Mannheim/Rhein-Neckar, 18. Oktober 2018. (red/pro) Eigentlich könnte alles gut sein für das Capitol – man hat sich frisch renoviert und freut sich auf neue Spielzeiten. Doch seit Tagen schwelt eine Debatte auf Facebook, die sich zum Shitstorm in alle Richtungen entwickelt hat: Weil das Capitol über der Bar weiterhin den “Sarotti-Mohr” verwendet. Diese Werbefigur sei rassistisch, weil es Menschen mit dunkler Hautfarbe als Diener verunglimpfe, regen sich viele “Antirassisten” auf. Capitol-Geschäftsführer Thorsten Riehle hat reagiert. Es stehen schwere Zeiten bevor.
Von Hardy Prothmann
Es gibt in Mannheim viele Menschen, die unverdächtig sind, ein Rassist zu sein. Der Capitol-Geschäftsführer und SPD-Stadtrat Thorsten Riehle ist so einer. Doch er und das Veranstaltungshaus stehen nun mitten in der Kritik – wegen eines historischen Werbelogos, des “Sarotti-Mohr“, das über der Bar zwei Mal installiert ist.
Auf Facebook äußern sich viele “PoC”, people of color, andere Ausländer und Deutsche, die sich gegen Rassismus einsetzen, teils absolut heftig gegen das Capitol. Die Forderung ist klar: Der Mohr muss weg.
Andere finden die Vorwürfe “lächerlich”, den Mohren süß und argumentieren, dass sie zu keiner Zeit die Werbefigur mit Rassismus in Verbindung gebracht hätten, was die anderen wieder als Beweis werten, wie tief Alltagsrassismus in der Gesellschaft verwurzelt sei.
Ein Facebook-Post des Capitol wurde mittlerweile mehrere hundert Male kommentiert:
Anlässlich einer Veranstaltung von „Mannheim sagt Ja!“ zum Thema Rassismus vor wenigen Tagen wurde die Werbeanlage an der Sarotti Theke angesprochen. Diese zeigt neben dem Schriftzug zwei Mal die Abbildung des “Sarotti-Mohren” als Diener, deren Darstellung dazu geeignet sein könnte, Menschen zu verletzen. Im Capitol ist kein Platz für Rassismus, Hetze und Hass – deshalb nehmen wir diesen Hinweis auf rassistische Darstellungen sehr ernst. Wir haben das Denkmalamt und das Marchivum darum gebeten, uns in der Aufarbeitung behilflich zu sein. Unser Ziel ist es mit diesem Thema, das dazu geeignet ist Menschen herabzuwürdigen, adäquat umzugehen. Deshalb muss es unsere Aufgabe sein, unsere Gäste und Künstler zu sensibilisieren. Wir verstehen dies als einen Prozess in dessen Verlauf wir Betroffene zu Wort kommen lassen, Verständnis wecken, die historischen Vorgänge aufarbeiten und einen Umgang finden wollen. Diesen Prozess werden wir in den nächsten Wochen beginnen.
Antirassisten vs. Antirassisten
Vollständig kurios ist, dass nun das Lager der “gegen Rassismus Kämpfenden” nun gespalten ist und teils hasserfüllte Züge zeigt. Denn Parteikollegen von Herrn Riehle und andere, die sonst gegen Rassismus marschieren, fordern auf, hier nicht die Nazi-Keule rauszuholen, was die Hardcore-Rassismus-Bekämpfer umso mehr reizt, weil man eben grundsätzlich gegen Rassismus ist und natürlich ausschließlich selbst definiert, was Rassismus ist und was nicht.
Thorsten Riehle stellt auf RNB-Anfrage fest: “Ich finde es erstaunlich, dass zunächst niemand das Gespräch mit uns gesucht hat. Die Vorwürfe wurden über Facebook gepostet und dann entwickelte sich schnell eine ausufernde Debatte.”
Der Kommunalpolitiker kennt sich mit Debatten aus und nimmt die Vorwürfe ernst. Heute schreibt das Capitol an die Medien im Namen von Thorsten Riehle:
Das Capitol ist seit Jahren bekannt dafür, gesellschaftliche Themen aufzugreifen und gerade Fremdenfeindlichkeit und Rassismus mit Veranstaltungen im Haus zu thematisieren. Nun stehen wir selbst im Zentrum einer solchen Debatte. Die Heftigkeit, mit der die Diskussion zur Sarotti-Werbung in den sozialen Medien geführt wird, zeigt, wie umstritten das Thema in unseren Tagen ist. Wir wollen uns dieser Diskussion bewusst stellen. Dafür werden wir mehrere Veranstaltungen auf den Weg bringen, um das Thema mit Experten, Betroffenen und unserem Publikum aufzuarbeiten. Wir versprechen uns davon, dass wir als Kulturtreibende Alltags-Rassismus durch die Aufnahme in den Spielplan aufzeigen und bei unseren Besuchern und Gästen Sensibilität stärken können. Um auch für unser Haus einen Umgang mit der umstrittenen Darstellung finden zu können, werden wir darüber hinaus mit einem Beratergremium ins Gespräch kommen. Dieses stellen wir gerade zusammen. Zusagen haben wir von Gerhard Fontagnier als 1. Vorsitzenden von „Mannheim sagt Ja!“ aber auch von Mo Asumang, einer Journalistin, die durch ihren Film und das Buch „Die Arier“ eine große Öffentlichkeit für das Thema hergestellt hat. Ich spreche derzeit über eine Veranstaltung mit ihr hier bei uns.
Die Reaktion zeigt, dass das Capitol vernünftig agiert und eine Debatte nicht aus dem Weg gehen wird – allerdings geordnet. Ob dieser Wunsch in Erfüllung geht, ist allerdings zweifelhaft.
Vorwürfe und Beleidigungen der Guten gegen andere Gute
Auch, was die Zukunft der Sarotti-Mohren über der Bar angeht. Denn selbst wenn ein Beratergremium am Ende zur Auffassung käme, wofür es gute Gründe gibt, dass die Werbefigur keineswegs “rassistisch” sei, werden das alle die nicht akzeptieren, die es eben nicht akzeptieren wollen und einen “dienenden Neger” eben als Prototyp einer rassistischen Abwertung verstehen.
Auch, wenn das eine SPD-Stadträtin Marianne Bade und ein Cover-Sänger Markus Sprengler (Grüne) das anders sehen:
Diese Aussage, “wer sich aufregt, hat ein erhebliches Toleranzproblem”, müsste für jede Menge Aufregung sorgen, zeigt es doch eine absolut ignorante Haltung oder das nicht-Vorhandensein gewisser Fähigkeiten. Die Kernaussage dürfte bei denen, die Rassismus erkennen, diese sein: Rassismus muss toleriert werden. Zur Erinnerung: Marianne Bade war eine treibende Kraft zur Gründung von “Mannheim sagt Ja”.
Ebenso die klar verächtliche Beleidigung von Andersdenkenden durch den Sänger Sprengler, der sonst für Frieden und Freiheit und Toleranz und gegen Hass und Hetze marschiert: Wer Rassismus kritisiert, ist bekloppt, weil das im Zusammenhang mit gewissen Personen einfach nicht sein darf.
Die Debatte zeigt übrigens ganz wunderbar Wirkmechanismen auf, die sonst gegen politisch Andersdenkende in Stellung gebracht werden, nun aber zu einem links-internen Kampf um die Deutungshoheit führen. Ebenso, dass meist nur in Freund-Feind-Schemata gedacht wird. Die Debatte führt zu einer wunderlichen Selbstentlarvung.
Es wird keine zufrieden stellende Lösung aus dem Dilemma geben
Das Dilemma wird nicht aufzulösen sein. Bleiben die Mohren, wird es eine Front geben, die dagegen ist und werden die Mohren entfernt, wird das für viele der Beweis sein, dass die “politische Korrektheit” über die Meinungsfreiheit gesiegt hat – was insbesondere rechten Kreisen Zulauf verschaffen dürfte. Böse Falle also. Initiiert von PoC und Personen aus dem linken politischen Lager.
Auch das beliebte Traditionscafé “Mohrenköpfle” ist bereits Thema der Debatte:
Wie wenig intellektuell sich Herr Sprengler zeigt, ist seinem kurzen Post zu entnehmen: “ja es ist rassistisch” steht “lösungsorientiert” entgegen. Wenn es klar rassistisch ist, gibt es nur eine Lösung: Das muss weg. Zumindest ist das sonst die klare Argumentation aus diesen Reihen.
Der kleine Sarotti-Mohr, eine Kunstfigur, sorgt also für jede Menge Lärm. Der sollte dann auch Anlass sein, dass “Mannheim sagt Ja” sich endlich mal der Frage stellt, wozu Ja gesagt wird. Denn viele der nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge sind ganz eindeutige Rassisten (Araber verachten “Neger”, Syrer verachten Afghanen, usw.) und auch muslimische Antisemiten. Frauen- und Schwulenfeindlichkeit ist ebenfalls ein großes Thema, ebenso Gewalt gegenüber Frauen und Kindern. Die Frage ist unbeantwortet, wann “Mannheim sagt Ja” und die dort agierenden Personen dazu nicht nur Nein sagen, sondern mit einer demonstrativen und kritischen Aufarbeitung beginnen.
Interessant ist auch, dass “Mannheim sagt Ja” vor kurzem eine Veranstaltung im Capitol hatte – hier beginnt nach einer Großdemo auch dessen Geschichte, gegründet wurde er später im Bürgerhaus Neckarstadt. Und niemals nie ist ausgerechnet diesen Rassismus-Experten aufgefallen, dass man unter dem rassistischen Symbol des schwarzen Mohren diskutierte und feierte. Vermutlich fanden viele den kleinen Mohren bis heute einfach nur süß und sind nun voller Gram über sich selbst, weil auch sie erkennen müssen, wie alltäglich der vorgebliche Rassismus auch ihre inneren Welten möbliert.
Die AfD kann derweil genüßlich zuschauen, wie sich die Antirassisten-Lager gegenseitig fertig machen und die Empörung vieler über die absolute Deutungshegemonie zur Ablehnung einer Debatte über Rassismus führt.