Rhein-Neckar/Stuttgart, 16. Januar 2017. (red/pro) Dieter Schäfer ist Polizeidirektor in Heidelberg und leitet kommissarisch die Verkehrspolizeidirektion Mannheim. Und Dieter Schäfer ist ein bundesweit bekannter Polizist – seine Aktion gegen Poser in Mannheim ging durch alle großen Medien. Doch das Innenministerium will den Mann nicht zum Leitenden Polizeidirektor und tatsächlichen Chef der Verkehrspolizei machen – dagegen hat Dieter Schäfer geklagt und vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe gewonnen. Der Streit ist noch nicht vorbei und könnte bis vors Verfassungsgericht gehen.
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Von Hardy Prothmann
Es gibt keinen gefährlicheren Gegner als jemanden, der nichts zu verlieren hat und entschlossen ist. Polizeidirektor Dieter Schäfer ist so ein Typ – dazu erfolgreich und im richtigen Alter. 2019 geht er in Pension. Er leitet seit dem 01. Januar 2014 die Verkehrspolizeidirektion – allerdings nur kommissarisch. Auf seinem Konto stehen viele Erfolge. Er hat Prinzipien und will befördert werden. Vom Land sieht er sich übergangen. Deswegen klagte er und hat in erster Instanz gewonnen.
Dieter Schäfer hat keine Karriereleiter mehr vor sich, sondern nur noch eine Stufe. Deswegen muss er auch nicht abwägen, ob er “Schwierigkeiten” bekommen könnte, wenn er sich gegen seinen Arbeitgeber, das Land Baden-Württemberg, auflehnt.
Erfolge in Serie
Dieter Schäfer ist zudem bekannt dafür, dass er einen eigenen Kopf und eine eigene Meinung hat. Wer ihn kennt, weiß, dass man mit ihm reden kann. Man weiß aber auch, dass Herr Schäfer sehr “prinzipiell” werden kann, wenn ihm etwas stinkt. Und das Besetzungsverfahren für die Leitung der Verkehrspolizei stinkt ihm gewaltig. Er fühlt sich ungerecht behandelt und übergangen.
Vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe hat er klar gewonnen. Am 15. Dezember teilte das Gericht mit, dass die bereits erfolgte Besetzung der Stelle mit einem anderen Beamten rückgängig gemacht und Herr Schäfer neu beurteilt werden muss, um eine reale Chance auf die Besetzung der Stelle zu haben.
Ich bin auf dem Zenit meines Erfolgs – mir geht es nicht ums Geld. Ich will, das Leistung anerkannt wird,
sagt Dieter Schäfer. Seine Erfolge können sich sehen lassen. Ob die Aktion “Aktion plus5”, durch die die Zahl von Fahrradunfällen in Heidelberg feststellbar reduziert wurde oder die “Poser”-Kontrollen zum Jahresende in Mannheim, die bundesweit in allen großen Medien viel Aufmerksamkeit erregte. Auch die Aufdeckung mutmaßlicher Korruptionen bei Kurzkennzeichen geht auf die Kappe seiner Direktion.
Dieter Schäfer ist faktisch der Leiter der Verkehrspolizeidirektion Mannheim, von der A15-Stelle her aber “nur” Leiter des Verkehrskommissariats in Heidelberg. Die A16-Stelle als Leitender Polizeidirektor sollte an einen Beamten vergeben werden, der für das Landeskriminalamt tätig ist, das Gehalt bezöge, den Dienst aber nie antreten würde. Mit der “Wahrnehmung der Aufgaben” wurde Dieter Schäfer betraut.
Gericht bemängelt Personalentscheidung als “nicht optimale Aufgabenerfüllung”
Das Verwaltungsgericht stellte fest:
Die lediglich auf dem Papier stehende Übertragung des Dienstpostens an den als bestgeeigneten Bewerber ausgewählten Beigeladenen dient mithin nicht der optimalen Aufgabenerfüllung, sondern offenbar allein dem Ziel, den Beigeladenen auf der diesem Dienstposten zugeordneten Planstelle in das zugehörige Statusamt befördern zu können. (…) Im vorliegenden Fall ist jedoch der zeitliche Rahmen der „vorübergehenden Übertragung” einer Tätigkeit bei einer anderen Dienststelle schon jetzt mehr als deutlich überschritten.
Weiter sei die Beurteilung des Polizeidirektors “fehlerhaft”, die “Zulässigkeit” des anderen Bewerbers sei “fraglich” und Herr Schäfer ansonsten besser oder gleich wie andere Bewerber beurteilt. Sprich: Das Gericht hat die Vergabepraxis des Innenministeriums glatt kassiert.
Man stelle sich das in der freien Wirtschaft vor. Ein Geschäftsführer macht den Job eines Direktors, der irgendwo anders andere Aufgaben hat, aber wie ein Direktor bezahlt wird, während der Geschäftsführer jeden Tag verantwortlich wie ein Direktor handeln muss – unvorstellbar? Nicht in der baden-württembergischen Bürokratie.
Herr Schäfer proklamiert für sich, die erfolgreichste Verkehrspolizei im Land zu führen. Die 270-köpfige Mannschaft sei hochmotiviert und effizient:
Unsere Erfolge sind spitze. Ich und meine Leute bringen volle Leistung für das Land und die Bevölkerung,
sagt Herr Schäfer, den andere Medien als “selbstbewusst” beschreiben. “Selbstbewusst” ist Herr Schäfer tatsächlich – im Wortsinn. Der Mann kennt alle Vorschriften und führt diese auch penibel aus – aber er macht keinen Dienst nach Vorschrift. Er reflektiert seine Arbeit immer in Bezug auf die Menschen und die Gesellschaft und seine eigene Rolle dabei.
Der sich selbst Bewusste
Ein Beispiel: 2013 leitete er einen Einsatz in Ladenburg. Die NPD hatte eine Kundgebung angemeldet und es gab eine Gegenkundgebung. Herr Schäfer appellierte damals an die Gegendemonstranten: “Ich möchte Sie als echte Demokraten erleben.” Sein Einsatzkonzept: Die NPD hält ihre Kundgebung am zugewiesenen Ort. Mit 30 Meter Abstand sollten die Gegendemonstranten aufziehen können. Keine Gitter dazwischen, keine Polizeikette, sondern “Auge in Auge”, “Meinung” gegen “Meinung”, mit dem expliziten Hinweis, die Gegendemo dürfe ruhig laut sein. Aber der Korridor von 30 Metern sei einzuhalten.
Die Gegendemonstranten hielten sich nicht an das Konzept, sondern gingen auf die NPD-Mitglieder los. Es folgte eine Polizeikette, weil die Stimmung zu aggressiv wurde und die Lage zu eskalieren drohte. Dieter Schäfer hatte mit seinen Beamten die Lage im Griff. So gesehen war der Einsatz erfolgreich – inhaltlich hingegen nicht, denn die Gegendemo zeigte sich wenig demokratisch. Für Herrn Schäfer eine Enttäuschung, aber keine, mit der er hadert: “Ich würde das bei Gelegenheit wieder so machen und auf Vernunft hoffen.”
Mit seinem Buch “Die Gewaltfalle” erzielte er bundesweite Aufmerksamkeit. Das Buch arbeitet den “Kurdenkrawall” vom Herbst 2012 auf dem Maimarktgelände auf. Herr Schäfer war Einsatzleiter, als urplötzlich hunderte Kurden die Polizei angriffen. Zuvor war einem Jungen von Beamten eine verbotene politische Flagge abgenommen worden – die Provokation ging eindeutig von den Kurden aus. Es ging ein Steinhagel auf die Beamten nieder – über 70 Polizisten wurden verletzt. Die Angreifer versteckten sich zwischen Frauen und Kindern, so dass die Polizei nicht “durchziehen” konnte, ohne diese zu gefährden.
Die Situation war derart brenzlig, dass ein Schusswaffengebrauch bevor stand. Dieter Schäfer befahl den Rückzug auf Distanz – also halten, aber nicht durchsetzen. Wer selbst vor Ort war (wie das Rheinneckarblog), weiß, dass dies die einzig richtige Entscheidung zur Deeskalation und zur Vermeidung von Körperschäden war.
Leistungsträger, aber kein Karrierist
Die massive Aggression und Gewalt haben Dieter Schäfer umgetrieben – er “musste” zur “Aufarbeitung” dieses Buch schreiben, das wir allen empfehlen können, die sich mit Polizeiarbeit beschäftigen. Das Buch erzählt auch viel über den Autoren – ein akribischer Polizist und Beamter, der zweifellos mit beiden Beinen auf dem Boden den Rechtsstaat durchsetzt, aber eben auch ein nachdenklicher und gesellschaftlich agierender Mensch, der über Ursachen, Wirkungen und Lösungen nachdenkt. “Sich selbst bewusst” also, als Mensch, über seine Aufgaben als Beamter, aber eben auch mit Blick auf die Menschen und seine Kollegen. Dabei scheut Herr Schäfer nie den Kontakt zur Öffentlichkeit.
Dieter Schäfer ist ein herausragender Leistungsträger der Polizei – aber kein Karrierist. Mit seiner Besoldung A15 ist er in der vorletzten Stufe angekommen und finanziell abgesichert. A16 bringt brutto einige hundert Euro mehr – aber darum geht es Herrn Schäfer nicht, wie er sagt:
Ich möchte zutreffend nach meiner Leistung beurteilt werden. Das Urteil des Verwaltungsgerichts hat festgestellt, dass das eben nicht der Fall war.
Im März hatte das Verwaltungsgericht die Stellenbesetzung gestoppt und am 15. Dezember das Urteil vorgelegt – voll im Sinne von Herrn Schäfer. Das Innenministerium sieht das weiter anders und hat am 03. Januar Rechtsmittel eingelegt – nun muss der Verwaltungsgerichtshof Mannheim entscheiden. Dort ist die Beschwerde heute eingegangen. Weitere Beweismittel werden nicht mehr aufgenommen, eine mündliche Verhandlung wird es auch nicht geben, sondern einen relativ zeitnahen Beschluss, der das Urteil bestätigt oder verwirft. Damit ist der Verwaltungsgerichtsweg abgeschlossen – die jeweils unterlegene Seite könnte dann aber vor dem Verfassungsgericht Baden-Württemberg oder dem Bundesverfassungsgericht Karlsruhe Verfassungsbeschwerde einlegen.
Was folgt auf die Klage?
Warum das Innenministerium Herrn Schäfer faktisch den Job machen lässt, ihm aber Geld und Stellung verweigert, ist nicht bekannt. Auf Anfrage wies man auf das laufende Verfahren hin und wollte sich nicht äußern. Mit “Nicht-Wissen” kann sich niemand herausreden, was die Person und den Charakter Schäfer angeht – Landespolizeipräsident Gerhard Klotter war in Mannheim Polizeipräsident und kennt Herrn Schäfer gut.
Das Urteil ist kein Präzedenzfall, sondern behandelt mich als Einzelfall. Mein Schutzmantel ist mein Erfolg. Ohne nachweisbaren Erfolg wäre die Klage sinnlos gewesen. Ich bin sehr froh, dass das Verwaltungsgericht meine Erfolge eindeutig bestätigt,
sagt Herr Schäfer.
Was nun folgt, weiß niemand. Ist Dieter Schäfer in Stuttgart in Ungnade gefallen? Wird man dort nun zu jeder Schikane greifen, die dienstrechtlich möglich ist? Dieter Schäfer ist 59 Jahre alt und will ein Jahr verlängern. Er geht dann im März 2019 in Pension. Mögliche Schikanen treffen ihn nicht – getroffen ist er schon. Durch die Nicht-Anerkennung seiner Leistung. Auf Facebook schreibt er öffentlich:
Kennst du diesen stillen Schrei nach Gerechtigkeit, der einfach nicht verstummen will, der dich tagein und tagaus begleitet, dich oft zweifeln lässt und manchmal so laut in dir dröhnt, dass du verzweifeln könntest?
Das zeigt, wie missachtet Herr Schäfer seine Leistung für das Land und die Menschen sieht. Das macht den Fall so brenzlig – für die Polizeiführung. Denn bei der “Causa Schäfer” geht es zwar um eine Führungskraft der Polizei, aber eine mit Bodenhaftung, einen Chef, der eng bei seinen Leuten ist – also an der Basis. Und das “Raumschiff Stuttgart” sehen viele dort als weit weg an: “Die interessieren sich nicht für uns”, sagen Beamte, mit denen wir in Kontakt stehen.
Bei der “Causa Schäfer” geht es um mehr als eine Beförderung
Die “Causa Schäfer” hat also eine viel umfassendere Bedeutung als den Streit um die Besetzung einer Stelle. Es geht um Respekt der Führung gegenüber der Mannschaft beziehungsweise die fehlende Anerkennung. Dazu kommt die enorme Zunahme der Belastung der Beamten, die in den kommenden zwei Jahren nochmals zunehmen wird, weil durch Pensionierungen mehr Beamte aus dem Dienst gehen als neu hineinkommen.
Das alles wirkt sich möglicherweise negativ auf die Moral “der Truppe” aus – nicht auszudenken, wenn immer mehr Polizisten nur noch Dienst nach Vorschrift machen würden. An Dieter Schäfer wird es nicht liegen, der wird weiter ranklotzen, weil er eben so gestrickt ist und sich keine Blöße geben wird.
Eine Anerkennung hat er sicher – die seiner Leute an der Basis, denn Herr Schäfer muss zwar viel vom Schreibtisch aus machen, er ist aber immer draußen mit dabei. Vielleicht ist er aus Sicht einer Raumschiffbesatzung deshalb zu “geerdet”.
Drohen kann im keiner, dass seine “Karriere” leiden könnte. Er ist bekannt und beliebt. Und das macht ihn für Stuttgart gefährlich. Denn wenn ihm dort die verdiente Anerkennung vorenthalten wird – wird sich jeder Polizeibeamte, der noch viele Dienstjahre vor sich hat, die Frage stellen, was passiert, wenn man mal Anerkennung für Leistung einfordert. Das macht die “Causa Schäfer” zu einer hochpolitischen Sache.