Eppelheim, 30. Januar 2017. (red/pro) Die Fraktionen von SPD und Grünen haben heute eine Niederlage im Gemeinderat erlitten. Beide Fraktionen wollten per Antrag eine Entscheidung des Gemeinderats herbeiführen, die im Oktober als Bürgermeisterin gewählte Patricia Popp vorübergehend als Amtsverweserin einzusetzen. Frau Popp kann derzeit das Amt nicht antreten, da eine Anfechtungsklage zur Wahl dies blockiert. Für den Antrag wäre eine Mehrheit aller Stimmen des Gemeinderats notwendig gewesen, also 12 Stimmen. Insgesamt wurden 17 Stimmen abgegeben, 11 Stimmen waren für den Antrag von SPD und Grünen, womit er gescheitert ist.
Von Hardy Prothmann
Der Bürgersaal war brechend voll. Alle Anwesenden warteten auf TOP 7: “Anträge der SPD-Fraktion vom 5. Dezember 2016 und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 4. Dezember 2016”. Inhaltlich forderten die Anträge, die Mannheimer Verwaltungsangestellte Patricia Popp als Amtsverweserin der Stadt Eppelheim einzusetzen. Bürgermeister Dieter Mörlein räumte als “Befangener” den Platz für den Stellvertreter Trutbert Orth (CDU).
Die Kann-Situation
Frau Popp hatte am 23. Oktober 2016 die Bürgermeisterwahl mit 52,14 Prozent klar gewonnen. Amtsinhaber Dieter Mörlein hatte sich nicht mehr zur Wahl gestellt. Im Anschluss reichte ein Bürger Rechtsbeschwerde beim Kommunalrechtsamt des Rhein-Neckar-Kreises an, der ablehnend beschieden worden war. Danach reichte der Bürger Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe ein. Zum Jahresende war damit klar, dass Frau Popp das Bürgermeisteramt nicht wie vorgesehen zum 01. Januar 2017 würde antreten können.
Laut Gemeindeordnung Baden-Württemberg kann der amtierende Bürgermeister die Amtsgeschäfte weiterführen, solange ein gewählter Kandidat das Amt nicht antreten kann. Ein Bürgermeister muss das nicht tun – es ist eine “Kann-Regelung”. Dieter Mörlein entschloss sich, das Amt bis zur Klärung vor Gericht weiterzuführen. Geregelt ist das in § 42, Abs. 5 der Gemeindeordnung (GemO).
SPD + Grüne = peinlich
SPD und Grüne machten in sehr langen Redebeiträgen geltend, dass nach § 48, Abs. 3 GemO der Gemeinderat eine zum Bürgermeister gewählte Person vor der amtlichen Feststellung der Gültigkeit der Wahl zum Amtsverweser bestellen kann. Auch dies ist eine “Kann-Regelung”. Da das Amt nicht verwaist ist, entfällt diese nach Einschätzung unserer Redaktion.
Sehr peinlich für SPD und Grüne – man kann dort nicht rechnen und offenbar auch nicht richtig lesen. Es steht eindeutig “mit der Mehrheit der Stimmen aller Mitglieder” (des Gemeinderats) im entsprechenden Paragrafen. Das sind bei 22 Gemeinderäten plus Bürgermeisterstimme insgesamt 12 von 23 Stimmen. SPD (7) und Grüne (4) verfügen über 11 Stimmen. Es war also schon im Vorfeld klar, dass man ohne Stimmen aus anderen Fraktionen die Mehrheit nicht würde erreichen können.
Selbst wenn die 12 oder mehr Stimmen zusammengekommen wären, hatte Bürgermeister Dieter Mörlein als Leiter der Verwaltung bereits im Vorfeld klar gemacht, welchen Beschluss diese empfiehlt:
Beide Anträge gingen bei der Verwaltung ein und sind spätestens bei der übernächsten Sitzung des Gemeinderates zu beraten. §34 Abs. 1 Satz 4 GO.
Da die Anträge nach der Ladungsfrist für die Sitzung im Dezember 2016 eingereicht und somit zu spät eingingen und, da diese öffentlich zu behandeln sind, nicht nachgereicht werden konnten, wäre dies der 20. Februar 2017.
Beide Antragsteller berufen sich auf §48 Abs. 3 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GO).
Allerdings besteht kein Anspruch auf Beratung und Beschlussfassung in der Sache. Der TOP kann daher nach Aufruf in der Sitzung vertagt, abgesetzt oder letztendlich ablehnend entschieden werden.
Sollten die vorliegenden Anträge jedoch positiv entschieden und somit die Bestellung eines Amtsverwesers beschlossen werden, liegt ein Widerspruch zu §42 Abs. 5 GO vor und der Beschluss kann seitens der Verwaltung nicht vollzogen werden.
In diesem Fall ist dem Beschluss wegen Rechtswidrigkeit zu widersprechen. §43 Abs. 2 GO
Dieser TOP wird von einem der Stellvertreter des Bürgermeisters aufgerufen und geleitet.
Was wäre wenn…
Bürgermeister Dieter Mörlein machte damit unmissverständlich deutlich, dass er sein “Veto-Recht” einlegen würde. Nach § 42, Abs. 2 der Gemeindeordnung ist der Bürgermeister verpflichtet, gegen einen gesetzwidrigen Beschluss des Gemeinderats zu widersprechen. Oder, wenn er der Auffassung ist, dass der Beschluss nachteilig für die Gemeinde ist. Dann muss der Antrag erneut beschlossen werden, am Ende entscheidet die Rechtsaufsicht, also das Kommunalrechtsamt. Auch diese Entscheidung ist gerichtlich anfechtbar.
Übersetzt: Selbst wenn eine Mehrheit von 12 Stimmen zustande gekommen wäre, wäre Frau Popp nicht Amtsverweserin geworden. Zumindest nicht in absehbarer Zeit. Denn dann hätte durch den angekündigten Widerspruch von Herrn Mörlein spätestens in drei Wochen eine neuerliche Sitzung stattfinden müssen. Danach eine Woche Widerspruchsfrist, also vier Wochen, danach die Entscheidung des Kommunalrechtsamts, also nochmals zwei bis vier Wochen. Damit wäre es Ende März geworden – sofern niemand gegen eine Entscheidung des Kommunalrechtsamts klagen würde. Dann würde diese Entscheidung noch länger dauern.
Die Vorträge von SPD und Grünen zur Sache waren mit vielen Spitzen gespickt. Dabei wurden deutlich, wie eng die Fraktionen mit gewissen Medien “zusammenarbeiten”, um eine Kampagne zu führen. Und ebenso, dass ein grundlegendes Verständnis der Gemeindeordnung eher nicht vorhanden ist, sowie ein reichlich deformiertes gegenüber der demokratischen Grundordnung. SPD und Grüne tun sich damit keinen Gefallen – sie reden von Demokratie und meinen populistischen Straßenkampf. Wie sehr das die neu gewählte Bürgermeisterin schon vor dem Amtsantritt beschädigt, scheint niemand dort mehr zu überblicken. Leider auch Frau Popp nicht.
Unselige Redebeiträge
In der weiteren Debatte verstieg sich ein Grüner, die Situation mit Gambia zu vergleichen. Dort wurde der Diktator Yahya Jammeh abgewählt, klammerte sich aber zunächst an seinen Posten, bevor er das Land verließ, nachdem Nachbarländer militärische Interventionen androhten. Den noch amtierenden Eppelheimer Bürgermeister mit einem Diktator zu vergleichen, der Menschen auf dem Gewissen hat und sein Land ausbluten ließ – keine Ahnung, was in einem Kopf so alles schief laufen muss, um auf solche Gedanken zu kommen.
Wir berichten am Dienstag, spätestens Mittwoch nach. Vorab: Gemeinderäte sollten vorbildliche Bürger der Gemeinde sein. Wer ernsthaft Herr Mörlein auf eine Stufe mit einem menschenverachtenden afrikanischen Diktator setzt, hat, um das mal umgangssprachlich zu formulieren, “nicht mehr alle Latten am Zaun”.
Dieter Mörlein verfolgte die Debatte und Beschlussfassung als “Befangener”. Zwei Meter neben ihm saß Frau Popp. Beide hatten schmale Lippen. Der Unterschied: Ab und an lächelte Herr Mörlein. Frau Popp nicht.
Die ganz überwiegende Mehrheit der Bürger/innen verließ nach TOP7 den Bürgersaal. Der Rest der Tagesordnungspunkte war wohl nicht mehr interessant genug.
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