Heidelberg/Rhein-Neckar, 08. August 2013. (red/pro/ch) Der CDU-Politiker Dr. Karl A. Lamers will es nochmal wissen – 19 Jahre ist er schon Mitglied des Bundestags und tritt in seinem Wahlkreis Heidelberg/Weinheim erneut an. Das Direktmandat dürfte ihm sicher sein – der rührige Abgeordnete ist sehr präsent in seinem Wahlkreis Heidelberg-Weinheim (274), aber auch auf der Bühne der internationalen Politik. Gestern startete der Wahlkampf im Rolf-Engelbrecht-Haus in Weinheim – wir haben Herrn Dr. Lamers im Rahmen unserer Kandidaten-Interviews im Vorfeld gesprochen.
Interview: Hardy Prothmann, Mitarbeit: Christopher Horn
Herr Dr. Lamers, wie kam es Ihrer Meinung nach 2011 in Baden-Württemberg zu einem Machtwechsel?
Dr. Karl A. Lamers: Nach der Atomkatastrophe in Fukushima im März 2011 war sicherlich eine starke emotionale Stimmung zu Gunsten der Grünen erkennbar. Auch Stuttgart21 sorgte für viel Aufregung – hier kamen viele Faktoren zusammen. Ich stelle allerdings nach zwei Jahren Grün-Rot eine große Ernüchterung bei den Menschen fest. Die Leute machen sich Sorgen über die Pläne, ein bewährtes Schulsystem umstellen zu wollen.
Auch die Polizeireform kommt nicht gut bei den Beamten und der Bevölkerung an. Für mich ist es zudem unverantwortlich, die Staatsschulden so explodieren zu lassen und alleine im kommenden Haushalt über drei Milliarden Euro neue Schulden aufzunehmen. Eine Katastrophe sind die Steuerforderungen der Gründen – das würde die Wirtschaft unverantwortlich belasten.
Es ist etwas Schönes, für Menschen und ihre Anliegen da zu sein.
Kommen Sie eigentlich aus einem politischen Elternhaus?
Lamers: Nein, überhaupt nicht. Ich komme aus einer Arztfamilie. Mein Vater war Arzt. Er arbeite sehr viel – war Tag und Nacht für die Menschen da. Diese Haltung habe ich übernommen und sie bestimmt mein politisches Handeln. Es ist etwas Schönes, für Menschen und ihre Anliegen da zu sein.
Sie sind Militärexperte und stellvertretender Vorsitzender im Verteidigungsausschuss des Bundestags. Soweit wir wissen, waren Sie nie bei der Bundeswehr – wie sind Sie trotzdem zum Sicherheitspolitik-Experten geworden?
Lamers:Stimmt, aus gesundheitlichen Gründen. Dass ich mich mit der Weltpolitik befassen wollte, wusste ich, seit ich zwölf Jahre alt bin. Ich war damals sehr beeindruckt von US-Präsident John F. Kennedy. Friedens-und Sicherheitspolitik ist einfach meine Leidenschaft.
Von 2010 bis 2012 war ich zwei Jahre Präsident der Parlamentarischen Versammlung der NATO und gehöre diesem Gremium heute als Vizepräsident – nach einem turnusmäßigen Wechsel im Amt des Präsidenten – weiterhin an. Dadurch hatte ich im vergangenen Jahr auf dem NATO-Gipfel in Chicago die Möglichkeit eine Rede vor allen NATO Staats-und Regierungschefs zu halten und über den Weg in eine friedliche Zukunft zu sprechen. Das war sicherlich ein Höhepunkt in meiner politischen Laufbahn.
Die Gefahren sind nicht geringer geworden
Haben Sie für unsere Leser/innen eine Kurzfassung der Rede?
Lamers: Im Kern ist es einfach: Erstens gilt es, den politischen Dialog voranzutreiben und zweitens, sich gemeinsam gegen diejenigen zur Wehr zu setzen, die uns Frieden, Freiheit und Demokratie nehmen wollen. Heute sind der Terrorismus, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, aber auch der sogenannte “Cyber War” die größten Bedrohungen. Dem gilt es, gemeinsam entgegen zu treten, wobei sich nicht alle Staaten um alles kümmern können und sollen. Gerade in Zeiten des knapper werdenden Geldes sollten sich Staaten auf ihre Hauptaufgaben konzentrieren. Das alles in die Tat umzusetzen ist in der Wirklichkeit aber oft sehr schwierig.
Bis Ende 2014 wird der ISAF-Einsatz in Afghanistan und somit auch der deutsche Kampfeinsatz dort beendet sein. Ist Afghanistan denn bereit für den Truppenabzug?
Lamers: Deutschland und auch die NATO ziehen ja nicht vollständig ab, sondern bleiben weiterhin in beratender und ausbildender Funktion dort. Es ist in den letzten Jahren viel dafür getan worden, dass die Afghanen künftig selbst für ihre Sicherheit sorgen können. Eines muss hier klar sein: Afghanistan darf keine “Never ending story” sein. Das Land muss selbst für seine Sicherheit aufkommen können.
Wie soll das gelingen?
Lamers: Wir werden bis zuletzt das heimische Militär und die Polizei so ausbilden, dass sie das auch schaffen. Darüber hinaus ist in den letzten Jahren viel dafür getan worden, das Land in einen besseren Zustand zu bringen, den Menschen wieder eine Perspektive zu geben. Heute dürfen Mädchen wieder Schulen besuchen, 80 Prozent der Menschen haben Zugang zu einer Gesundheitsversorgung. Daher erkennen die Menschen nun, dass die Taliban und Al-Quaida eben nicht ihre Zukunftsperspektive sind.
Die Folgen von politischer Verfolgung und Vertreibung erkennt man seit der vergangenen Woche auch hier vor Ort in Ladenburg. In der alten Martinsschule sind dort 71 Flüchtlinge untergebracht, einige von ihnen aus Afghanistan. Der Landrat Stefan Dallinger und der Landkreistag sprechen davon, dass man sich angesichts des Flüchtlingszustroms am Rande der Kapazitäten bewege. War die Situation Anfang der 90er Jahre nicht viel angespannter als heute?
Lamers: 1992 gab es durchaus kritische Situationen in Städten und Gemeinden. Turnhallen wurden zur Unterbringung der Flüchtlinge beschlagnahmt, damals ging es schon an die Substanz der Städte und Gemeinden. Die Akzeptanz der Bürger war nicht immer vorhanden. In Ladenburg haben alle dortigen Fraktionen und der Bürgermeister einer vorübergehenden Unterbringung der Flüchtlinge in der Martinsschule zugestimmt.
Es sieht momentan nicht so aus, als würde die Welt in den kommenden Jahren friedlicher werden, müssen wir uns auf einen noch größeren Zustrom an Flüchtlingen einstellen?
Lamers: Das sehe ich auch so – die Gefahr, die vom internationalen Terrorismus ausgeht, ist längst nicht gebannt. Schauen Sie sich nur Mali an: Auch dort war Al-Quaida auf dem Vormarsch und auch in vielen anderen Ländern gibt es Gruppierungen, die uns das Leben und die Freiheit nehmen wollen. Diese Gefahr ist nicht geringer geworden, sondern mindestens gleich geblieben.
Wenn Palästinenser und Israelis sich annähern, lösen sich viele Probleme
Was schlagen Sie vor, um das Gefahrenpotential zu reduzieren?
Lamers: Wir sollten versuchen, auf solche Gebiete stabilisierend einzuwirken. Der Schlüssel zu Terrorismus in vielen Teilen der Welt ist nach wie vor die ungelöste Nahostfrage. Wer einmal in Ramallah war, weiß, dass das so nicht weitergehen kann. Dort gibt es viele gut ausgebildeten Jugendliche ohne Zukunftsperspektive. So entsteht Fanatismus und gedeiht Terrorismus. Kommen sich Palästinenser und Israelis näher, werden sich viele dieser Probleme lösen. Wir sollten somit gemeinsam an einer Lösung des Nahost-Konfliktes arbeiten.
Sie waren zur Zeit des arabischen Frühlings in Tunesien. Wie beurteilen Sie jetzt die dortige Situation?
Lamers: Ich finde es faszinierend, wenn gerade junge Menschen auf die Straße gehen um für ihre Freiheit zu demonstrieren. Wir müssen aber aufpassen, dass der arabische Frühling nicht zu einem arabischen Winter wird. Die Gefahr ist sicherlich da. Wir sehen beispielsweise in Tunesien und Ägypten, dass islamistische Regierungen gewählt wurden, die sich nicht um die Probleme der Menschen sondern um den eigenen Machtausbau gekümmert haben. Jetzt sind die Menschen dort wieder auf der Straße und kämpfen für die Freiheit, die sie eigentlich schon 2011 errungen hatten.
Denken Sie, der Islam passt in unser Land und kann in unserer Gesellschaft seine Rolle in einem friedlichen Nebeneinander finden?
Lamers: Das denke ich schon. Ich war selbst gerade in Heidelberg zum Fastenbrechen bei der muslimischen Gemeinde eingeladen. Ich denke, alle großen Weltreligionen und die Menschen, die friedlich ihrem Glauben nachgehen, haben ein gutes Recht hier zu leben.
Ich bin selbst oft Ausländer, wenn ich in der Welt unterwegs bin. Für mich ist es immer wieder faszinierend, wenn wir über alle Religionen hinweg gemeinsam an einem Tisch sitzen. Das wichtigste in diesem Zusammenhang sind Respekt und Toleranz.
Ich bin so oft es geht im Wahlkreis unterwegs
Neben Fragen der weltpolitischen Sicherheit beschäftigen Sie sich natürlich auch mit den Problemen in ihrem Wahlkreis. Was sind hier die wichtigsten Aufgaben in der nächsten Legislaturperiode?
Lamers: Ich bin so oft es geht in meinem Wahlkreis unterwegs und besuche Vereine, Ehrenamtliche, Unternehmen und sozial engagierte Menschen. So bekomme ich auch die Sorgen hautnah mit. Ganz aktuell liegt mir die Initiative gegen Bahnlärm in Weinheim am Herzen. Tolle Leute. Ich habe dafür gesorgt, dass die Verantwortlichen dieser Initiative ihr Anliegen beim Staatssekretär im Verkehrsministerium vortragen konnten. So ein persönlicher Kontakt ist wirkungsvoller als irgendwelche Schreiben.
Zudem habe ich mich zum Beispiel für die St. Gallus Kirche in Ladenburg eingesetzt und geschafft, dass die Kirche in das Denkmalschutzsonderprogramm der Bundesregierung aufgenommen wurde. So wurden Fördergelder bereit gestellt, um diese Kirche sanieren zu können.
Das Hochwassersperrtor in Ilvesheim ist aus dem Jahr 1927 und muss daher dringend neu gemacht werden – und zwar nicht in nächster Zeit, sondern jetzt. Das habe ich dem Verkehrsminister Dr. Peter Ramsauer auch unmissverständlich mitgeteilt. Auch beim S-Bahnausbau habe ich mich – neben anderen – dafür eingesetzt, dass dieser hier in der Region bis 2015 verwirklicht wird.
Ich will das Direktmandat holen
Nicht alle setzen sich so für ihren Wahlkreis ein, wie Sie das tun. Ihr Parteifreund Dr. Stephan Harbarth zum Beispiel hat neben seinem Mandat noch 27 angemeldete Nebeneinkünfte – Sie keine. Wie beurteilen Sie das?
Lamers: Ich will nicht über Andere urteilen. Den Kollegen Dr. Harbarth schätze ich außerordentlich. Jeder entscheidet selbst, wie er Mandat und Beruf in Einklang bringt. Wie ich bereits eingangs sagte, habe ich von klein auf in einem Elternhaus gelernt, dass es wichtig ist, sich für andere Menschen einzusetzen. Aktuell bin ich wie jedes Jahr auf meiner Sommertour vor Ort unterwegs.
Dieses Jahr kommt der Wahlkampf dazu und ich strenge mich an, um wieder das Direktmandat in meinem Wahlkreis zu gewinnen. Nur auf diese Weise kann ich meine Arbeit als Bundestagsabgeordneter in Berlin engagiert fortsetzen. Mal schauen, ob das gelingt. Am Wahlabend will ich sagen können: Du hast alles gegeben – mehr ging nicht.
Zur Person:
Der Abgeordnete Dr. Karl A. Lamers (CDU) wurde 1951 in Duisburg geboren und ist seit 19 Jahren Bundestagsabgeordneter. Der studierte Jurist promovierte 1977 mit einem für damalige Zeiten exoten Thema: Ausländerwahlrecht. Heute sitzt er im Verteidigungsausschuss und ist Mitglied in der parlamentarischen Versammlung der NATO.
Der 62-jährige präsentiert sich nur im echten Leben als Abgeordneter zum Anfassen – er ist recht aktiv im Internet unterwegs und beantwortet beispielsweise Anfragen auf Abgeordnetenwatch im Gegensatz zu vielen Abgeordneten zügig und umfassend.
Am 22. September will er wieder in den Deutschen Bundestag einziehen. Bei der Wahl 2009 erreichte er 36,1 Prozent, 2,6 Prozentpunkte weniger als 2005. Sein bestes Ergebnis hatte er 1994 mit 43,2 Prozent.