Rhein-Neckar, 14. Dezember 2016. (red/pro) Laut einem Bericht der Weinheimer Nachrichten geht das Engagement in der Flüchtlingshilfe zurück. Die Gründe: Überforderung und Frust. Das Rheinneckarblog hatte diese Entwicklung bereits im Sommer 2015 „vorausgesehen“ – passiert ist seither wenig. Nun stellen offenbar immer mehr engagierte Bürger die Hilfe ein.
Dieser Artikel ist gebührenpflichtig. Warum? Das lesen Sie kostenfrei hier.
„Ein Jahr Flüchtlingskrise – wie sieht es im Lokalen aus.“ Schnell wurde anhand von Erzählungen aus den Reihen der Asyl-Arbeitskreise in Schriesheim und Ladenburg deutlich: Der Trialog zwischen Verwaltung, Politik und Ehrenamtlichen klappt nicht gut genug – jedenfalls nicht überall und zu jeder Zeit. Es gebe keine optimale Zusammenarbeit zwischen Ehren- und Hauptamtlichen, besonders mit dem Rhein-Neckar-Kreis, hieß es.
So steht es aktuell in der Lokalzeitung.
Wir berichteten am 13. Juli 2015 unter der Überschrift „Wir brauchen einen regionalen Flüchtlingsgipfel„:
Die Gefahr, dass Ehrenamtliche sich wegen Überforderung zurückziehen, ist enorm. Denn nicht nur die zeitliche, auch die emotionale Belastung ist teils enorm. Und jeder, der aussteigt, nimmt sein Wissen mit, das anderen fehlt. Wir können uns eine solch kolossale Verschwendung von Ressourcen überhaupt nicht leisten.
Im Text fordern wir die Einrichtung von professionellen Büros zur Unterstützung der Ehrenamtlichen – aber nicht bei den Gemeinden, nicht beim Landkreis, sondern unabhängig davon. Den Abgeordneten und Lokalpolitiker im Berichtsgebiet haben wir diese Idee mitgeteilt – Reaktionen kamen keine.
Diese Entwicklung hätte man also schon lange im Blick haben können – aber niemanden reagiert.
Ein Jahr später, am 17. August 2016 berichten wir unter der Überschrift „Überforderte Flüchtlingshelfer„. Für andere Medien immer noch kein Thema. Darin heißt es:
Sie wollen Gutes tun und setzen sich für andere Menschen ein. Sie opfern ihre Freizeit. Sie handeln aus Überzeugung. Sie spenden Hab und Gut und Geld. Ohne das freiwillige Engagement wäre die Flüchtlingskrise, deren Zuspitzung vor einem Jahr massiv wurde, nicht zu bewältigen gewesen. Diese freiwillige ehrenamtliche Hilfe wird zu Recht auch über alle Maßen gelobt – doch es gibt sehr große Probleme, die verschwiegen und nicht offen debattiert werden.
Das liegt auch an den Flüchtlingshelfern, die ja nichts Schlechtes sagen wollen. Denn das könnte ja sie und ihre Schützlinge bedrohen. In den Weinheimer Nachrichten heißt es jetzt:
Wenn Flüchtlinge in der Anschlussunterbringung in den Kommunen ankommen, scheint sich plötzlich keiner mehr zuständig zu fühlen. Die Sozialarbeit bleibt an uns hängen“, empörten sich Friedel Zinn und Ursula Prandhoff aus Schriesheim. Berichte aus dem Alltag mit Schulen, Kitas oder Arbeitsamt zeigten, wie „Formulare, Schikane und Unvermögen zermürben.
Weiter heißt es, in Schriesheim seien von 50 Helfern nur noch 30 aktiv. In Ladenburg von ehemals 150 Helfern gar nur noch 60. Die emotionale Überforderung wird auch dargestellt:
Auch das sorgt für Frust. Da engagiert man sich, die Familien sind längst gut integriert – und dann werden sie morgens um 7 Uhr einfach abgeholt und weggebracht.“ Keller regte an, dass „die Politik uns Ehrenamtliche fragen soll, welche Familie vor Ort ein wertvoller Teil unserer Gesellschaft werden könnte und wen man am besten so schnell wie möglich wieder fortschickt“.
Und wieder zeigt sich, dass die Flüchtlingshelfer etwas grundsätzlich nicht verstanden haben. Nicht sie entscheiden, wer bleibt und wer nicht. Da sie sich einsetzen, bleiben also nur Enttäuschung und Frust – insbesondere, wenn man sich positiv emotional an Flüchtlinge gebunden hat.
Dass die Flüchtlinge häufig in der Nacht oder am frühen Morgen geholt werden, ist weder unmenschlich, noch sonstwie ein Skandal. Die Polizei kommt dann, wenn die Erfolgsaussichten hoch sind, die abzuschiebenden Ausländer anzutreffen. Flüchtlingshelfer, die denken, wenn sie helfen, erfolge keine Abschiebung, machen einen Denkfehler und nähren so ihren zwangsläufigen Frust.
Den Bewusstseinsfehler haben wir am 18. November 2016 thematisiert – „Mannheimer Flüchtlingshelfer frustriert„. Der Hintergrund ist ähnlich. Helfer in Mannheim setzen sich ein und realisieren offenbar nicht, dass die Flüchtlinge in der Stadt entweder weiterverteilt oder abgeschoben werden. Im Artikel heißt es:
Offenbar wird den Mannheimer Flüchtlingshelfern die Sinnlosigkeit der eigenen Ansprüche nun endlich bewusst. Sinnlos ist nicht, was sie tun, sondern wie sie es tun und welche Ziele und Erwartungen sie damit verbinden.
Was zurückbleibt, ist wieder Frust, denn man kann die „Früchte des Engagements“ nicht einstreichen. Man engagiert sich und dann sind die Menschen weg. Hier braucht es Betreuung und Anleitung für die Ehrenamtlichen – damit diese mit den Gegebenheiten umgehen lernen. Dazu gehört neben Empathie aber genauso emotionale Distanz.
Die Ehrenamtlichen brauchen dringend Unterstützung – der Staat muss das wissen. Denn ohne sie wäre die Krise seit Sommer 2015 nicht zu schaffen gewesen. Und die Aufgaben sind immer noch umfangreich. Der Staat braucht die Ehrenamtlichen, wenn diese sich aber erstmal frustriert zurückziehen, sind sie nur schwer erneut zu motivieren.