Rhein-Neckar/Südwesten, 17. Dezember 2016. (red/pro) Wir können alles, außer rechtsstaatlich, könnte der neue Slogan für Baden-Württemberg lauten. Innenminister Thomas Strobl (CDU) ordnet die Abschiebung von Afghanen ohne Aufenthaltsrecht an. Doch eine Person wird in letzter Minute nicht abgeschoben. Angeblich ein Christ. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Hans-Ulrich Sckerl, macht dem CDU-Minister massivste Vorwürfe. Der lässt einen massiven Eingriff in seine Handlungsbefugnis zu. SPD und FDP fordern eine Aussprache im Innenausschuss. Im Südwesten geht es drunter und drüber.
Kommentar: Hardy Prothmann
Auf dem Weg zum Flughafen wird ein afghanischer Mann aus dem Bus geholt, der eigentlich abgeschoben werden sollte. Wer ihn aus dem Bus holt, ist unklar. Wer angeordnet hat, dass die Polizei den Mann laufen lässt, ebenfalls.
Die Anweisung dafür kann nur von ganz oben kommen. Entweder von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis90/Die Grünen) oder vom zuständigen Innenminister Thomas Strobl (CDU). Möglicherweise auch von dessen Staatssekretär Martin Jäger – wobei uns hier noch keine klare Information vorliegt, ob dieser die Kompetenz hätte.
Christ? Daran bestehen erhebliche Zweifel
Eine weitere Instanz „ganz oben“ könnte eine gerichtliche Entscheidung sein. Die gab es laut Stuttgarter Zeitung:
Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat nach Informationen unserer Zeitung noch am Mittwoch die Abschiebung des Flüchtlings bestätigt. Es kam zur Überzeugung, dass dessen Hinwendung zum Christentum „nicht aus innerer Überzeugung, sondern allein aus prozesstaktischen Gründen“ erfolgte. Die Konversion zum christlichen Glauben werde von Asylbewerbern in letzter Zeit „vermehrt“ geltend gemacht.

Hans-Ulrich Sckerl macht der CDU schwere Vorwürfe, dabei ist er selbst möglicherweise an einer Kampagne gegen die CDU beteiligt, die sich auf unwahre Behauptungen stützt.
Diese Information macht den Auftritt von Hans-Ulrich Sckerl zur Farce und zeigt mal wieder, wie schlecht der SWR arbeitet. Dieser hatte Sckerl die große Bühne gegeben und ihn sich echauffieren lassen über einen Christen, dem die Todesstrafe drohe und einen Minister mit einem „C“ im Parteinamen, der einen „Christen“ kurz vor Weihnachten in den sicheren Tod schickt. 1:1 übernommen, keine Recherche, kein Gegencheck. Um 11:48 Uhr stellt Herr Sckerl die Aufnahme online.
(Wir haben erst am späten Freitagnachmittag davon erfahren, da war beim Verwaltungsgericht niemand mehr zu erreichen.)
Wenn die Information der Stuttgarter Zeitung zutrifft, hat Hans-Ulrich Sckerl entweder die Öffentlichkeit belogen, indem er den Mann als absolut gläubig und integriert darstellt oder er hat ungeprüfte Informationen in die Welt gesetzt, was angesichts des Politikums auch nicht viel besser ist. Gleichzeitig überhebt er sich über eine rechtsstaatlich getroffene richterliche Entscheidung. Entscheiden demnächst Kirchengemeinde oder Landtagsabgeordnete, was Recht und Unrecht ist?
Wie wir aufdeckt haben, bedient er sich dabei einer Forderung des AfD-Vorsitzenden Prof. Dr. Jörg Meuthen. Der hatte Anfang des Jahres in der Sendung Maybritt Illner gefordert, man sollte christliche Flüchtlinge bevorzugt behandeln. Die ebenfalls anwesende Grüne Claudia Roth regte sich furchtbar auf und meinte dann schnippisch:
Sie meinen, die Würde des „christlichen“ Menschen ist unantastbar?
Wenn die AfD solche eine Forderung stellt, ist das also rassistisch, wenn ein Grüner das als Begründung für diese Selektion erklärt, dann ist es mitmenschlich.
Was folgt aus dem Vorgang?
Was folgt aus dem Vorgang? Werden demnächst einzelne Interessengruppen ihre Lieblingsflüchtlinge dem staatlichen Vollzug entziehen können?
Wir sind von der Sache her vollständig bei der Forderung von Herrn Sckerl, dass das Sicherheitsrisiko in Afghanistan für Rückgeführte zu groß ist – wie für alle Menschen dort im Bürgerkriegsland. Aber das ist nur eine redaktionelle Meinung und keine rechtsstaatliche Entscheidung.
-Anzeige- |
Die EU, Deutschland und Afghanistan haben Rückführungsabkommen geschlossen. Danach ist die Rückführung möglich, gewollt und rechtsstaatlich geregelt. Daran muss sich der Innenminister halten. Wenn er sich an der Nase herumführen lässt, beschädigt er die Autorität des Amts und die Glaubwürdigkeit politischen Handelns:
Angesichts der von grüner Seite vorgetragenen Angriffe auf den Innenminister, die in einer geplanten Einschränkung seiner Handlungsbefugnisse gipfeln, ist eine Klärung der Frage, wer zukünftig in Baden-Württemberg über Abschiebungen entscheidet, mehr als geboten,
sagt folgerichtig Dr. Timm Kern, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP.
Wo ist die Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten?
Wo ist in diesem Chaos eigentlich Ministerpräsident Winfried Kretschmann? In Artikel 49 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg ist geregelt:
(1) Der Ministerpräsident bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung. Er führt den Vorsitz in der Regierung und leitet ihre Geschäfte nach einer von der Regierung zu beschließenden Geschäftsordnung. Die Geschäftsordnung ist zu veröffentlichen. Innerhalb der Richtlinien der Politik leitet jeder Minister seinen Geschäftsbereich selbständig unter eigener Verantwortung.
Vor einem Jahr, damals noch Chef der grün-roten Landesregierung, hat der Ministerpräsident angekündigt, dass Abschiebungen verstärkt werden. Klarer kann eine Richtlinie nicht sein. Und ganz sicher handelt ein Innenminister nicht gegen anderslautende Richtlinien des Regierungschefs einer nun grün-schwarzen Landesregierung.
Wenn aber die Richtlinie der konsequenten Abschiebung klar ist – wo bleibt die klare Ansage des Ministerpräsidenten? Wochenende gilt nicht – Ministerpräsidenten sind immer im Dienst und angesichts der politischen Tragweite hätte er sich längst offiziell äußern können.
Wieder mal Gemauschel? Diesmal menschenverachtend?

Mauschelt Ministerpräsident Kretschmann schon wieder? Beim aktuellen Streit zur Rückführung von nicht-aufenthaltsberechtigten Afghanen hört man von ihm nichts.
Wegen Geheimabsprachen ist sein Bonmot bekannt geworden:
Ich mauschele schon immer.
Mauschelt er auch jetzt wieder? Mit menschlichen Schicksalen? Lässt den kampferprobten Sckerl von der Leine, um eine Attacke auf die CDU zu reiten, abzuwarten, wie die Sache ausgeht, um sich erst dann zu positionieren? Geht so Richtlinie? Geht so Kompetenz? Geht so Verantwortung?
Der Schuss geht nach hinten los, denn die Grünen vergewaltigen das Grundgesetz:
Die Würde des Menschen ist unantastbar,

Innenminister Thomas Strobl lässt sich von den Grünen die Butter vom Brot nehmen und schweigt – und schweigt. Trägt er demnächst den Beinamen „Der Zauderer“?
heißt es im Grundgesetz Artikel 1, Satz 1. Da steht nicht Mann oder Frau, alt oder jung, schwul, christlich oder sonstwas. Dort geht es nur um den Mensch an sich. Wenn die Grünen „Christen“, die das zudem nach richterliche Auffassung nur „zweckorientiert“ sind, anderen Menschen bevorzugen, dann ist grenzt das an rassistische Selektion rechtsextremer Doktrin. Das ist menschenverachtend. Angebliche Christen schützt man, Muslime lässt man abschieden. Das ist eine Entscheidung wie über wertes und unwertes Leben.
Und indirekt entscheidet Ministerpräsident Kretschmann genau darüber mit, indem er sich durch Rückzug aus der Verantwortung zieht. Möglicherweise hält er sich auch nur an „divide et impera“ – „teile und herrsche“.
Machtkämpfe aller Orten
Hinter dieser widerlichen Instrumentalisierung steckt die gnadenlose Angst vor der AfD – bei den Grünen und bei der CDU. Die einen wollen sich „human“ profilieren, die anderen zeigen, dass man durchgreift. Beides ist gerade zur Farce geworden. Die AfD ist derweil mit dem Austritt von Claudia Martin beschäftigt und planlos.
Dahinter steckt aber auch ein Machtkalkül. Knickt die CDU ein, geht sie ab sofort bei den Grünen bei Fuß wie ein abgerichteter Hund. Den lässt man von der Leine, wenn man es braucht und sagt dann: „Der Hund hat gebissen, nicht der Halter“, ansonsten bleibt die Leine straff und „Rambo“, so nennen wir den imaginären Hund mal, hört auf grüne Kommandos.
Interessant ist dass der Chef der Landesgrünen, Oliver Hildenbrand bereits am 13. Dezember veröffentlicht hat:
Afghanistan ist nicht sicher und deshalb sind Abschiebungen nach Afghanistan nicht zu verantworten. Ich erwarte, dass Innenminister Thomas Strobl verantwortlich handelt, dem Beispiel anderer Bundesländer folgt und umgehend verfügt, dass sich Baden-Württemberg nicht an dieser Abschiebeaktion beteiligt.
In dem Beitrag tut er so, als seien die Abschieberegelung „erst jetzt“ bekannt geworden. Auch das ist falsch. Darüber wurde öffentlich berichtet und immerhin ist seine Partei die größte Fraktion im Landtag und stellt den Regierungschef. Die Grünen machen aktuell Politik mit dem Schicksal von Menschen. Ob sie das nachvollziehbar und ehrlich machen – darüber kann sich jeder seine Meinung selbst bilden.
In Nordrhein-Westfahlen ist Monika Düker, seit 16 Jahren flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, am Freitag aus Protest über die Abschiebungen zurückgetreten. In Baden-Württemberg ist das Daniel Lede Abal – der teilt als Abgeordneter und zuständiger Sprecher nur das Statement des Landes-Chefs Hildenbrand. Reife Leistung.
Schätzen Sie diese Art von Artikeln? Die Transparenz? Die Analyse? Die Haltung?
Dann machen Sie andere Menschen auf unser Angebot aufmerksam. Und unterstützen Sie uns als Mitglied im Förderkreis – Sie spenden für unabhängigen, informativen, hintergründigen Journalismus. Der kostet Geld und ist ohne Geld nicht zu leisten. Wir arbeiten hochprofessionell mit hohen Standards, aber wir sind kein „Mainstream“ – sondern ehrlich, kritisch, transparent und meinungsfreudig. Hier geht es zum Förderkreis.“ Sie können auch per Paypal spenden.
Teile unseres Angebots sind gebührenpflichtig: Wenn Sie uns mit mindestens 60 Euro Jahresbeitrag unterstützen, können Sie einen Förderpass erhalten, mit dem Sie auf alle kostenpflichtigen Artikel zugreifen können. Wie das geht, steht hier.
Das Angebot für den „Förderpass“ gilt nur für private Nutzer. Gewerbliche Nutzer können einen Mediapass für 10 Euro monatlich für einen pauschalen Zugriff erwerben. Dieser ist monatlich kündbar.
Wenn Sie eine Überweisung tätigen wollen, nutzen Sie bitte auch das Förderkreis-Formular (erleichtert uns die Verwaltung). Dort können Sie einen Haken setzen, dass Sie nur überweisen wollen. Alle Förderer und Spender erhalten eine Rechnung.
Den größten Teil unserer Einnahmen erzielen wir über Werbung, seit Ende September machen wir einzelne Artikel kostenpflichtig über den Dienstleister Selectyco für kleine Cent-Beträge. Insgesamt ist die Finanzierung unserer Arbeit immer noch heikel und Sie tragen durch den Kauf von Artikeln, Förderkreisbeiträge und Spenden dazu bei, unser Angebot zu ermöglichen. Danke dafür!