Ladenburg, 21. Januar 2017. (red/pro) Am 21. Januar wählen die Wahlberechtigten in Ladenburg einen neuen Bürgermeister, möglicherweise erstmals eine Bürgermeisterin. Unsere Redaktion ist für klare Informationen bekannt. Deswegen geben wir eine Wahlempfehlung ab, die leider Briefwähler nicht mehr erreicht. Wir berichten seit 2010 über Ladenburg und wissen, welche Herausforderungen zu meistern sind. Ladenburg hat schwere Zeiten vor sich – unsere Analyse stellt die Frage, wer diese am besten meistern kann. Wir positionieren uns zur Amtszeit von Rainer Ziegler und werfen einen Blick in die Zukunft. Es werden sehr, sehr harte Jahre.
Von Hardy Prothmann
Die Wahl eines Bürgermeisters nach der süddeutschen Ratsverfassung ist eine folgenschwere Entscheidung – denn der gewählte Amtsträger hat das Amt in Baden-Württemberg für ganze acht Jahre inne. Das ist eine äußerst lange Amtszeit.
Und: In Baden-Württemberg ist die Abwahl eines Bürgermeisters nicht vorgesehen. Übersetzt heißt das: Man kann fast alles tun und lassen was man will und niemand kann einem was. Solange man einigermaßen die rechtlichen Rahmenbedingungen einhält, keine silbernen Löffel klaut, nicht tatsächlich kriminell wird, ist man im Amt. Ob das den Leuten passt oder nicht.
Die Bürger hatten Gelegenheit, sich umfassend vor Ort bei Veranstaltungen zu informieren. Oder über Medien oder die Homepages und sonstigen Angebote der Kandidaten. Klar ist – es sind drei ernstzunehmende Kandidaten, keine „Spaßvögel“. Stefan Schmutz (SPD), Corinna Schmierz und Mario Unholz meinen es ernst mit ihrer Kandidatur.
Die Kandidaten
Alle drei sind verwaltungserfahren. Stefan Schmutz hat am meisten politische Unterstützung durch die Stadträte von SPD, Grünen und FDP. Corinna Schmierz wird von der CDU unterstützt und Mario Unholz von den Freien Wählern.
Ein kleiner Scherz, den Sie bitte nicht zu Ernst nehmen: Schmutz passt gut zum liederlische, lumpische Ladebersch. Schierz ist wohl ein Scherz und alle haben Sorge vor einem Unhold. Damit kann man Namensverbalhornungen auch schon beenden.
Viele Wähler wissen, was sie wählen – traditionell nach ihrer „parteilichen“ Zugehörigkeit, egal, ob sie Mitglied in einer Partei sind oder nicht. Die einen also eher links, also Herrn Schmutz (wobei die FDP sich wohl nicht so sieht), die anderen eher konservativ, also Frau Schierz, die anderen eher noch konservativer und parteiunabhängig, also Herrn Unholz, der zudem „Lokalpatriot“ ist und damit einen kleinen Heimvorteil hat.
Herr Unholz ist zudem der Kandidat, der ein typisches Merkmal mitbringt, was heute viele Bürgermeister haben: Immer mehr Verwaltungsfachwirte kommen in diese Ämter. Auch Juristen gibt es häufig. Bäckermeister wie ein Hansjörg Höfer in Schriesheim oder Gartenbaumeister wie ein Hans Lorenz in Dossenheim sind selten geworden.
Früher war die Verbundenheit mit der Gemeinde obligatorisch – „der is änna von uns“ war im Zweifel immer ein ausschlaggebendes Argument für einen Kandidaten. Das ist immer mehr Geschichte. Der Trend geht auch klar zu parteipolitisch unabhängigen Kandidaten, die nicht auf „einem Ticket“ fahren. Somit liegt Herr Schmutz im Trend – er hat drei Tickets, Frau Schierz ist außen vor, sie hat nur eins und Herr Unholz wird zwar von den Freien Wählern unterstützt, aber die sind keine Partei, sondern nur eine Wählervereinigung.
„Känna von uns“ aber für alle da
Der scheidende Bürgermeister Rainer Ziegler (SPD) hat 16 Jahre lang die Geschicke Ladenburgs geprägt. Seit 2010 haben wir das journalistisch begleitet. Auch er war schon eine Ausnahme von der Regel – er blieb in seinem Wohnort Dossenheim wohnen. Damit war er „känna von uns“ nach der alten Regel. Aber er hat sich souverän für „sein Ladenburg“ eingesetzt und war sehr präsent in der seiner Gemeinde, die die zweitälteste Stadt Deutschlands ist.
Man muss mit Herrn Ziegler aber auch kritisch umgehen – er hat sich nicht ins gemachte Nest gesetzt, sondern viel bewegt. Aber oft war er zu zögerlich und hat sich seiner Partei und den Interessen der Gemeinderatsfraktionen gebeugt. Denn er wollte gefallen. Herr Ziegler ist zweifelsohne ein guter Bürgermeister gewesen, aber auch ein eitler, der den Konsens zu oft seinem Harmoniebedürfnis geopfert hat.
Und oft musste er auch peinliche Situationen weglächeln, weil die Vorbereitung auf Sitzungen unzureichend war. Und ganz oft kamen weitere Kosten ans Licht, die „niemand vorhersehen konnte“.
Schade, dass keiner aufs Ganze ging
Den drei neuen Kandidaten, von denen nur einer gewinnen kann, ist diese Lage ganz offensichtlich nicht klar. Sonst wären sie auf Ganze gegangen. Solch einen Kandidaten hätte ich mir für Ladenburg gewünscht: Ganz oder gar nicht. Stattdessen gibt es drei Kandidaten, die sich kaum voneinander unterscheiden, gefallen wollten und um Wählerstimmen buhlten, anstatt klipp und klar zu sagen, wofür sie einstehen.
Denn das ist vor der Wahl klar und wer sich hinterher überrascht zeigt, ist entweder naiv oder Idealist: Die neue Frau, der neue Mann im Amt wird acht sehr, sehr harte Jahre vor sich haben. Denn die fetten Jahre sind vorbei.
Harte Zeiten für Ladenburg
Das heißt nicht, dass es mit Ladenburg „den Bach runtergeht“. Das ist Quatsch. Vergleicht man die Haushalte von Ladenburg und Heddesheim oder Hirschberg, drei Gemeinden, die in etwa gleich groß sind, wird schnell deutlich, was gemeint ist. Über viele Jahre sprudelten die Gewerbesteuereinnahmen für Ladenburg wie ein Füllhorn der immerwährenden Freude. Geld, Geld und noch mehr Geld floss in die Kassen und machte eine „Wohlfahrt“ sondergleichen möglich. Damit ist es auf absehbare Zeit aber vorbei.
Ob man das der Amtszeit des Herrn Ziegler oder einem sparunwilligen Gemeinderat anlasten will, oder beiden – dafür reicht hier der Platz nicht. Klar ist: Die Debatte um Einsparungen bei den Fähnchen zum Altstadtfest mögen manchen als „lächerlich“ empfunden haben. Tatsächlich ist das symbolisch. Ladenburg wollte über viele Jahre Stadt sein und bedeutend. Die Schlote, die das Geld brachten, qualmten vor herrlicher Altstadtkulisse. Die Schlote gehen aus und die herrliche Altstadt ist ein absoluter Kostenfaktor.
Bei der Sanierung des Gymnasiums tauchten „überraschend“ immer neue Kosten auf. Die Flüchtlingsunterbringung in der alten Martinsschule kam „überraschend“ – überhaupt gab es vermehrt Überraschungen in den vergangenen Jahren und dieser Trend ist absehbar nicht vorbei. Symbolisch gingen sogar schon mal die Lichter aus, um „Kleckerles-Ausgaben“ zu sparen. Dafür wurde die Feuerwehr teils mit unhaltbaren Aussagen getriezt: „Muss ein Löschfahrzeug eine Automatik haben?“ – es war oft peinlich im Gemeinderat bis zur Schmerzgrenze.
Drei Kandidaten – aber wenig Mühe um das Amt
Verantwortliche Wähler/innen haben nun – ich muss sagen leider – nur drei geeignete Kandidaten vor sich, von denen keiner sich klar positioniert hat, was er für die Stadt tun will, wo es schmerzhaft wird und wie man durch die kommende Krise kommen soll. Klar, man findet ins Amt, aber ich habe den Eindruck, dass jeder Kandidat sich erst die Mühe macht, wenn die achtjährige Amtszeit besiegelt ist. In der freien Wirtschaft wären diese Kandidaten – das muss man so klar sagen – allesamt glatt durchgefallen. Man hätte neu ausgeschrieben. Klar ist auch – die Mühe wird mit dem Amt kommen.
Neuwahl deutet sich an
Nach unserer Einschätzung wird am Sonntag kein Kandidat die nötigen 50 Prozent plus eine Stimme gewinnen. Es wird in eine Neuwahl gehen. Ob dann alle nochmals antreten, darf bezweifelt werden. Die beiden bestplatzierten werden es unter sich ausmachen wollen.
Was ist also unsere Wahlempfehlung? Wir haben keinen klaren Favoriten. Sie als Wähler/in müssen für sich entscheiden, wem Sie es zutrauen, acht harte Jahre durchzustehen – mit teils sehr unpopulären Entscheidungen, mit denen man sich keine Freunde macht. Also Entscheidungen, die nicht die Eitelkeit bedienen und Sonnenschein versprechen.
Die Ladenburger/innen haben eine sehr, sehr schwere Wahl vor sich.
Anm. d. Red.: Wir haben keine Präfererenz für einen den Kandidaten. Es gibt auch keine geschäftlichen Beziehungen zu einem der Kandidaten – keiner hat bei uns Werbung geschaltet (was uns sowieso nicht beeindruckt, weil wir Redaktion und Anzeigen immer trennen). Über einen Kandidaten haben wir vor einigen Tagen kritisch im Vorfeld berichtet. Über alle ausgewogen zuletzt hier.