
Stefan Rebmann sich für mehr „soziale Gerechtigkeit“ einsetzen. Foto: Stefan Rebmann
Mannheim, 07. September 2013. (red/ld) Stefan Rebmann ist der Bundestagsabgeordnete der SPD für den Wahlkreis Mannheim. Bei der Zuwanderung aus Südosteuropa kritisiert er die Maßnahmen der Bundesregierung. Ein militärisches Einschreiten in Syrien ist für ihn keine Lösung und eine „Flüchtlingsproblematik“ für Deutschland angesichts der dramatischen Lage kann er nicht erkennen. Man müsse vor allem bedenken, was diese Menschen durchgemacht haben. Ein Gespräch über „Soziales“.
Interview Lydia Dartsch
Wie stehen Sie zu den Plänen, den klassischen Zweig der Musikhochschule Mannheim zu schließen?
Stefan Rebmann: Ich lehne diese Pläne rundweg ab. Die Musikhochschule Mannheim hat in ihrem Kampf gegen die geplanten Kürzungen, die die Schließung der klassischen Abteilung zur Folge hätte, meine uneingeschränkte Unterstützung.
Warum sollte sie nicht geschlossen werden?
Rebmann: Eine solche Schließung hat deutliche Auswirkungen auf die allgemeinbildenden Schulen, die Musikschulen und die Musikvereine in der Region. An Gymnasien mit Musikzweig fallen die Kooperationen mit der Musikhochschule weg. Es wird keine Studierenden der Musikhochschule mehr geben, die an den Musikschulen im Umkreis unterrichten.
Und die Musikvereine, Stadtkapellen und Gesangsvereine können künftig nicht mehr auf Musikerinnen und Musiker der Hochschule zurückgreifen. Außerdem spielt die Klassik-Ausbildung auch in der Tanz- oder Jazz-Ausbildung eine wichtige Rolle. Damit schadet Frau Bauer der Kultur in der Metropolregion Rhein-Neckar, dem siebtgrößten Ballungsraum Deutschlands, nachhaltig.
Wie bewerten Sie die Argumentation der grünen Kulturministerin? Für wie realistisch halten Sie die vorgeschlagenen Einsparungsziele?
Rebmann: Der Rechnungshof hat bereits sehr differenziert aufgezeigt, wie die notwendigen Einsparungen zu erbringen sind. Dort ist nicht die Rede davon, in erster Linie in Mannheim zu sparen. Ich sehe keine Notwendigkeit, von den Vorschlägen des Rechnungshofberichts abzuweichen.
Ein Zusammenschluss mit der Mannheimer Popakademie scheint doch als gute Möglichkeit, klassische und Popmusikausbildung zu verbinden. Was halten Sie von dieser Idee?
Rebmann: Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn Musikhochschule und Popakademie enger zusammenarbeiten. Dadurch bekommt die Popakademie einen stärkeren Hochschulcharakter und wird akademisch aufgewertet. Die beiden Institutionen sollten aber nicht zu sehr vermischt werden. Das entspricht auch nicht dem Anliegen des Rechnungshofes. Dieser ist in seinen Vorschlägen sehr konkret und setzt keineswegs auf die Rasenmäher-Methode.
Alle diplomatischen Mittel ausschöpfen

Stefan Rebmann diskutierte am 04. September zusammen mit anderen Abgeordneten zur Friedenspolitik im Mannheimer Gewerkschaftshaus.
Sie sind Mitglied im Unterausschuss “Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit”. In der Weltgemeinschaft wird zur Zeit heftig über einen militärischen Eingriff in den Bürgerkrieg in Syrien diskutiert. Wie stehen Sie dazu?
Rebmann: Ich lehne einen solchen Militärschlag ab. Stattdessen müssen wir alle diplomatischen Mittel ausschöpfen, also Sanktionen, Embargos, eine Anklage vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal und so weiter.
Wir müssen jetzt vor allem Russland und China dazu bewegen, hier auf Syrien einzuwirken. Ein begrenzter Militärschlag, wie von Präsident Obama geplant, ändert nichts an den Konfliktursachen. Hier ist vielmehr eine zivile Konflikttransformation notwendig.
Welche Folgen hätte Ihrer Ansicht nach ein militärischer Eingriff?
Rebmann: Die Folgen kann niemand ernsthaft abschätzen, sie sind völlig unkalkulierbar. Es besteht die ernsthafte Gefahr einer Gewaltspirale im kompletten Nahen Osten, in die der Iran, Israel und weitere Länder hineingezogen werden.
Machen die USA einen Denkfehler, wenn Präsident Obama glaubt, das Land durch einen Militärschlag befrieden zu können?
Rebmann: Ja, denn es geht den USA, bezeihungsweise, Präsident Obama nicht um eine Befriedung des Landes, sondern alleine um die Demonstration, dass mit dem Einsatz von Chemiewaffen eine Grenze überschritten wurde.
G20-Gipefel abwarten
Wo liegt dieser Fehler?
Rebmann: Durch einen solchen begrenzten Militärschlag würden die Konfliktursachen nicht beseitigt. Vielmehr würden ein solches militärisches Eingreifen viele unschuldige Opfer fordern, ohne die Konfliktparteien zum Umdenken zu bewegen.
Ein Eingreifen der UNO ist durch das erwartete Veto Russlands im UN-Sicherheitsrat ausgeschlossen. Ein alleiniges militärisches Eingreifen der USA würde den Syrienkonflikt doch zu einem Stellvertreterkrieg mit Russland erscheinen lassen. Wie sehen Sie das? Ist diese Sichtweise berechtigt?
Rebmann: Es ist nicht ausgeschlossen, dass Russland und China dem diplomatischen Druck auf Syrien, etwa durch Embargos und Sanktionen, zustimmen. Auch ein Veto gegen einen Militärschlag ist nicht garantiert. Wir sollten allerdings zunächst den G20-Gipfel abwarten. Dort ist der Syrien-Konflikt Thema.
Welche Rolle würde Deutschland bei einem möglichen militärischen Einsatz der USA in Syrien spielen?
Rebmann: Zunächst muss sich das Parlament mit einem solchen Einsatz befassen. Meine Einschätzung ist die, dass der Bundestag einem solchen Eingreifen nicht zustimmen würde. Demnach könnte es gar keine deutsche Beteiligung geben.
„Syriens Nachbarn tragen die Hauptlast“
Kritisch ist auch die Frage „Wohin mit den Flüchtlingen?“. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren ist die Zahl der Menschen, die in Deutschland Schutz suchen wieder stark gestiegen. Die Menschen, die in der Umgebung der Asylbewerberheime wohnen wissen nur wenig über die Menschen, die dort wohnen. Das führt irgendwann zu Konflikten. Was könnte von öffentlicher Seite unternommen werden, um solche Konflikte und Anfeindungen zu vermeiden?
Rebmann: Zum einen muss man ganz klar sagen, dass bisher die Nachbarländer Syriens die Hauptlast getragen haben. Der Libanon etwa hat eine Million Flüchtlinge aufgenommen, das sind 20 Prozent der eigenen Einwohnerzahl. Dagegen nimmt Deutschland gerade mal 5.000 Syrien-Flüchtlinge auf. Ich halte die Unterbringung von Flüchtlingen in Sammelunterkünften auf der grünen Wiese für kontraproduktiv und unmenschlich. Damit schadet man ihnen und der Gesellschaft, da hier die soziale Kontrolle fehlt und stattdessen eine Ghettoisierung stattfindet. Ich plädiere dafür, diese Menschen in Wohnungen in größeren Städten unterzubringen.
Was können Sie den direkten Anwohnern von Asylbewerberheimen raten. Was können sie selbst tun, um aufeinander zuzugehen?
Rebmann: Gehen Sie mit Offenheit und Freundlichkeit aufeinander zu. Außerdem sollten die Städte darüber aufklären, wer da kommt und was diese Menschen durchgemacht haben. Die meisten sind traumatisiert, haben Angehörige verloren, Grausamkeiten mit ansehen müssen. Wir müssen weg vom Bild des Wirtschaftsflüchtlings, diese Menschen sind Kriegsflüchtlinge, sie haben alles verloren.
Wie argumentieren Sie gegenüber Kritikern dieser Asylpolitik?
Rebmann: Sie sollten sich ihrer Verantwortung gegenüber der Staatengemeinschaft und der Menschenwürde bewusst werden. Wegschauen ist keine Option.
„Die Bundesregierung müsste viel stärker Druck ausüben“
Als problematisch wird auch die große Zuwanderung aus Südosteuropa gesehen – vor allem in Stadtteilen wie der Neckarstadt und dem Jungbusch. Was wird von Seiten der Bundesregierung unternommen, die Kommunen bei der Integration der Zuwanderer zu unterstützen und prekäre Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu vermeiden?
Rebmann: Die Bundesregierung macht hier viel zu wenig. Stattdessen lässt sie betroffene Kommunen wie Mannheim am langen Arm verhungern. Sie macht viel zu wenig Druck auf die Herkunftsländer der Zugewanderten, dass diese an ihrem Umgang mit ihren Minderheiten etwas ändern. Die Bundesregierung müsste hier viel stärker Druck ausüben, auch auf die europäische Ebene insgesamt.
Was unternimmt sie tatsächlich zu diesem Thema?
Rebmann: Sie hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet.
Wie bewerten Sie die Maßnahmen der Bundesregierung?
Rebmann: Die Maßnahmen sind völlig unzureichend, und das, obwohl es sehr viele konstruktive Vorschläge von Seiten der SPD und der Kommunen gab. Hier geht es vor allem um die Bereitstellung von finanziellen Mitteln, aber auch um Änderung von Bundesgesetzen, um besser gegen Missstände vorgehen zu können.
Wie bewerten Sie die Maßnahmen der Stadt Mannheim in dieser Frage?
Rebmann: Die Stadt Mannheim hat hier gut reagiert. Sie geht konstruktiv mit der Situation um, schürt keine Vorurteile, sondern hat mit dem Integrationsfonds Mittel bereitgestellt, um sowohl den Zugewanderten, als auch den Stadtteilen dabei zu helfen, Integration zu ermöglichen. Gleichzeitig geht sie gegen die Profiteure des Ausbeutungssystems in den Bereichen Wohnen, Arbeit und Prostitution vor.
„Betreuungsquote nicht ausreichend für Stadtgebiet!“

Seit August hat jedes Kind ab dem zweiten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz.“
Ein von Ihrer Partei und den Grünen gefordertes Ziel ist der Kita-Ausbau. Seit August hat jedes Kind ab dem zweiten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Die geforderte Quote von 35 Prozent wurde erreicht. Genügt das?
Rebmann: Diese Quote ist nur ein erster Schritt. Die Erfahrungen zeigen, dass gerade in Ballungszentren der Bedarf sehr viel höher als 35 Prozent liegt. Im ländlichen Raum dürfte diese Versorgungsquote dagegen ausreichend sein.
Ein Problem des Ausbaus ist der Mangel an ausgebildeten Kinderbetreuern und -betreuerinnen. Wieso gibt es so wenige? Will niemand diesen Beruf ergreifen? Wenn ja, warum? Und wie könnte man das ändern?
Rebmann: Leider hat man es trotz des sich lange schon ankündigenden Erziehermangels versäumt, den Beruf und die Ausbildung attraktiver zu gestalten. Mich wundert es nicht, dass sich die meisten jungen Menschen dagegen entscheiden, wenn sie während der Ausbildung keine Vergütung erhalten, auch später im Beruf schlecht bezahlt werden und kaum gesellschaftliches Ansehen genießen. Das ist ein typisch weiblicher Beruf, der bislang keinerlei Wertschätzung genoss.
Wenn Sie eine bessere Bezahlung und bessere Aufstiegschancen für Kinderbetreuer fordern, wo kommt das Geld dafür her? Die Kommunen müssen sich in den kommenden Jahren entschulden und teilweise große Projekte stemmen. Wie soll das ermöglicht werden?
Rebmann: Vor allem aus dem umstrittenen Betreuungsgeld.
„Konkrete Politik machen“
Worin liegt der Vorteil Ihrer Vorschläge gegenüber den Maßnahmen dieser Bundesregierung?
Rebmann: Im Gegensatz zur Bundesregierung treiben wir die Spaltung der Gesellschaft nicht voran.
Welche Themen liegen Ihnen persönlich am Herzen? Welche Punkte sollten in der nächsten Wahlperiode ganz oben auf der Agenda stehen?
Rebmann: Ich möchte, dass Deutschland wieder ein sozial gerechtes Land wird, in dem Chancengerechtigkeit herrscht, Mindestlöhne gezahlt werden und Arbeitsplätze wieder sicher und gut bezahlt sind.
Herr Rebman, die Wahl steht quasi vor der Tür. Wie geht Sie Ihrer Meinung nach aus? Welchen Ausgang würden Sie sich wünschen?
Rebmann: Alleine die Wählerinnen und Wähler entscheiden, wie die Wahl ausgeht. Ich wünsche mir natürlich ein klares Votum für die SPD und für ein rot-grünes Regierungsbündnis. Es ist höchste Zeit, dass wir wieder aus dem Ungefähren rauskommen und konkrete Politik für dieses Land machen.
Zur Person:

Rebmann bei der Podiumsdiskussion „Bock auf Wahl“ mit Mannheimer Schülerinnen und Schülern im Juli.
Der Abgeordnete Stefan Rebmann wurde am 20. Juni 1962 in Heidelberg geboren. Mit 18 Jahren absolvierte er eine berufsausbildung zum Energieanlagenelektroniker bei der BASF in Ludwigshafen und arbeitete danach bis 1991 als Qualitätsprüfer bei Frankl & Kirchner in Schwetzingen. Dort engagierte er sich im Betriebsrat.
Eine zweijährige Ausbildung zum Organisationssekretär des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) war sein Einstieg in die DGB-Arbeit in Mannheim. Zwischen 1995 und 2000 war Rebmann DGB-Kreisvorsitzenden im Kreis Freiburg und Breisgau-Hochschwarzwald. 1999 wechselte er als Vorstandssekretär des DGB-Bezirks Baden-Württemberg nach Stuttgart und war von 2004 bis 2009 DGB-Vorsitzender der Region Rhein-Neckar. Zusätzlich übernahm er ab 2007 für ein Jahr die kommissarische Stellvertretung des DGB-Bezirksvorsitzenden Baden-Württemberg. Seit November 2009 ist er DGB-Vorsitzender der Region Nordbaden.
Zur Politik kam er mit 26 Jahren und trat 1988 in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ein. Zwischen 1995 und 2000 engagierte er sich im SPD-Kreisvorstand Freiburg und Breisgau-Hochschwarzwald und war Vorstandsmitglied des SPD-Ortsvereins Freiburg/St. Georgen. Von 2006 bis 2009 gehörte er dem SPD-Landesvorstand Baden-Württemberg an. 2007 wurde Rebmann zum Vorsitzenden der SPD Schwetzingen gewählt und 2009 zum Mitglied des Schwetzinger Gemeinderats. Dieses Mandat übte er bis zu seinem Einzug in den Deutschen Bundestag 2011 aus.
Bei den Bundestagswahlen 2005 trat Stefan Rebmann als Kandidat der SPD für den Wahlkreis Schwetzingen-Bruchsal an; im Jahr 2009 für den Wahlkreis Mannheim – beide Male ohne Erfolg. 2011 rückte er für den ausgeschiedenen Peter Friedrich in den Deutschen Bundestag nach.
Dort ist Stefan Rebmann Schriftführer der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied des Ausschusses für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, des Rechtsausschusses sowie stellvertretendes Mitglied der Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft. Zusätzlich bekleidet er einen Sitz im Unterausschuss des Auswärtigen Amtes für Krisenprävention und vernetzte Sicherheit.
Neben seinem politischen Engagement spielt Rebmann als Vizekapitän im Fußballverein des Deutschen Bundestages, dem FC Bundestag. Dieser veranstaltet Spiele im Rahmen karitativer Zwecke. Durch die Initiative Rebmanns fand im vergangenen Dezember ein Benefizspiel gegen den MFC Phönix Mannheim statt.
Stefan Rebmann ist Mitglied der katholischen Kirche und Vater von zwei erwachsenen Töchtern.