Mannheim/Rhein-Neckar, 17. Juni 2016. (red/ms) In einem Interview mit der Rheinpost bezeichnet Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die sächsische Wachpolizei als „zukunftsweisendes Modell“ – nach einer Kurzausbildung erhalten Bürger Polizeiuniformen und Polizeiwaffen. Das kann unmöglich professionelle Polizeikräfte ersetzen, sagt Thomas Mohr. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Mannheim betont: Hier darf nicht an der falschen Stelle gespart werden – das ist auch ein Appell an die Landesregierung.

Ein Zugriff will gelernt sein – sonst bringt man sich und andere in Gefahr. Thomas Mohr sagt dazu: „Die dringendste Unterstützung braucht die Polizei aktuell bei Großeinsätzen wie Demonstrationen und Sportveranstaltungen. Dafür braucht man aber gut ausgebildete Kräfte – das können keine Freiwilligen übernehmen.“ Archivbild.
Von Minh Schredle
Der Vorgang ist wunderlich: Bundesinnenminister Thomas de Maizière wirbt in einem Interview mit der Rheinischen Post (Düsseldorf) für mehr Wachpolizei. So könne auch etwas gegen die bundesweit zunehmenden Wohnungseinbrüche getan werden. Im Wortlaut wird er in diesem Zusammenhang folgendermaßen zitiert:
Sehr nützlich ist eine so genannte Wachpolizei, die besetzt ist mit Kräften, die über eine Kurzausbildung verfügen und begrenzte Befugnisse haben, aber Uniform und Waffe tragen. Sie können als Wache in besonders belasteten Vierteln eingesetzt werden. Sie würden die Präsenz der Polizei erhöhen und können Meldungen machen. Sachsen hat die Wachpolizei bereits eingeführt – das ist ein zukunftsweisendes Modell.
Zahlreiche Medien multiplizieren die Forderung, indem sie sie wiedergeben und verbreiten. Was aber in kaum einem Bericht erwähnt wird: Die Arbeit der Polizei zu gestalten, ist in erster Linie gar keine Aufgabe des Bundes – sondern ganz überwiegend eine der Länder, für die jeweils Polizeigesetze der Länder gelten.
Sparen an der falschen Stelle?
Während der Innenminister lediglich die positiven Aspekte anführt, werden bedenkliche Gegenargumente ausgespart, beziehungsweise als Vorteil dargestellt. Die Aussage noch einmal im Klartext: Nach nur wenigen Wochen sollen Bürger mit scharfen Waffen und Uniformen ausgestattet werden, die sich äußerlich kaum von denen der echten Polizei unterscheiden lassen.
Wo Polizei drauf steht, muss auch Polizei drin sein,
kommentiert Thomas Mohr, Vorsitzender der GdP in Mannheim und betont nachdrücklich:
Hier darf nicht an der falschen Stelle gespart werden.
Der Bürger zahle Steuern an den Staat, um dafür Sicherheit gewährleistet zu bekommen. Das müsse durch eine professionelle Polizei geschehen – eine Ausbildung innerhalb weniger Wochen im Schnelldurchlauf würde stattdessen sogar eher weitere Gefahren bringen.
Multiplikator der Rechtsstaatlichkeit?
Neu ist das Konzept, dass Polizeiarbeit von Laien übernommen wird, keineswegs. In Baden-Württemberg wird der sogenannte „Freiwillige Polizeidienst“ bereits seit den 1960er-Jahren praktiziert und hätte eigentlich unter der grün-roten Landesregierung abgeschafft werden sollen.
Unter grün-schwarz ist nun allerdings im Koalitionsvertrag eingeplant, eine „neue Grundlage für den Einsatz von Polizeifreiwilligen zu schaffen“. Es handle sich um einen „maßgeblichen Multiplikator der Rechtsstaatlichkeit in unserem Land“.
Um den „Freiwilligen Polizeidienst“ (Anm.d.Red.: Was soll das für eine Bezeichnung sein? Welche Polizisten werden denn zu ihrem Beruf gezwungen?) praktizieren zu dürfen, muss man eine zwei Wochen lange Grundausbildung absolvieren. Sie haben richtig gelesen: Die Grundausbildung dauert gerade einmal zwei Wochen.
Dann erhalten die Ehrenamtlichen Uniformen und Schusswaffen. Wie man sie von echten Polizisten unterscheiden kann? An den Dienstgradabzeichen auf den Schultern der Uniform. Die sind bei Ehrenamtlichen durch Streifen statt Sterne symbolisiert. Das ist alles. Wie viele Durchschnittsbürger wohl auf Anhieb unterscheiden könnten, ob sie einen professionellen Polizisten oder einen Freiwilligen vor sich haben?
Uniformierte Laien mit Schusswaffen
In anderen Bundesländern gibt es teilweise vergleichbare Einrichtungen mit regionalen Unterschieden und unter verschiedenen Bezeichnungen. In Sachsen dauert die Grundausbildung zwölf Wochen und die sogenannten Wachpolizisten (Anm.d.Red.: Was soll das für eine Bezeichnung sein? Schlafen andere Polizisten?) sind nicht ehrenamtlich, sondern werden tariflich angestellt, aber nicht verbeamtet.
Auch in Sachsen werden Laien uniformiert und mit Schusswaffen ausgerüstet. Zu ihren Aufgaben gehört es dann unter anderem, Flüchtlingsunterkünfte zu bewachen und bei Abschiebungen mitzuhelfen. Nach eigener online-Darstellung unterstützt die Wachpolizei außerdem die Landespolizei „beim Vollzug des Gewahrsams und von Festnahmen“.
Gefahren richtig einschätzen
Das ist laut dem Bundesinnenminister ein „zukunftsweisendes Modell“. Thomas Mohr bezeichnet es als „hochgradig unverantwortlich“ – dazu führt er weiter aus:
Um das ganz klar zu sagen: Ich will keinem Freiwilligen, der die Polizei unterstützen will, einen Vorwurf machen. Aber es gibt einen Grund, warum bei der dreijährigen Basis-Ausbildung für diesen Beruf hohe Standards angelegt werden.
Beispielsweise sei jede einzelne Festnahme potenziell eine Gefahrensituation. Polizisten würden aufwändig geschult, um hier möglichst viel Sicherheit zu gewährleisten. Ohne eine entsprechende Ausbildung könne man sich bei dem Versuch, jemanden festzusetzen, leicht in lebensbedrohliche Lagen begeben. Ähnliches gelte für den Umgang mit Schusswaffen – „der will geübt sein“.
„Subventionierte Schwarzarbeit“
Die Befugnisse der Laienpolizei unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. Unabhängig davon steht für Herrn Mohr fest:
Als Polizeigewerkschaft lehnen wir solche Einrichtungen grundsätzlich ab. Der Hauptgrund, warum es sie überhaupt gibt, ist, dass Kosten gespart werden sollen. Aber bei der Sicherheit darf nicht gespart werden.
Wie Herr Mohr ausführt, erhalten die Ehrenamtlichen des Freiwilligen Polizeidienstes eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 7,50 Euro pro Stunde – das liegt unter dem gesetzlichen Mindestlohn und ist nebenbei auch wesentlich weniger als ein richtiger Polizist verdient. Herr Mohr bezeichnet dieses Sparmodell als „subventionierte Schwarzarbeit“.
Der Appell an die Politik ist eindeutig – so bitte nicht. Eine professionelle Ausbildung lässt sich nicht durch Crash-Kurse kompensieren und Sicherheit ist die falsche Stelle, um zu sparen.