Mannheim/Rhein-Neckar, 17. Januar 2016. (red/pro) Heute vor einem Jahr haben rund 12.000 Menschen in Mannheim demonstriert – unter dem Eindruck der Attentate auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift “Charlie Hebdo” und einen jüdischen Supermarkt. 17 Menschen waren von islamistischen Terroristen ermordet worden. In Mannheim kamen Menschen aus der ganzen Region zusammen – geschockt über die Anschläge. Der Verein “Mannheim sagt Ja” proklamiert diese Groß-Demo für sich und betreibt damit ein übles Spiel in eigener Sache. Charlie Hebdo ist aktuell aus Sicht des Vereinsvorsitzenden “Mist”. Über 130 Opfer durch arabisch-stämmige Terroristen im November in Paris sind kein Thema, ebensowenig wie sexuelle Übergriffe und eine kippende Stimmung. Wir haben es nicht “schon immer gewusst”, aber bezweifelt, ob “Mannheim sagt Ja” gut für die Stadt ist.
Kommentar: Hardy Prothmann
Aus Mannheim kommt eine starke Antwort für ein respektvolles Zusammenleben in Vielfalt,
sagte Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) zum Abschluss einer Rede vor den Demonstrationsteilnehmern an diesem 17. Januar 2015. Inhaltlich beschwor Dr. Kurz Respekt, Toleranz und ein Miteinander. Mannheim in seiner Tradition als weltoffene Stadt. Und er wandte sich entschieden gegen Hetze gegenüber Fremden und den Auswüchsen von Pegida in Dresden. Die Rede ist dokumentiert und lohnt sich anzuschauen.
Solidarität und Distanz
Unter dem Eindruck von “Pegida” (Anm. d. Red.: Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) und der zunehmenden Zahl von Flüchtlingen entstand um die Weihnachtszeit zum Jahresende 2014 herum in Mannheim die Idee einer Kundgebung für Flüchtlinge und gegen Ausgrenzung. Es bildete sich ein überparteiliches Unterstützerbündnis unter der “Führung” des grünen Stadtrats Gerhard Fontagnier.
Doch mit dem Bekenntnis “Hilfe statt Hass” kam der Streit.
Scheinbar ausgelöst durch unsere Berichterstattung. Tatsächlich aber durch die mittlerweile bestätigte Kritik, dass gewaltbereite linksradikale bis linksextreme Gruppen als Unterstützer für die Kundgebung “Mannheim sagt Ja” akzeptiert wurden und diesen antidemokratischen Kräften damit eine Art “Legitimation” verliehen wurde.
Tatsächlich deswegen, weil niemand in unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung “JA” zu dem sagen wollte, was aktuell die Debatten beherrscht: Angst.
Insbesondere Teile der CDU distanzierten sich von einer Unterstützung, auch die CDU-Stadträtin Rebekka Schmitt-Illert kam als Mitglied des Unterstützerbündnisses in Erklärungsnöte, bekannte sich zu der ursprünglichen Idee für die Demo und distanzierte sich von den problematischen Gruppen. Aus dem Bündnis ist etwas Anderes geworden.
Wir problematisierten verschiedene Entwicklung bei “Mannheim sagt Ja” in der Folge – seither ist unser Verhältnis zu verschiedenen Mitglieder dieses “Hilfsvereins” massiv gestört. Eine zunächst kooperative Zusammenarbeit mit dem früheren Stadtrat Petar Drakul, jetzt Mitarbeiter des Oberbürgermeisters, findet bedauerlicherweise nicht mehr statt, ebenso ein Austausch mit der Stadträtin Marianne Bade, beide SPD. Beide – und andere – konnten mit Kritik nicht umgehen.
Anfang vom Ende der “Willkommenskultur”?
Unsere Kritik an “Mannheim sagt Ja” ist vielfältig und aktuell. Bis heute versuchen bestimmte Personen diese seit Jahrzehnten größte Demo in Mannheim als Aufmarsch von Menschen zu interpretieren, die den Verein “Mannheim sagt Ja” unterstützen. Doch das ist nicht der Fall. Die letzte Meldung des Vereins nennt 120 Mitglieder.
Wir interpretieren die Motivation der Menschen auf der Demo vor einem Jahr anders: Das Aufkommen von Pegida im Herbst 2014 und vor allem die Attentate von Paris hatten die Menschen geschockt und eine tiefe Sorge um ein friedliches Zusammenleben trieb den größten Teil auf die Straße. Unter den Teilnehmern waren sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund und Schilder mit “Nous sommes Charlie”, “Je suis Charlie” wurden in großer Zahl mitgeführt.
Und heute? Der “Mannheim sagt Ja”-Vorstand Fontagnier hat aktuell das damalige Plakat gepostet und schreibt:
Vor einem Jahr, am 17. Januar 2015 haben wir ein großes Zeichen gesetzt und damit auch MANNGIDA verhindert. 12.000 Menschen haben daran teilgenommen und über 170 Organisationen unterstützten die Aktion. In der Folge entstand der Verein Mannheim sagt Ja! der seither wertvolle Flüchtlingshilfe leistet und Basis und Koordinator für viele Aktionen ist!
Damals waren 3.000 Teilnehmer “vorausgesagt angemeldet”. Die Polizei meinte: Warten wir mal ab, wie viele es werden. “Manngida” hat außerhalb der Behauptung von Herrn Fontagnier nie eine Rolle gespielt. Was “wertvoll” ist und wer “Basis” und “Koordinator” für “viele Aktionen” ist, bleibt fraglich.
Charlie Hebdo? Fontagnier: Großer Mist!
Kein Wort zu den Opfern von Charlie Hebdo. Kein Wort über die tote Polizistin und die Opfer im jüdischen Supermarkt. Dafür die irreführende Behauptung, man habe “Manngida”, also einen Mannheimer Ableger von Pegida “verhindert”. Dafür gibt es keinen Beleg, außer, dass es für wenige Tage mal eine so benannte Facebook-Seite gab.
Stattdessen äußert der Vereinsvorstand Fontagnier auf seiner Seite Kritik anlässlich einer neuen Karikatur, die aktuell für Debatten sorgt. Man sieht eine “Entwicklung” wie ein Jugendlicher ein Mädchen und dann ein Mann eine Frau jagen:
Ich würde immer wieder für die Meinungsfreiheit auf die Straße gehen – aber was Charlie Hebdo da abliefert ist großer Mist.
Ist “Mannheim sagt Ja” damals für “Meinungsfreiheit” auf die Straße gegangen? Oder für “Flüchtlinge Willkommen”?
Nicht zum ersten Mal fällt Gerhard Fontagnier, selbst Grafiker und eigentlich vermeintlicher Medien-Profi, durch mangelhafte intellektuelle Fähigkeiten auf. Er macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt, alles andere ist “Mist”. Deswegen wird bei ihm und anderen auch kollektiv vergessen oder geleugnet.
Schweinenasen
Der Stern-Autor Stefan Maus erklärt, wie man die Karikatur verstehen kann – als das, was Satire oft ist: Provokation. Das Spiel mit impulsiven Vorurteilen. Erst das genaue Hinschauen und das Entschlüsseln zeigt die oder mehrere Botschaften. Charlie Hebdo ist extrem, das haben wir immer wieder thematisiert – bei “Mannheim sagt Ja” gibt es keine inhaltliche Auseinandersetzung.
Der tote Junge Aylan wird in einem Kreis gezeigt – wie eine “Erinnerungsblase” oder ein “Label” – weltweit sorgte das Foto für Mitleid und Empörung als “Sinnbild”? Die Frage, was wohl aus dem kleinen Jungen geworden wäre, kann für sich stehen oder mit dem Rest der Zeichnung in Verbindung gebracht werden.
Nur auf den ersten Blick entwickelt sich der Junge zu einem “Arschgrapscher”. Auf den zweiten Blick besteht die Zeichnung aus zwei Teilen: Der Erinnerung an Aylan einerseits und andererseits einem Jugendlichen, der eine “Base-Cap” trägt und einem Mann mit Schweinenase, Hut und Schal. Wer hier den “arabischen Mann” erkennt und “Rassismus” ruft, der denkt in seinen Stereotypen. Nicht “der Araber” ist das “Schwein”, sondern “der Mann”.
Charlie Hebdo provoziert schon wieder und zwar gekonnt. Während man den Jugendlichen nicht so genau identifizieren kann – er ist noch in der “Entwicklung” – hat der Mann ein Schweinenase.
Sieht so ein Araber aus? Tragen Araber Hüte und Schals in der dargestellten Form? Oder geht es hier schlicht um Männer als Schweinenasen? Ist das wirklich “Mist” oder eine tiefgründige Provokation, die eine Entwicklung beschreibt, nämlich klein und weit weg die Erinnerung an den kleinen Aylan und die aktuelle vordergründige Sexismus-Debatte?
Wenn man weiter drüber nachdenkt – wird hier nicht absolut aktuell die Debatte zwischen sexwütigen Arabern und “Schweinenasen”-Männern aus Europa auf dem “Spot” des kleinen Jungen ultrahart thematisiert? Motto: Fasst Euch an die eigene Schweinenase, ihr sexistischen Männer?
Die Karikatur ist ein sehr gutes Beispiel, um sich die aktuelle Debattenlage vor Augen zu führen. Die ist Pro oder Contra. Falsch oder richtig. Am allerschwersten haben es Positionen, die differenzieren.
“Mannheim sagt Ja” verstört durch permanente Selbstinszenierung
Wir haben aufmerksam beobachtet, was “Mannheim sagt Ja” geleistet hat. Und das ist Einiges, allerdings muss man auch das differenzieren. Ein paar Dutzend Mitglieder haben sich als “Bahnhofshelfer” betätigt, darunter ein Vorstandsmitglied von “Mannheim sagt Ja”. Diese scheint das als Lebensaufgabe zu empfinden.
Was stört, ist die permanente Selbstinszenierung vor allem über Facebook. Das dauerhafte Marktgeschreie:
Seht her, wir helfen. Die Menschen sind so dankbar. Und hier: Wie übel ist das denn?
Andere wenige haben sich durch unermüdliches Spendensammeln verdient gemacht. Was mit diesen Spenden in unbekannter Höhe allerdings passiert, bleibt weitestgehend im Dunkeln. Transparenz ist die Sache von “Mannheim sagt Ja” nicht.
Wird tatsächlich alles freiwillig geleistet oder wie wird das Spendengeld eingesetzt? Spätestens, als der Verein ankündigte, Personen, deren Auto bei einer Spendenaktion abgeschleppt worden war, diese Kosten zu ersetzen, mussten Zweifel aufkommen: Ist das der Vereinszweck? Arbeiten wirklich alle ehrenamtlich mit dem Verein zusammen oder fließen an gewisse Personen auch Honorare? Das liegt bis heute vollständig im Dunkeln.
Selbstdarstellung und Eigennutz – ist das “Mannheim sagt Ja”?
Bis auf wenige Ausnahmen spielen die ursprünglichen Organisatoren keine Rolle im Verein, der im Frühjahr 2015 gegründet wurde. Auffällig ist die Präsenz von Gerhard Fontagnier – weniger als Vereinsvorstand denn als Wahlkämpfer. Denn der grüne Stadtrat kandidiert für die Landtagswahl im Mannheimer Norden.
Nutzt der Kandidat in unzulässiger Weise “Mannheim sagt Ja” und die gleichnamige Facebook-Gruppe etwa eigennützig? Auffällig sind auch Personen wie der Mannheimer Cover-Sänger Markus Sprengler. Gerade eben ein neues Cover aufgenommen und auf Youtube veröffentlicht – flugs wird es in der Gruppe gepostet. Was hat das mit dem Vereinszweck zu tun? Geht es hier um Unterstützung von Flüchtlingen?
Problematische “Beziehungen”
Uns liegen klare Hinweise vor, dass “Mannheim sagt Ja” mindestens mit einer Person zusammenarbeitet, die eine antizionistische/antisemitische Haltung hat. Wir haben den Verein mit Fragen dazu konfrontiert – als Reaktion kam zunächst eine Gegendarstellung von Gerhard Fontagnier und dann eine Abmahnung, die er auch als Vorstand von “Mannheim sagt Ja” zeichnet – um die juristischen Kosten über den Verein abzurechnen?
Die Facebook-Seite ist eine Gemengelage aus Postings, ganz überwiegend von einer überschaubaren Zahl von Personen und meistens Medienberichte. Eine konkrete, umfassende und kontinuierliche Darstellung der Vereinsarbeit fehlt. Stattdessen werden von überall her irgendwelche “Aufreger” gepostet und immergleiche Kommentatoren plustern sich auf. Die Aufregung ist schnell hoch und viele Reaktionen sind aggressiv. Abweichende Meinungen werden überwiegend gelöscht.
“Mannheim sagt Ja” zeichnet sich vor allem durch Aktionismus aus und Ankündigungen. Beispiel: Wir haben im Juli gefordert, dass es einen “regionalen Flüchtlingsgipfel” zur Koordinierung von Helfern geben müsse – Mitte September veranstaltet “Mannheim sagt Ja” einen “lokalen Flüchtlingsgipfel”, sehr chaotisch und seitdem hat man davon nichts mehr gehört. Insgesamt, so der Eindruck, geht es oft um den schnellen Effekt, Aufmerksamkeitshascherei. Es werden Veranstaltungen organisiert, aber eine kontinuierliche Flüchtlingsarbeit ist nicht zu erkennen.
“Mannheim sagt Ja” – ist das so?
Anfang Oktober wollte man an die Groß-Demo anschließen und feierte 800-1.000 Teilnehmer, darunter mehrere hundert “Antifa”-Aktivsten als Erfolg. Zur Erinnerung – mehrere hundert “Antifa”-Aktivisten hatten am 08. Februar die Polizei angegriffen und so den friedlichen Geist einer Willkommenskultur massiv beschädigt. Und ebenfalls zur Erinnerung: Genau diese Gruppen wurden von “Mannheim sagt Ja” als “Unterstützer” willkommen geheißen.
Ein Konstruktionsfehler von “Mannheim sagt Ja” ist, dass “Mannheim” überwiegend nicht zur dauerhaften Unterbringung von Flüchtlingen “Ja sagt”. Weil Mannheim Standort einer Landeserstaufnahmeeinrichtung ist, muss keine dauerhafte Unterbringung von Flüchtlingen erfolgen.
Ab dem Sommer sind die Flüchtlingszahlen explodiert. Ebenso in Mannheim – hier wurden teils über 15.000 Flüchtlingen in den ehemaligen US-Kasernen untergebracht – allerdings nur vorübergehend. Von hier werden die Menschen weiter verteilt.
Bis heute ist eine “Flüchtlingsarbeit”, die integrativ wirkt, so gut wie nicht vorhanden – es fehlen Konzepte, die überzeugen. Hier mal ein “Kinobesuch” für Kinder oder da mal ein Konzert auf einem Gelände mögen etwas Abwechslung verschaffen – vor allem verschaffen sie Aufmerksamkeit für die immerselben Leute, die sich per Foto-Postings auf Facebook inszenieren. Und es entsteht der Eindruck, als ginge es um eine Eventagentur und nicht um einen Hilfsverein.
Kein Konzept – keine Transparenz – keine Antworten
Entwicklungen wie “Antänzer” und sexuelle Übergriffe überfordern den Verein total – man hat keine Antwort, außer kritische Stimmen dazu als Rassismus zu brandmarken. Oder Debattenbeiträge – und seien sie satirisch – als “Mist” abzuwerten.
Unterm Strich hat “Mannheim sagt Ja” wenig Hilfe realisiert und viel “Hass” und Unfrieden gestreut. Integrative Arbeit muss auch die Einheimischen mitnehmen und deren Sorgen berücksichtigen, damit sich diese nicht in Vorurteile und möglicherweise Ablehnung entwickeln.
Das gelingt nur, indem man vermittelnd auftritt und möglichst breite Bündnisse schmiedet. Doch darum scheint es nicht zu gehen.
Der Verein “Mannheim sagt Ja” hat nichts erreicht, um “Mannheim” zu einem “Ja” zu bewegen. Die Stadt tut, was sie schon immer tut – sie “arrangiert” sich irgendwie. Aber die Vorurteile wachsen. Die Ablehnung auch. Was fehlt, ist ein “Mannheim – für alle Bürger in Frieden und Freiheit – gegen Gewalt und Kriminalität”.
Die Clique von “Mannheim sagt Ja” wird tönen: “Das ist die Schuld der Hetzer.”
Keiner von ihnen wird dabei in den Spiegel schauen. Und wenn, werden sie nur Selbstgefälligkeit sehen und nach wie vor nicht verstanden haben, was der Oberbürgermeister mit “respektvollem Zusammenleben in Vielfalt” gemeint haben könnte.
P.S. Wer Zweifel an dem intellektuellen Niveau und der Selbstinszenierung Zweifel haben sollte, liest sich folgenden Kommentarverlauf zu einem Foto durch, auf dem die “wichtigsten” Personen nach einem Jahr “Mannheim sagt Ja” posieren.
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