Rhein-Neckar/Ladenburg, 20. Januar 2017. (red/pro) Aktualisiert. Wir haben aktuell zu einem Ermittlungsverfahren gegen einen Ehepartner einer Kandidat/in im Rahmen der Bürgermeisterwahl in Ladenburg berichtet. Andere Medien haben vom Verfahren gewusst – und geschwiegen. Ist das schon Lügenpresse oder noch objektive Nicht-Berichterstattung?
Von Hardy Prothmann
Die Entscheidung für die Publikation des Textes fiel schwer – wie so oft. Es galt, öffentlich gegen privat abzuwägen. Privat ist privat ist eine unserer redaktionellen Devisen. Aber: Was öffentlich relevant sein könnte, sollte öffentlich werden.
Im vorliegenden Fall steht ein Ehepartner der drei Bürgermeister-Kandidat/innen vor Gericht – nicht wegen eine Lappalie, sondern weil einem Menschen eine scharfe Schusswaffe vorgehalten wurde. Weil es zu dramatischen Szenen und körperlichen Verletzungen gekommen ist. Es erging ein Gerichtsurteil und vermutlich muss dieses neu verhandelt werden, weil Berufung eingelegt worden sein soll. Dazu haben verschieden Medien berichtet.
Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Aber weil der Ehepartner im Wahlkampf eines der “Kandidat/innen” öffentlich gemacht worden ist und weil auch nach unserer Anfrage diese Öffentlichkeit nicht beendet worden ist und es keinen Versuch gegeben hat, Öffentlichkeit und Privatheit zu trennen, haben wir uns entschieden, den Umstand öffentlich zu machen.
Denn er ist relevant. Grundsätzlich gilt die Unschuldsvermutung und wir haben genau nicht vorverurteilt. Wir haben aber auf massive Vorwürfe hingewiesen – ebenso wie auf die Tatsache, dass keiner der Kandidat/innen persönlich beschuldigt wird.
Trotzdem ist die Sache relevant. Wenn es zu einem Freispruch kommen sollte, sind die Vorwürfe ausgeräumt. Nach unserer Einschätzung – die auf Recherche basiert – ist das unwahrscheinlich. Wenn es zu einer Verurteilung kommt, könnte einer der Kandidat/innen den Posten des Bürgermeisters einer Gemeinde bekleiden und mit einem verurteilten Straftäter zusammenleben, der eine Waffe auf einen Bürger gerichtet haben soll. Ist das vorstellbar?
Das ist unvorstellbar und nicht mit dem Amt vereinbar. Das ist unsere Meinung.
Dieser Vorfall, so er sich zugetragen haben sollte und verurteilt werden könnte, ist nicht plötzlich eingetreten, sondern 2015. Wer mit einer solchen Bürde in einen Wahlkampf geht, muss Antworten haben. Wir haben nachgefragt und nur ausweichende Antworten erhalten.
Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, den Vorgang öffentlich zu machen. Denn wenn es zu einer Verurteilung kommen sollte, die in erster Instanz bereits ergangen ist, aber schwebt, weil Berufung eingelegt worden sein soll, ist offen, ob der zukünftige Bürgermeister/Bürgermeisterin möglicherweise mit einem Straftäter zusammen lebt.
Das ist absolut relevant und von absolutem öffentlichem Interesse. Denn die mutmaßliche Tat geschah im öffentlichen Raum, es geht um das Verhalten eines Beamten und es wurde und wird in der gerichtlichen Öffentlichkeit verhandelt.
Das Amt des Bürgermeisters, der Bürgermeisterin ist ein hohes Amt, eins, das Respekt verlangt und fordert. Der Job ist knallhart und kein Zuckerschlecken. Jemand in diesem Amt ist sehr, sehr hohen Belastungen ausgesetzt und dringend auf stabile familiäre Verhältnisse angewiesen – sonst kann man das kaum durchstehen.
Das Amt fordert immens – erkennbare private Probleme sind hinderlich. Insbesondere, wenn diese schon im Vorfeld erkennbar sein könnten.
Wir sind insbesondere bei Facebook angegriffen worden. Das sei doch “schlimmer als Bild”, “unanständig”, eine “Schmutz”-Kampagne.
Wir stellen dazu fest: Wir wurden nicht durch einen der anderen Kandidaten informiert. Wir hatten nur einen Hinweis eines befreundeten Journalisten. Und die Recherche war schwierig, da wegen “Zwischen-den-Jahren” und Urlaub entscheidende Quellen nicht sofort erreicht werden konnten.
Unser Leserschaft erhält mit dieser Veröffentlichung die wie gewohnt weitestgehend mögliche Transparenz zu unserer Arbeit.
Und auch eine Einschätzung: Den/die betreffende Kandidat/in halten wir für ungeeignet im Amt. Nicht aus fachlicher Qualifikation, sondern wegen eines vollkommen naiven Umgangs mit dem Thema. Wir hatten vor einiger Zeit dazu angefragt, haben relativ zeitnah eine Antwort erhalten und den Eindruck, dass die Relevanz nicht im Ansatz begriffen worden ist. Wer so reagiert, ist nicht geeignet, echte Krisen zu bewältigen.
Selbstverständlich ist der/die Kandidat/in nicht persönlich für mutmaßliche Verfehlungen eines Ehepartners verantwortlich – aber ein ordentliches Verhalten und geordnete Verhältnisse gehören zu einem Träger eines solchen herausragenden Amts. Das ist kein Kirmes-Job.
Uns besorgt, dass offenbar in anderen Redaktionen unsere Informationen ebenfalls bekannt waren, aber kein Medium außer uns eine klare redaktionelle Richtlinie fährt und man lieber schweigt.
Das beschädigt die Glaubwürdigkeit von Medien und befördert den Eindruck der Lügenpresse. Andere Medien haben vor der Wahl noch kurz Zeit, diesen Eindruck zu korrigieren.
Wir vermuten, dass dies nicht der Fall sein wird.
Aktualisierung, 20. Januar 2017, 13:04 Uhr: Das Polizeipräsidium Darmstadt hat uns mitgeteilt, dass die betroffene Person bis zum Abschluss des Verfahrens vom Polizeidienst suspendiert bleibt. Ob danach ein Verbleiben im Polizeidienst möglich ist, ist offen.
Schätzen Sie diese Art von Artikeln? Die Transparenz? Die Analyse? Die Haltung?
Dann machen Sie andere Menschen auf unser Angebot aufmerksam. Und unterstützen Sie uns als Mitglied im Förderkreis – Sie spenden für unabhängigen, informativen, hintergründigen Journalismus. Der kostet Geld und ist ohne Geld nicht zu leisten. Wir arbeiten professionell mit hohen Standards, aber wir sind kein “Mainstream” – sondern ehrlich, kritisch, transparent und meinungsfreudig. Hier geht es zum Förderkreis.” Sie können auch per Paypal spenden.
Teile unseres Angebots sind gebührenpflichtig: Wenn Sie uns mit mindestens 60 Euro Jahresbeitrag unterstützen, können Sie einen Förderpass erhalten, mit dem Sie auf alle kostenpflichtigen Artikel zugreifen können. Wie das geht, steht hier.
Das Angebot für den “Förderpass” gilt nur für private Nutzer. Gewerbliche Nutzer können einen Mediapass für 10 Euro monatlich für einen pauschalen Zugriff erwerben. Dieser ist monatlich kündbar.
Wenn Sie eine Überweisung tätigen wollen, nutzen Sie bitte auch das Förderkreis-Formular (erleichtert uns die Verwaltung). Dort können Sie einen Haken setzen, dass Sie nur überweisen wollen. Alle Förderer und Spender erhalten eine Rechnung.
Den größten Teil unserer Einnahmen erzielen wir über Werbung, seit Ende September machen wir einzelne Artikel kostenpflichtig über den Dienstleister Selectyco für kleine Cent-Beträge. Insgesamt ist die Finanzierung unserer Arbeit immer noch heikel und Sie tragen durch den Kauf von Artikeln, Förderkreisbeiträge und Spenden dazu bei, unser Angebot zu ermöglichen. Danke dafür!