Rhein-Neckar, 21. Januar 2017. (red/pro) Der Artikel ist ganz und gar unglaublich. Am heutigen Samstag berichtet die Rhein-Neckar-Zeitung über einen Afghanen, der angeblich zum Christentum übergetreten ist und dem wegen seiner Abschiebung angeblich der Tod in Afghanistan drohe. Die Zeitung nennt den vollen Namen und zeigt ein Foto des 40-Jährigen – und macht damit aus der abstrakten eine ganz konkret lebensbedrohliche Gefahr für den Mann.
Kommentar: Hardy Prothmann
Ich habe schon viel journalistische Verantwortungslosigkeit erlebt – aber was die Rhein-Neckar-Zeitung sich aktuell leistet, ist ganz und gar unglaublich.
In einem langen Text berichtet die Zeitung über einen 40-jährigen Afghanen:
Der 40-jährige M. E. (Anm. d. Red.: Im RNZ-Artikel voll ausgeschrieben.) möchte sich offen und ehrlich zum Christentum bekennen – auch wenn er dann mit dem Tod in seiner Heimat Afghanistan rechnen muss. Das ist ihm egal. Als Flüchtling fühlt er sich wie ein Mensch ohne Heimat – seine Zuflucht findet er in der Religion. Aus Enttäuschung über die Gewalt und Folter im Namen des Islams hat er sich von seiner ursprünglichen Religion abgewandt: “Ich stehe für meine christliche Religion ein.” Nun hat er kurz vor Heiligabend den Bescheid für seine Abschiebung erhalten – die theoretische Bedrohung durch Folter und Tod ist zu einer realen Gefahr geworden. Dass E. darauf besteht, mit vollem Namen und mit Bild in der RNZ zu erscheinen, hat sicherlich auch mit der drohenden Abschiebung zu tun – aber auch mit seinem Bekenntnis zum neuen Glauben. Sein Schicksal steht für Tausende, derer Leben durch Vertreibung bestimmt wird.
Später heißt es im Text:
Die Abschiebung wird damit begründet, so gibt er selbst an, dass niemand in Afghanistan von seinem Christsein weiß – und damit wäre seine Sicherheit gewährleistet. Das sieht er anders. Er fürchtet in seiner Heimat die erneute Verfolgung.
Zeitung macht sich zum Erfüllungsgehilfen
Damit macht sich die Zeitung zum Erfüllungsgehilfen – sie stellt Öffentlichkeit her. Weshalb genau Herr E. abgeschoben werden soll, wird nicht erklärt. Ganz sicher wurde aber die Abschiebung nicht damit begründet, dass niemand wüsste, dass er Konvertit ist. Höchstens der Einwand, hier liege ein Abschiebehindernis vor, könnte zurückgewiesen worden sein.
Die Folgen dieser Veröffentlichung könnten dramatisch sein – denn nun ist nicht mehr ausgeschlossen, dass man in Afghanistan vom Glaubensübertritt erfährt.
Möglicherweise könnte nun in Afghanistan bekannt werden, dass M. E. ein Konvertit sein könnte. Möglicherweise könnte durch diese Möglichkeit des Bekanntwerdens und einer angenommenen Verfolgung ein Abschiebehindernis eintreten.
Aber möglicherweise hat die Zeitung mit dieser Veröffentlichung dazu beigetragen, dass M. E. auch in Deutschland häufiger über die Schulter schauen muss, ob nicht ein fanatischer Muslim hinter dem “Murtadd” (Abtrünnige) her ist, um ihn wegen des Abfalls vom Islam zu töten. Man weiß nun, wie er aussieht, wie er heißt und in welcher Stadt in Deutschland er wohnt.
Erst die Veröffentlichung schafft das Sicherheitsrisiko
Ob es ein Sicherheitsrisiko für diesen Mann gab, durfte bislang als unklar gelten – jetzt gibt es eins. Und durch den Bericht wird der Ausreisepflichtige so eine Art Märtyrer – im Glauben so fest, dass er sich öffentlich dazu bekennt, obwohl im gerade dadurch der Tod drohen könnte. Verantwortungsloser geht es nicht.
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Die Begründung für diese Berichterstattung ist abenteuerlich: Der Mann habe “darauf bestanden mit vollem Namen und mit Bild in der RNZ zu erscheinen”. Heißt das, wenn jemand auf etwas besteht, kommt das so in die Zeitung? Ohne redaktionelle Prüfung auf die eigene Verantwortlichkeit?
Im Pressekodex ist klar unter Ziffer 8.11 geregelt:
Bei der Berichterstattung über Länder, in denen Opposition gegen die Regierung Gefahren für Leib und Leben bedeuten kann, ist zu bedenken: Durch die Nennung von Namen oder Fotoveröffentlichungen können Betroffene identifiziert und verfolgt werden. Auch kann die Veröffentlichung von Einzelheiten über Geflüchtete und ihre Flucht dazu führen, dass zurückgebliebene Verwandte und Freunde gefährdet oder noch bestehende Fluchtmöglichkeiten verbaut werden.
Pervertierte Berichterstattung
Diese Veröffentlichung ignoriert die Pressekodex-Ziffer nicht nur, sondern pervertiert sie in ihr Gegenteil. Die betreffende Person wird vorsätzlich und gezielt öffentlich gemacht, um ein Sicherheitsrisiko zu erzeugen. Ganz offensichtlich soll diese Veröffentlichung Einfluss auf die Bewertung des Ausreisepflichtigen erzeugen und eine Abschiebung verhindern. Eine versuchte Einflussnahme gegen geltendes Recht und eine richterliche Anordnung. Dreister geht es kaum. Das hat nichts mit unabhängigem Journalismus zu tun – das ist reiner politischer Aktivismus.
Dabei sind die Hintergründe vollkommen unklar. Eine systematische Verfolgung von Christen in Afghanistan ist nicht belegt. Theoretisch ist die Todesstrafe für Konvertiten möglich – faktisch gibt es dafür keine Belege, dass diese angewandt wird. Kein Wort davon in der RNZ – dort wird der Eindruck erweckt, dort drohe ganz konkret die Todesstrafe.
Open Doors und andere Fanatiker
Insbesondere Organisationen wie “Open Doors” behaupten seit Jahren, Christen würden weltweit Opfer systematischer Verfolgung. Die Methodik der “Zählung” und Auswertung dieser Nicht-Regierungs-Organisation sind mehr als zweifelhaft – mal abgesehen davon, dass insbesondere in muslimischen Ländern die absolute Mehrheit der Verfolgten selbst Muslime oder andere Glaubensgemeinschaften sind. Wie laut Zeitungsbericht angeblich Herr E. zuvor auch, da er Schiit gewesen sein soll, während die Taliban Sunniten sind. Häufig werden diese “Glaubenskriege” aber nur vordergründig inszeniert, tatsächlich geht es meist um Macht und Geld.
Was sich hingegen belegen lässt: Insbesondere Afghanen fallen seit längerer Zeit durch eine hohe Zahl von Konvertiten auf – wie im Fall eines anderen Afghanen, der vor Weihnachten abgeschoben werden sollte und bei dem das Verwaltungsgericht Karlsruhe nach eingehender Prüfung festgestellt hatte, dass der “Glaubensübertritt” rein opportunistische Gründe hatte, um eine Abschiebung zu verhindern. Offenbar geben viele Afghanen sogar an, Mitglied der Taliban gewesen zu sein – das Kalkül: Als fahnenflüchtiger Taliban sei man durch die Taliban garantiert vom Tod bedroht.
Tatsache ist, dass sich diese “Flüchtlinge” einen Fluchtgrund erst außerhalb ihres Landes schaffen. Die Vermutung liegt nahe, dass “Flüchtlingshelfer” ihre Schützlinge dazu animieren und beraten, bis hin zu juristischer Hilfe. Insbesondere im Großraum Heidelberg haben fanatische Hilfsgruppen immer wieder teils mit “persönlichem Einsatz” geplante Abschiebungen verhindert – seither werden die Abschiebetermine nicht mehr angekündigt, was wiederum zum Vorwurf der “Willkür” und “Herzlosigkeit” gegenüber Behörden führt. Das hier der Rechtsstaat tätig wird, interessiert Fanatiker nicht.
Konvertiten sind den Kirchen in Zeiten schwindender Mitgliederzahlen hoch willkommen
Auch über den ausreisepflichtigen Afghanen, dessen Abschiebung durch das Staatsministerium unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Dezember gestoppt worden war, berichtete die RNZ am 20. Januar. Der Tenor: Die evangelische Kirche halte den Mann weiter für einen gläubigen Christen. Zwar wird die Verwaltungsgerichtsentscheidung wiedergegeben, doch wird der Eindruck erweckt, dass daran erhebliche Zweifel möglich seien. Dazu wird ein “Gutachten” erwähnt – allerdings ohne inhaltliche Beschreibung.
Wir hatten den Vorfall exklusiv und kritisch beschrieben – unserer Anfrage auf Teilnahme an der “Pressekonferenz” zu diesem Fall erteilte die evangelische Kirche Nordbaden eine Absage. Vermutlich ist unsere kritische Arbeitsweise nicht im Sinne der Kirche. Über die RNZ lässt die Kirche verlautbaren, man prüfe in Zukunft “Taufgesuche” kritischer. Wie und nach welchen Kriterien? Der Leser erfährt es nicht.
Auch hier versteigt sich die Zeitung zur Nennung umfassender Informationen zur Person: Der Mann lebt in einer kleinen Gemeinde in der Nähe von Sinsheim. Im Text wird der Ort genannt, die Kirchengemeinde – es dürfte leicht sein, die Identität festzustellen und den Mann auszumachen. Nimmt man die angebliche Lebensgefahr ernst, könnte nun auch dieser Konvertit im Fokus von religiösen Fanatikern stehen. Welche eindeutigere Botschaft als einen Mord durch islamistische Fanatiker wäre vorstellbar? “Abtrünniger, Du bist nirgendwo sicher.”
Für die Kirchen sind Konvertiten in Zeiten schwindender Mitglieder ähnlich attraktiv wie für eine Bundesrepublik in Zeiten des demografischen Wandels neue Zuwanderer. In Berlin wurde Pastor Gottfried Martens bekannt, der einerseits über die Verfolgung von Christen in Flüchtlingsunterkünften schwadroniert und andererseits seine katholische Kirchengemeinde um mehrere hundert Konvertiten gar vervierfacht haben soll. Der Pastor bietet Konvertiten dreimonatige “Crash-Kurse” an.
Ein Rätsel bleibt offen
Die RNZ gibt in ihrem Artikel übrigens den Lesern noch ein Rätsel mit auf den Weg. Die Überschrift lautet: “Katholischer Afghane fürchtet sich vor Verfolgung nach Abschiebung”. In der Bildunterschrift heißt es: “M. E. ist vom Islam zum evangelischen Christentum konvertiert. Nun soll er nach Afghanistan abgeschoben werden, doch nach strengem islamischem Recht steht dort auf den Übertritt die Todesstrafe.” Offenbar wissen weder der Afghane noch die Zeitung, ob der Christ nun evangelisch oder katholisch ist. Hauptsache ein Christ, der von finsteren Muslimen verfolgt wird.
Anm. d. Red.: Grundlage unserer Berichterstattung ist das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung und nicht zu einer Ideologie, einem Glauben oder einer politischen Orientierung. Danach haben wir kritisch eingeordnet, dass Abschiebungen nach Afghanistan aus den uns zur Verfügung stehenden Informationen kritisch zu betrachten sind. Für die Anordnung von Abschiebungen sind die politisch handelnden Personen von Ländern und Bund verantwortlich. Ausreisepflichten sind insbesondere auch für Menschen in Hilfsorganisationen immer wieder belastend, weil man emotionale Bindungen aufgebaut hat – das aber ist kein Grund, rechtsstaatliches Handeln zu negieren. Neben den “zwischenmenschlichen” Aspekten betrachten wir auch immer andere Zusammenhänge. Hilfsorganisationen brauchen Hilfsbedürftige, Kirchen Mitglieder, ebenso Parteien. Eine Leitfrage ist immer: “Cui bono”, wem nützt es? Wir wägen immer verschiedene Perspektiven ab und verstehen jeden Zugewanderten, der nicht in sein Heimatland zurück will. Das Asylrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention sind aber nicht für Zuwanderungsfragen geeignet – hier ist die Politik gefragt, die leider aus unserer Sicht keine überzeugende Zuwanderungspolitik macht, obwohl klar ist, das Zuwanderung existenziell notwendig für die Bundesrepublik Deutschland ist. Ebenso wie klare rechtsstaatliche Verfahren – wenn Willkür und “Verbindungen” Recht und Gesetz nach Belieben außer Kraft setzen, wird der Rechtsstaat unterlaufen.
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