Mannheim, 18. November 2016. (red/pro) Laut eines Berichts der Lokalzeitung Mannheimer Morgen beklagen Flüchtlingshelfer in Mannheim, dass sie keine Integrationsarbeit leisten könnten, da die Flüchtlinge von Mannheim aus weiterverteilt würden. Das ist nach über einem Jahr Flüchtlingskrise eine erstaunliche Erkenntnis. Manche brauchen halt länger, bis der Groschen fällt. Verstanden haben die Flüchtlingshelfer aber nach wie vor nichts – außer der eigenen egozentrischen Befindlichkeit.
Kommentar: Hardy Prothmann
Ein Konstruktionsfehler von “Mannheim sagt Ja” ist, dass “Mannheim” überwiegend nicht zur dauerhaften Unterbringung von Flüchtlingen “Ja sagt”. Weil Mannheim Standort einer Landeserstaufnahmeeinrichtung ist, muss keine dauerhafte Unterbringung von Flüchtlingen erfolgen.
Dieser Satz stammt aus einem unserer Artikel vom 17. Januar 2016. Wir haben immer wieder thematisiert, dass die Flüchtlingshelfer einerseits eine wichtige Hilfe leisten, andererseits aber die fortlaufende Selbstinszenierung gewisser Personen und Täuschung der Öffentlichkeit zu bemängeln ist. Denn was die Flüchtlingshelfer in Mannheim leisten können, ist nicht viel mehr als eine Art “Ersthilfe”.
Nichts verstanden?
Laut Lokalzeitung fordere man, dass bei Verlegungen von Flüchtlingen die bisherige Integrationsarbeit stärker berücksichtigt werden müsse.
Die aktuelle Transfer-Praktik in Baden-Württemberg konterkariert (…) unsere Arbeit auf unerträgliche und inakzeptable Weise,
wird aus einem Schreiben an die Landtagsabgeordneten zitiert. “Wenn Menschen aus einer Mannheimer Erstaufnahmeeinrichtung in einen Landkreis verlegt werden, sollte man wenigstens darauf achten, dass dies der Rhein-Neckar-Kreis sei. Dann müssten die Verbindungen nicht vollends gekappt werden”, steht im Artikel. Offenbar haben weder die Flüchtlingshelfer noch die Lokalzeitung eine Vorstellung davon, wie groß der Rhein-Neckar-Kreis ist. Wenn ein Flüchtling beispielsweise nach Eberbach oder Sinsheim käme, ist das nicht eben gerade “um die Ecke”.
Mal abgesehen davon, dass das System anscheinend überhaupt nicht verstanden worden ist. Die Stadt- und Landkreise erhalten Zuweisungen nach Quoten. Die mehrere Zehntausend Menschen, die in Mannheim bislang untergebracht waren, würde die Quote nach dem Königssteiner Schlüssel für den Rhein-Neckar-Kreis um ein Vielfaches übersteigen. Dort würde man sich “bedanken”. Diese Forderung ist also völlig absurd.
Selbstkonstruierter Frust
Man habe sogar Praktika für Flüchtlinge organisiert, die diese nicht antreten könnten, heißt es im Zeitungsbericht. Wie viele wird nicht genannt. Aber darauf kommt es auch nicht an. Vielmehr muss man das anders betrachten – nicht die Arbeit der Flüchtlingshelfer wird konterkariert, sondern die Enttäuschungen bei Flüchtlingen befördert. Die Mannheimer Helfer machen den Flüchtlingen und den Betrieben was vor, sie wecken Erwartungen, die nicht erfüllbar sind. Das ist keine Hilfe, das ist vorsätzlich-verantwortungsloses Schüren von Enttäuschung und Frust.
Offenbar wird den Mannheimer Flüchtlingshelfern die Sinnlosigkeit der eigenen Ansprüche nun endlich bewusst. Sinnlos ist nicht, was sie tun, sondern wie sie es tun und welche Ziele und Erwartungen sie damit verbinden.
Wer fordert, dass die eigene “Integrationsarbeit” derart anerkannt werden müsse, dass die “eigenen” Flüchtlinge vor Ort oder in der Nähe bleiben, der fordert das für Tausende von Menschen – selbst wenn es nur Hunderte wären, erzeugt diese Forderung mit Sicherheit Ablehnung in der Bevölkerung. Denn wie sehr will man Mannheim noch belasten?
Verantwortungslose Realitätsverweigerer
Unter den Flüchtlingshelfern sind auch einige Stadträte, die entweder nichts verstanden haben oder nicht verstehen wollen – die “Durchgangsstation” Mannheim ist ein Deal, der Mannheim entlasten soll, denn Mannheim hat mit 12.-15.000 Zuwanderern aus Südosteuropa schon genug Probleme zu lösen. Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz bezeichnet das als eine der größten Herausforderungen überhaupt für die Stadt – und dann wollen diese Flüchtlingsromantiker noch Tausende mehr Menschen in die Stadt holen?
Das Mannheimer System ist eines, das sich der Verantwortung stellt, aber eine sowieso hohe Belastung verringern soll. Also zeigt sich die Stadt bereit, als “Durchgangsstation” der Verteilung von Flüchtlingen zu dienen, aber umgekehrt von Zuweisungen und Aufnahme befreit zu werden.
In Wahrheit geht es einigen Flüchtlingshelfern vermutlich überwiegend um die eigene, egozentrische Sache. Die anfängliche Hilfsbesoffenheit weicht einer zunehmenden Ernüchterung. Träumerische Vorstellung der Realität.
Mannheim sagt eben nicht Ja zu noch mehr Ausländern – Mannheim hat davon schon mehr als genug und leistet hier enorm viel. Wer eine noch höhere Belastung fordert, agiert vollständig verantwortungslos, wenn man den “Integationsesel” derart überlastet, dass er zusammenbricht. Mannheim hat schon so viele Sozialhilfeempfänger und wird als Oberzentrum enorm mehr belastet als die Kommunen im Umfeld.
Willkommen in der Realität
Deshalb, willkommen in der Realität, “Mannheim sagt Ja”. Offenbar wird man sich endlich des eigenen Konstruktionsfehlers bewusst und sollte die eigene Ausrichtung und den eigenen Anspruch an der Realität ausrichten und nicht versuchen, die Realität auf eigene Wunschträumereien zu verbiegen.
Flüchtlingshelfer in Mannheim werden sicherlich gebraucht. Als Ersthelfer. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Damit ist aber ebenfalls klar, dass man auf den sich selbst bestätigenden “Erfolg” einer gelungenen Integration verzichten muss. Das ist mühevoll und wenig dankbar. Schmälert aber die Leistung nicht, ganz im Gegenteil ist das sicherlich sehr viel schwieriger als eine Langzeitbetreuung und kostet viel Kraft.
Auch das hatten wir bereits häufig thematisiert. Viele Flüchtlingshelfer sind auch psychologisch schlichtweg schlecht vorbereitet und scheitern an ihren eigenen Vorstellungen. Das betrifft beispielsweise auch die vorläufige Unterbringung. Über Monate, möglicherweise Jahre betreut man Menschen, die dann entweder ein Bleiberecht erhalten oder abgeschoben werden. In beiden Fällen bedeutet das den Bruch der zuvor eingegangenen Beziehung. Zurück bleibt der Frust. Wer damit nicht umgehen kann, der leidet.
Und wer den engagierten Helfern was anderes vormacht, ist und bleibt verantwortungslos. Wer Langeweile hat und ein langfristiges Engagement sucht, wird in der Neckarstadt-West und im Jungbusch fündig. Dort gibt es jede Menge Integrationsarbeit zu leisten.