der Bundeswehr, bei der inneren Sicherheit – bei der Polizei, bei Straßen und Brücken, wir haben einen Sanierungsstau, der sich gewaschen hat. Für all das ist jetzt kein Geld mehr da. Es wird auch ganz klar bei der Bundesregierung gesagt, dass wir jetzt alle verfügbaren Mittel da rein stecken müssen. Das geht aber natürlich in den Konsum und nicht in irgendwelche Investitionen und Produktivität. Und das ist die Problematik – der Gedanke, wir könnten daraus jetzt wirtschaftliches Wachstum generieren ist, Voodoo-Ökonomik.
Hat sich die AfD schon mal mit dem möglichen kriminellen Potenzial durch Flüchtlinge beschäftigt? Was haben Sie da für eine Position?
Meuthen: Logischerweise sind wir da tief besorgt. Dass es vielfältige Formen der Kriminalität gibt, erlebt man in den Aufnahmeeinrichtungen und auch um sie herum. Da nehmen die Einbrüche relativ stark zu. Das ist ein Problem, dass wir aus Karlsruhe sehr genau kennen. Wir haben gewalttätige Übergriffe in den Einrichtungen, die heftig sind. Wir haben einen katastrophalen Umgang mit Frauen. Die Frauen erleben nackte Angst. Es gibt in diesem Kulturkreis, der da überwiegend zuwandert, eine durchaus verbreitete Art und Weise, entschieden respektloser mit Frauen umzugehen, als das in unserem Kulturkreis üblich ist. Da geschehen, nach allem was ich höre, Dinge, die sind gruselig: Mit Zwangsprostitution, mit Gewalt gegen Frauen in jedweder Form. In unserem Land. Und das ist etwas, dass wir nicht tolerieren können.
Sie haben vorhin schon angedeutet, was ihrem Bild entspricht, wie eine Familie sein sollte. Entspricht das denn, wenn Sie sich demographische Daten anschauen, tatsächlich dem, was unsere Gesellschaft heute durchschnittlich lebt?
Meuthen: Zu weiten Teilen nicht. Das hat zu Teilen etwas mit falsch verstandener Freiheit zu tun. Es hat etwas mit Dekadenz-Phänomenen zu tun. Es hat viel mit dem Verlust an Werten zu tun – und zwar wirklich an konservativen, alten Werten, die in unserer Beliebigkeits-Kultur ein bisschen verloren gegangen sind. Was ich bedauere. Ich hüte mich nur davor, darüber den Stab zu brechen, denn es gibt so unglaublich viele Leben, die Brüche haben. Mein Leben war auch nicht frei von Brüchen – das ist ein völlig normaler Vorgang. Ich mag dieses moralisch-selbstgerechte nicht – dieses „wir machen es richtig und die anderen machen es falsch.“ Es gibt viele Formen, sein Leben zu leben. Ich wende mich doch auch nicht gegen homosexuelle Partnerschaften, wenn die zueinander halten, wie Mann und Frau zusammen halten, ist das in Ordnung.
„Beim „Stabilitätspakt“ wurde ich sehr, sehr zornig“
Sie waren früher kein Parteimitglied – weder bei der AfD noch bei einer anderen Partei. Was hat Sie denn 2013 dazu bewegt, ausgerechnet in die AfD einzutreten?
Meuthen: Es war das, was es bei ganz, ganz vielen war: Es waren die multiplen Rechtsbrüche im Rahmen der Europäischen Union. Das Heraushauen von Staaten, also die Übernahme von anderen Staatsschulden. Es war die falsch konzipierte Währungsunion. Ich verfolge dieses Thema seit den Maastrichter Verträgen von 1992 und da kam nun endlich jemand der sagte, dass das Unfug ist: Eine Partei, die sagte, dass wir das so nicht machen können. Und das, was ich seit Jahren lehrte, vertrat auf einmal eine Partei. Da dachte ich einfach: Das versuchst du jetzt – jetzt machst du mit. Namentlich nach dem die Bundestagswahl schief ging. Da hatte ich so eine Art Trotzreaktion und hab mir abends gesagt: Morgen früh trittst du da ein!
Ist die AfD dann zu Teilen so eine Art Partei der Wut-Professoren?
Meuthen: Wut und Professor passt ja nicht zusammen, weil wir meistens sehr distinguiert sind und nicht aus der Haut fahren. Es ist eine Partei von Leuten, oft mit einem akademischen Hintergrund, die sagen, sie möchten eine rechtsstaatliche Ordnung wiederherstellen, wo wir diese zu verlieren drohen. Oder bereits verloren haben. Dabei kann man tatsächlich emotional werden und Zorn empfinden. Bei manchen der Brüche, etwa des Stabilitätspaktes, kann ich mich noch erinnern, war ich sehr, sehr zornig. Ich hatte es so vorhergesagt und es kam genau so und ich weiß, dass es falsch ist.
Sie behaupten, Sie halten Rechtsradikale aus der AfD raus – wie wird das gemacht?
Meuthen: Indem wir die einzelnen Mitglieder befragen und mit jedem einzelnen ein Aufnahmegespräch führen. Die Frage, in welchen anderen Parteien man Mitglied war, ist Bestandteil dieses Aufnahmegespräches. Bei früheren Mitgliedschaften in extremistischen Parteien kommt eine Aufnahme nicht in Frage.
„Frau Merkel wurde zur Heiligen der Zuwanderung – seitdem sinkt ihr Stern“
Sie haben Frau Merkel zum Rücktritt aufgerufen – noch vor kurzem 66 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung – wie passt das denn zusammen?
Meuthen: Das frage ich mich auch. Ich kann es nicht verstehen und ich kann mir diese Zahlen, angesichts dessen, was sie gemacht hat, eigentlich nicht vorstellen. Ich wurde vor kurzem im Handelsblatt zitiert „Merkels Stern beginnt zu sinken“. Das glaube ich auch – weil die Zustimmung zu Merkel massiv sinkt. Das erleben wir derzeit, in den Umfragen geht ihre persönliche Popularität gewaltig runter. Sie hat einen kapitalen, katastrophalen Fehler gemacht, mit dieser Pressekonferenz, in der sie gesagt hat, dass alle willkommen sind. Das merken die Menschen und das wird noch zunehmen, weil die Deutschen merken, was damit eigentlich ausgelöst wurde. Sie ist sozusagen zur Heiligen der Zuwanderer geworden. Damit geht die Zuwanderung immer weiter und immer weiter und wir haben sie erkennbar nicht im Griff. Ich glaube, dass das tatsächlich der Scheidepunkt ihrer persönlichen politischen Macht ist und dass das nicht mehr lange gut geht.
Ist die Flüchtlingssituation auch eine Chance für Europa oder bedroht diese Europa?
Meuthen: In der Form, wie es derzeit läuft bedroht sie Europa und wird Europa auseinander driften lassen. Das heißt nicht, dass wir keine Zuwanderung ertragen könnten, das können wir durchaus – aber nicht so und in der Dimension, wie es derzeit läuft.
Was wird aus ihrer Rolle als Bundesvorsitzender? Sie wollten Stellvertreter werden, also einen Schritt zurück.
Meuthen: Das wird sich zeigen. Einstweilen ist dieser eine Schritt nicht gewünscht, auch von Frau Petry nicht. Wir werden den Satzungsparteitag Ende November haben und es läuft im Prinzip vieles darauf hinaus, dass wir gleichberechtigte Bundesvorsitzende bleiben. Wobei ich darauf gar nicht so einen gesteigerten Wert lege. Ich könnte auch Stellvertreter sein, aber es wird offensichtlich überwiegend gern so gesehen, dass wir das gemeinsam machen.
Werden Sie selbst zur Landtagswahl antreten? Als Spitzenkandidat?
Meuthen: Ja, ganz klar.
Zur Person: Jörg Meuthen stammt aus Essen und ist seit 1997 Professor für Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft an der Hochschule Kehl, dort Studiendekan der Fakultät Wirtschafts-, Informations- und Sozialwissenschaften. Seit dem 04. Juli 2015 ist er zweiter Bundessprecher (62 Prozent der Stimmen) und damit einer von zwei Parteivorsitzenden der Alternative für Deutschland (AfD). Er ist außerdem einer von drei Landesprechern der AfD Baden-Württemberg. Herr Meuthen ist Katholik und hat fünf Kinder.
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