Rhein-Neckar, 07. Dezember 2016. (red/cr) Bei der kommenden Bürgermeisterwahl in Ladenburg kandidiert mit Corinna Schierz eine weibliche Bewerberin für das Amt. Vor kurzem hat Partricia Popp die Wahl in Eppelheim gewonnen. Gibt es also zunehmend weibliche „Rathauschefinnen“? Aktuell liegt der Anteil der Frauen im Rhein-Neckar-Kreis bei ernüchternden 7,41 Prozent – es gibt 50 Bürgermeister, aber nur vier Bürgermeisterinnen. Wir wollten von diesen Frauen wissen, warum das so ist und ob sich das in Zukunft ändern wird?
Von Christin Rudolph
Ein bisschen Mut,
wünscht sich Patricia Popp von anderen Frauen. Im Oktober wurde sie in Eppelheim zur Bürgermeisterin gewählt – und hofft, dass sie bald mehr weibliche Kolleginnen bekommt. (Anm. d. Red.: Die Wahl ist aktuell durch eine Klage angefochten worden, weshalb sich der Amtsantritt verzögern wird.)
Auch im Amt des Bürgermeisters solle es Geschlechtergleichheit geben. Die Realität sieht allerdings ganz anders aus.
80 Bürgermeisterinnen vs. 1.020 Bürgermeister
7,41 Prozent – das ist der aktuelle Anteil der weiblichen Bürgermeisterinnen im Rhein-Neckar-Kreis. Nur 4 von 54 Kommunen haben weibliche Spitzen.
Aktuell liegt die Quote ungefähr im niedrigen Landesschnitt von 7,27 Prozent – in 1.100 Kommunen in Baden-Württemberg gibt es laut Gemeindetag nur 80 weibliche Bürgermeisterinnen.
Könnte sich diese geringe „Quote“ des Rhein-Neckar-Kreises bald erhöhen?
Immer mehr Bürgermeisterinnnen?
Mit dem Amtsantritt von Patricia Popp im kommenden Jahr werden es fünf Frauen sein und die Quote steigt auf 9,25 Prozent. In Ladenburg bewirbt sich für die aktuelle Wahl unter anderen die 37-jährige Corinna Schierz um das Bürgermeisteramt – wird sie im kommenden Jahr BM’in Nummer sechs im Rhein-Neckar-Kreis sein? Sollte sie gewinnen, würde das die Quote auf 11 Prozent steigern – erstmals zweistellig also.
Ist das ein Trend? Wird es in Zukunft mehr weibliche Bewerberinnen und auch Amtsinhaberinnen im Landkreis geben?
Wir haben bei den vier amtierenden Bürgermeisterinnen nachgefragt.
Familienunfreudlicher Job
In einem Punkt sind sich fast alle Frauen einig:
Wir wollen unter den Kollegen und Kolleginnen gerne mehr Frauen,
sagt Tanja Grether. Seit 2012 ist die Juristin Bürgermeisterin in Neckarbischofsheim. Denn das sei „bitter nötig“.
Frauen hätten oft andere Lebensentwürfe – mit einer Familie sei das Amt schwer zu vereinbaren. Bürgermeisterin Grether hat selbst keine Kinder.
Unterstützung ist wichtig
Christiane Staab hingegen ist vierfache Mutter. Bereits seit 2011 ist sie Bürgermeisterin in Walldorf. Damals war sie die erste weibliche Amtsinhaberin im Landkreis. Ihre Kinder waren zu dem Zeitpunkt im Alter zwischen zwei und 16 Jahren. Es geht also auch mit Kindern – sogar mit vielen. Doch:
Als Alleinerziehende wäre es wahrscheinlich richtig schwer,
sagt die Mutter. Sie beschreibt ihr Amt als sehr zeitaufwendig und fordernd – da bleibe keine Zeit für Hobbies. Das sagt auch Sibylle Würfel, die seit 2014 Bürgermeisterin in Malsch ist. Ihre zwei Söhne sind bereits erwachsen und sie hat noch eine 12-jährige Tochter:
Wir bleiben deshalb vorerst in Sinsheim wohnen – als Großfamilie. Da möchten wir das Mädchen nicht herausreißen. Wären alle drei Kinder noch klein, wäre das kaum mit dem Amt vereinbar.
Verantwortung und Repräsentation
Da man ständig in der Öffentlichkeit steht, werde man auch oft zum Ziel von Angriffen und Kritik, sagt Frau Staab:
Man muss es mögen.
Doch die Termine mit Bürgern, wenn man etwa ein Altenheim besucht oder Kindern das Rathaus zeigt, die würden sie dafür entschädigen.
Sie kann sich jedoch vorstellen, dass viele Frauen eher Scheu vor der Öffentlichkeit haben und eher zum Zaudern neigen als zu schnellen Entscheidungen – und deswegen denken, sie seien nicht für das Bürgermeisteramt geeignet.
Positive Veränderungen
Eine Trendwende hin zu mehr Frauen unter den Bürgermeistern sieht sie definitiv:
Der Zug nimmt Fahrt auf.
Die wenigen Frauen, die bereits Bürgermeisterinnen sind, würden sich zunehmend beweisen. Außerdem würden junge Frauen immer besser ausgebildet. Vor allem aber seien Familie und Beruf zunehmend vereinbar. In der Vergangenheit hätten zudem Männer ein anderes Selbstverständnis entwickelt – hin zu einem Männerbild, bei dem die Frau unterstützt wird.
Sibylle Würfel hat 16 Jahre beim Rhein-Necke-Kreis gearbeitet und ist frühere Hauswirtschaftsmeisterin. Sie kennt die kommunalpolitische Arbeit als CDU-Gemeinderätin. 15 Jahre war sie als ehrenamtliche Mandatsträgerin in Sinsheim tätig. Was ist nun anders?
Als Bürgermeisterin haben Sie eine andere Verantwortung als als Stadträtin. Da gibt es andere Entscheidungsprozesse, weil sie das gesamte und nicht nur politische Ziele im Blick haben müssen.
Im Umgang mit den Bürgern sieht Frau Würfel für Frauen wie Männer im Amt dieselben Aufgaben, zuhören, verstehen, sich kümmern. Aber:
Insbesondere Frauen reden mit Frauen halt anders. Da geht es auch um Perspektiven, die Männer so nicht erfahren. Und sie sagt auch:
Ich glaube schon, dass ich in Malsch schon auch als Frau von Frauen gewählt worden bin – bei vielen Aufgaben im Amt ist das Geschlecht aber nicht entscheidend, Aufgabe bleibt Aufgabe, die es zu erledigen gilt. Der persönliche Umgang hängt immer auch von der Persönlichkeit ab.
Junge Bürgermeisterinnen leisten viel
Eine steigende Tendenz in der Anzahl ihrer weiblichen Kolleginnen sieht Sieglinde Pfahl. Seit 2013 ist sie Bürgermeisterin in Heiligkreuzsteinach, wo sie ihren Vorgänger Karl Brand nach 24 Jahren Amtszeit ablöste.
Natürlich sei jede qualifizierte Person gut. Aber sie sagt auch:
Ich freue mich, wenn Frauen sich in diese Postion wagen.
Vor allem vor jungen Kolleginnen mit kleineren Kindern habe sie Respekt.
Bürgermeisterin und Mutter
Bürgermeisterin Pfahl selbst hat Kinder im Alter von aktuell 17 und 21 Jahren. Zwischen Terminen und Sitzungen bleibe kaum Zeit – nicht für Freizeit, und nur wenig für die Familie.
Sie selbst sei glücklich, für ihre Kinder mehr Zeit gehabt zu haben, als diese noch klein waren. Immerhin gebe es inzwischen Möglichkeiten wie Elternzeit. Sehr wichtig ist aber auch der richtige „Mann an der Seite“.
Wenn man es gut organisiert, geht es.
Eine Trendwende kann sie allerdings noch nicht erkennen.
Kaum Amtsleiterinnnen
An der Spitze der Gemeinden scheint es also noch nicht recht mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu funktionieren, auch, wenn in der jüngeren Vergangenheit mehr Frauen „Ortschefinnen“ wurden. Doch wie sieht die Geschlechtergleichheit „eine Etage tiefer“ aus, bei den Amtsleitungen?
Wir haben uns exemplarisch bei den Gemeinden im Landtagswahlkreis Weinheim umgehört. Keine große Überraschung – auch hier gibt es nur wenige Frauen in Führungsfunktionen:
Dossenheim (Zentralstelle, Ulrike Trunk), Edingen-Neckarhausen (Hauptamt, Elke Hugo, dazu Stabstelle (mit einem Amt vergleichbar) Carola Ding), Hirschberg an der Bergstraße (Kämmerin, Anna-Dorothea Schlaudraff), Laudenbach (Kämmerin, Claudia Keil), Schriesheim (ein Amt derzeit unbesetzt), Weinheim (Standesamt, Ulrike Palm, Amt für Bildung und Sport, Carmen Harmand), Heddesheim (stellvertretende Kämmerin Bettina Nölling), Ladenburg (Hauptamt, Silvia Steffan, dazu beide Stabstellen EDV Gabriele Haun sowie Marketing/Sport/Tourismus Ella Martin).
In Heddesheim, Hemsbach und Schriesheim gibt nach Auskunft der Gemeinden keine einzige Amtsleiterin.
Insgesamt gibt es in den zehn Gemeinden nur neun Amtsleiterinnen. Zwei davon entfallen auf Weinheim – das ist im Vergleich die „einsame“ Spitze. 9 von 45 Amtsleitern ist zwar mit 20 Prozent eine deutlich bessere Quote als bei den Bürgermeisterinnen, jedoch ebenfalls auf ziemlich niedrigem Niveau.
Da die Bürgermeister/innen auf acht Jahre Amtszeit gewählt werden, wird es nicht zu einem rasanten Anstieg der Quote in den kommenden Jahren kommen – aber wer weiß, Zug um Zug könnte die starke Dominanz der Männer durch Frauen zurückgedrängt werden.