Rhein-Neckar/Ludwigshafen, 19. Juni 2016. (red/pro) Aktualisiert. Margot N. wurde im Mai 1995 auf äußerst brutale Weise ermordet. Ihr Mörder Sascha B. wurde erst drei Jahre später gefasst. Fingerabdrücke nach einer Vergewaltigung brachten die Ermittler auf die Spur des Täters. Der damals 25-Jährige wurde 1999 zu lebenslanger Haft verurteilt. Seit 2000 saß er in Haftanstalt Diez hinter Gittern. Am 07. Juni nutzte er einen Freigang zur Flucht. Seitdem fehlt von dem Gewalttäter anscheinend jede Spur. Bei den Behörden ist Feuer unterm Dach.
Hinweis. Der flüchtige Strafgefangene ist am 02. August 2016 am Morgen in Brüssel verhaftet worden.
Von Hardy Prothmann
Es ist Montag, der 15. Mai 1995. Margot N., 46 Jahre alt, ist mal wieder auf Kneipentour. Der Tresen ist ihr Wohnzimmer. Gemeinsam trinken mit anderen ihr Trost. Sie ist sozial gescheitert. Kein Job. Keine Perspektive. Außer auf die kommende Nacht. Sie ist durchaus attraktiv. Eine eher zierliche Frau, 1,64 Meter groß, 52 Kilo. Nur bekommt sie ihr Leben nicht in den Griff.
Sascha B. ist 25 Jahre alt. Auch er hat Probleme mit seinem Leben. Eine frühe Ehe scheitert. Der junge Mann hat keinen Job. Schlägt sich durch. Der Tresen ist auch für ihn Wohnzimmer. Reden und trinken bis spät in die Nacht. Vergessen was gestern war und morgen sein wird.

Der brutale Mord an Margot N. geschah in den früheren Morgenstunden des 16. Mai 1995. Die Medien berichteten – aber der Mörder war zunächst nicht zu ermitteln. Quelle: SWR
Tresen gegen die Einsamkeit
Wann genau Margot N. auf ihren späteren Mörder trifft, ist bis heute unklar. Die Polizei konnte rekonstruieren, dass sie bis gegen 22 Uhr bei ihrem früheren Freund war. Ein anderer Freund gab ihr 50 Mark – sie wusste, dass der Schichtarbeiter „Zahltag“ hatte und pumpte ihn an.
Ab Mitternacht soll sie dann in der Wirtschaft „Zur Wicküler Schänke“ gewesen sein. Eine dunkle Pinte in der Ludwigshafener Dammstraße. Ein Tresen für Leute, die einsam sind und kein Zuhause haben. Heute „residiert“ hier ein Club, der sich „The Cave“ nennt. Vergitterte Fenster.
Auch ihr Mörder Sascha B. erscheint dort gegen Mitternacht. Zuvor war er in einer Kneipe in Mutterstadt. Trank einige Schoppen Cola-Weiß und spielte Karten. In der Schänke würfelt er „Pflümli-Runden“. Er kannte sein Opfer nur flüchtig. Der Wirt nannte Margot N. „Mein Gott, Margot“, wegen ihrer Trinkgewohnheiten.
Gegen 04:15 Uhr verlässt Margot N. nach Ermittlungen der Polizei die Schänke. Ihr Mörder erzählt, dass er sie dort getroffen hat und mit ihr das Lokal verlassen hat. Laut Gerichtsprotokoll hat er aber erst nach ihr die Schänke verlassen.
Zu dieser Stunde fährt kein Bus, keine Straßenbahn.
Ermittlungen der Polizei ergeben, dass auch kein Taxi die beiden zur Wohnung von Margot N. in der Friedrich-Naumann-Straße 19a in Ludwigshafen-Oggersheim gefahren hat. Zu Fuß hätten die beiden mehr als eineinhalb Stunden für die acht Kilometer Wegstrecke gebraucht. Sascha B. sagt, er habe Margot N. mit seinem BWW 325i nach Hause gefahren. Wie viel er bis dahin getrunken hatte, ist nicht mehr festzustellen gewesen.

Das Opfer und ihr Mörder trafen sich nach der Sperrstunde vor einer Schänke. Der Täter fuhr sein ahnungsloses Opfer von der Innenstadt Ludwigshafen nach Hause in den Vorort Oggersheim.
Himmlisches Tröpfchen
Klar ist, um 4:41 Uhr kauft ein Mann in dunkler Kleidung mit Baseball-Mütze eine Flasche Weißwein „Himmlisches Tröpfchen“ und eine Flasche Wasser an einer Esso-Tankstelle in unmittelbarer Nähe des späteren Tatorts. Eine leere Flasche „Himmlischer Tröpfchen“ wird in der Wohnung gefunden.
Sascha B. sagt 2008 in einem Porträt des Filmemachers Claus Hanischdörfer, er hätte Margot N. nach Hause gebracht. Man hätte getrunken und geraucht. Laut Ermittlern war sein Marke damals Marlboro. Der Mörder sagt, er sei in seiner „Stammkneipe“ gewesen, von wo aus er Margot N. nach Hause gefahren hätte. Doch Gäste und Personal in der Wicküler Schänke können nur vage Beschreibungen geben. Kann das wirklich sein, dass er dort „Stammgast“ war und niemand ihn erkannt hat?
Widersprüchliche Informationen
Möglicherweise war Margot N. nach der Schänke in einer anderen Kneipe oder die Kneipenbesucher irren sich in der Zeit oder haben falsche Angaben wegen der Sperrstunde gemacht. Und wollten keinen Ärger haben. Man kennt sich am Tresen. Dort ist man Familie. Der Rest geht einen nichts an.
Die Fahrtzeit mit einem Auto dauert ungefähr eine Viertelstunde vom Parkhaus an der Pinte bis zur Wohnung des Opfers. Zeugen aus diesem Milieu gelten nicht als erste Adresse für brauchbare Aussagen.

Um 4:41 Uhr kaufte ein dunkel gekleideter Mann mit Baseball-Kappe eine Flasche „Langguth Himmlische Tröpfchen“ und eine Flasche Wasser. In dieser Nacht starb Margot N. auf brutale Weise. In ihrer Wohnung wird eine Flasche Weißwein gefunden, die an dieser Tankstelle gekauft worden war.
Ein früherer Freund von Margot N., den sie ebenfalls auf einer Zechtour kennengelernt hat, beschreibt sie als „furchtbar einsam“. Fünf Jahre waren sie zusammen. Er hat sie verlassen, weil sie immer wieder auf Tour war, „Probleme mit Alkohol hatte“ und Männer mitgebracht hat, die sie „unterwegs aufgegabelt“ habe.
Sexuell lief da nichts,
wie der Ex erklärt, der ihr freundschaftlich verbunden war, sondern zum „Reden und Weiterbechern“:
Die Typen mussten dann an der Tanke immer noch was kaufen.
In der Tatnacht soll eine Zeitungsausträgerin Opfer und Täter bemerkt haben. Er sei zudringlich gewesen. Beide laut. Betrunken. „Lass die Finger von mir“, soll Margot N. gerufen haben.
„Vermutlich hat sie sich gegen eine Vergewaltigung gewehrt“, mutmaßt Aktenzeichen XY in einer Sendung vom Dezember 1996. Der Mörder Sascha B. erzählt das 2008 anders:
Sexuelle Motive haben da vielleicht im Hintergrund mitgespielt. Es ging um das Ganze, es ging um den ganzen Ablauf. Ich saß neben ihr und war quasi nicht mehr da. Nicht beachtet. Egal in welcher Art und Weise. Egal, ob mit Reden, mit Zärtlichkeiten. Und das konnte ich eben da nicht mehr ertragen. Und hab sie dann erst gewürgt mit einem Kabel, bis sie fast bewusstlos war und dann ausgezogen, in einen anderen Raum gebracht und hab sie dann erstochen.
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Aktualisierung: Wir haben den Artikel am 19. Juni, 17:19 Uhr sowie um 20:12 Uhr um wesentliche Details, vor allem was den Tatablauf und ein weiteres Opfer angeht, ergänzt, da wir zusätzliche Informationen erhalten haben.
Gemetzel aus „Hilflosigkeit“
Die Ermittler sprechen von einem „Gemetzel“. Am Tatort wird ein Steakmesser gefunden. Die nackte Leiche liegt auf dem Bett. Die Todesursache sind viele Stiche. Vor allem in die Brust. Als „äußerst brutal“ wird der Mord beschrieben. Sascha B. sagt 2008:
Ich denke, das war schon mit sehr viel Wut, auch. Es war ein Gefühl von Hilflosigkeit, nicht ernst genommen. Ich glaube, das war in diesem Moment auch nicht die Person an sich. Das hätte auch jede andere sein können.
Foto von Sascha B. nach Verhaftung gelöscht.
Es war nicht jede andere. Es war Margot N. Sie war vielleicht speziell. Aber sie war nicht jede. Sie ist nicht austauschbar. Schon gar nicht für die Hilflosigkeit ihres Mörders.
Was Sascha B. nicht erzählt. Nach der Tat hat er alle Schränke durchwühlt. Er suchte nach Beute. Fand aber nichts bei der mittellosen Frau, die von Sozialhilfe lebte. Letztlich stahl er ein Telefon der Marke „Telekom Stella“. Möglicherweise nicht, um es zu veräußern, wie damals Aktenzeichen XY mutmaßte, sondern, weil er mit der Schnur die Frau gewürgt hatte.
Erschlagen, erwürgt, erstochen
Im Filmporträt erzählt Sascha B., er habe sein Opfer mit einem Kabel gewürgt. Tatsächlich finden die Ermittler im Bad auch ein Nudelholz mit Blutanhaftungen. Damals hieß es, es gäbe noch weitere „Details“, die man aus ermittlungstaktischen Gründen nicht nenne. Hat also Sascha B. die Frau erdrosselt, erschlagen und erstochen?
Es ist bis heute unklar, ob Sascha B. der Frau mit dem Nudelholz einen Schlag gegen den Kopf verpasste oder mit einer Flasche „Bonaqua“, deren Scherben im Eingangsbereich des Schlafzimmers gefunden wurden. An der Stirn stellen die Gerichtsmediziner eine deutliche Beule fest. Er entkleidet sich und sein Opfer.
17 Stiche, mit brutaler Wucht geführt
Auf dem Bett sticht er insgesamt 17 Mal mit einem Metzgermesser auf die nackte Frau ein. Die Stiche werden mit großer Wucht geführt und treffen die Frau in der linken Brusthälfte und am Hals. Das Messer ist 28,5 Zentimeter lang und hat eine freistehende, spitz zulaufende Klinge von 14,5 Zentimeter. Zwei Mal trifft er die Frau so, dass ihr Herzbeutel geöffnet wird, was zum unmittelbaren Tod der Frau führte. Drei Schnitte stellt der Gerichtsmediziner am Hals fest, 14 Stiche in der Brust, die teils so heftig geführt wurden, dass sie bis zu 19 Zentimeter tief eindrangen – bei einer Klingenlänge von 14,5 Zentimetern.
Das ist, was die Behörden mit „äußerster Brutalität“ bezeichnen.
Offen bleibt, ob er den Geschlechtsverkehr mit seinem Opfer führte, als sie noch am Leben war oder post mortem. Als die Leiche von Margot N. gefunden wird, ist bereits ein fortgeschrittener Verwesungszustand eingetreten.
Erste Ermittlungen
Damals wird nach einem 1,75 Meter großen Mann gesucht, 40-50 Jahre alt. Sascha B. ist 1,82 Meter groß und war in der Mordnacht 25 Jahre alt. Geboren am 11. Juli 1969. Heute also 46 Jahre alt und nicht 47 Jahre, wie es auch in offiziellen Mitteilungen heißt.
Gesucht wird ein Mann, der mutmaßlich sehr blutverschmiert sein sollte. Tatsächlich hat Sascha B., der die Tat nackt begangen hat, nach dem Mord geduscht und sich vom Blut gereinigt. Bevor der Mörder die Wohnung verlässt, schaltet er alle Herdplatten in der Küche auf die höchste Stufe ein, ebenso den Herd und ein Bügeleisen, um durch die Hitze den „Fäulnisprozess der Leiche“ zu beschleunigen, wie es in den Gerichtsakten heißt. Er schließt die Wohnungstür von außen ab.
Die Behörden setzen eine Belohnung von 5.000 Mark aus. Es gibt Hinweise, aber keine Spur taugt zur Ermittlung des Mörders.

Zeitungen berichten, dass die Leiche der brutal ermordeten Frau am 22. Mai 1995 gefunden worden sein soll. Der SWR berichtet, sie sei zwei Tage nach dem Mord gefunden worden. Das müsste der 18. Mai gewesen sein. Ist das egal? Nein. Es macht einen Unterschied, ob ein Mensch zwei Tage oder sieben Tage vermisst wird – auch, wenn das vom Verbrechen her keinen Unterschied macht. Quelle: SWR
Nach dem Mord ist vor einem geregelten Leben
Der „bekommt sein Leben paradoxerweise wieder in den Griff“, heißt es im Film des SWR. Sascha B. holt seine Fachhochschulreife nach. Am 26. Juni 1997 erhält er sein Zeugnis. Er beginnt BWL zu studieren. Hat wieder eine Freundin.
Hier gehen die Informationen wie an vielen Stellen auseinander. Die Freundin trennt sich von ihm. Er vergewaltigt eine Frau – ist es die Freundin oder eine andere Frau? Die Ermittler stellen Fingerabdrücke fest, die zum Mordfall Margot N. passen. Damit wird Sascha B. als Mörder von Margot N. überführt und zu lebenslanger Haft verurteilt.
Laut SWR-Porträt verträgt er sich vor der Verhaftung wieder mit seiner Freundin. Diese wird schwanger, bringt eine Tochter auf die Welt. Da ist Sascha B. schon als Frauenmörder überführt. Er lernt seine Tochter nicht in Freiheit kennen, sondern erst später als Sträfling.
Nachdem er geflohen ist, beobachten die Behörden „nicht-öffentlich“ sein Umfeld. Konkret heißt das: Die Tochter und ihre Mutter, die Mutter von Sascha B. und andere, zu denen er Kontakt hat, werden beschattet. Die Behörden scheitern mit dieser Strategie. Bis heute ist Sascha B. nicht aufzufinden.
Es ist kaum vorstellbar, dass er keine Fluchthelfer hat. Wenn es nicht die Familie ist, wer dann? Jemand aus dem „christlichen Bereich“? Immerhin hat der Sünder als Katholik zum Glauben gefunden. Oder hat den nächsten Mord bereits begangen? Niemand weiß das.
Es gibt weitere Opfer – das Leben des Täters normalisierte sich
Unsere Recherchen ergeben, dass es mehr als diese zwei Opfer gibt: Margot N., die sterben musste, weil sich Sascha B. zurückgewiesen fühlte und die Frau, die er vergewaltigt hat und danach als Mörder überführt wurde.
Andere Frauen haben Übergriffe den Behörden nicht angezeigt. Wie so oft, wenn ein Nein missachtet wird und aus Scham keine Anzeige erfolgt. Die Behörden haben kaum eine Chance, Licht in dieses Dunkelfeld zu bringen, wenn die Opfer nicht anzeigen.

Wo heute ein vergitterter Club ist, war damals die Würseler Schenke. Eine dunkle Pinte, wo sich Nachtschwärmer auf den letzten Schluck für die Nacht getroffen haben. In der Nacht vom 15. auf den 16. Juni 1995 war Margot N. das letzte Mal auf Tour. Sie erlebte den Morgen nicht, sondern wurde massakriert.
Warum Margot N. sterben musste und andere nicht? Sascha B. sagt:
Bei jeder Sirene, bei jedem Blaulicht, dachte ich, jetzt kommen sie. Aber irgendwann hat sich das wieder normalisiert. Selbst wenn ich Gedanken daran hatte, war das ganz weit weg und für mich nicht so, dass ich tatsächlich was damit zu tun hatte.
Vermutlich ist es diese Haltung, die Sascha B. nach Verbüßung seiner „lebenslangen Freiheitsstrafe“ von mindestens 15 Jahren keine günstige Prognose für ein Gesuch auf Haftentlassung brachte.
Vorbildlicher Häftling mit schlechter Prognose
Sascha B. hat sich vorbildlich geführt in der Haft. Einen kaufmännischen Abschluss gemacht. Sogar Theologie studiert – mit Abschluss. Er hat als Redakteur für die Gefängniszeitung gearbeitet. Ein Vorzeige-Sträfling. Intelligent. Reflektiert. Gewaltfrei? Ja und Nein.
In der Justizvollzugsanstalt Diez gibt es keine Frauen, die Sascha B. zurückweisen konnten. Sein Vergewaltigungsopfer hat er nicht umgebracht, andere Frauen auch nicht. Sascha B. braucht für seine Gewalt ein Schema. Einen Trigger. Etwas, dass seine Wut überschäumen lässt. Ihn willenlos macht.
Sascha B. ist nie als Krimineller aufgefallen, trotz seines prekären Lebens. Er hat nicht gestohlen. Niemanden überfallen. Ist nicht eingebrochen. Er ist ein Scheidungskind. Glückliche Momente hat er aus der eigenen Erinnerung heraus nur bei den Großeltern. Seine Beziehungen scheitern. Er hat ein Problem mit sich und damit mit Frauen.
Margot N. sagte Nein. Das war ihr Todesurteil
Margot N. suchte keine Sex-Abenteuer. Sie wollte reden und trinken bis in die Morgenstunden. Immer wieder. Mit irgendwelchen Männern. Warum auch immer. Das ist ihre persönliche tragische Geschichte. Der „aufgegabelte“ Sascha B. hat sie dann erstochen, weil er sich „nicht ernst genommen“ gefühlt hat.
Vermutlich hat Margot N. Nein gesagt und Nein gemeint. Das war ihr Todesurteil.
Vergewaltigung einer Frau im März 1998
Am 11. März wird Sascha B. erkennungsdienstlich behandelt. Ein weiteres Opfer hatte ihn wegen Vergewaltigung angezeigt. Wieder war der Ausgangspunkt die „Wicküler Schänke“. Mit der Frau führte er eine lockere „Beziehung“, die eigentlich beendet war. Sie war ihm zugetan, er wollte nur Sex, weil er an einer anderen Frau hing.
Erst am 23. Juni 1998 wird Haftbefehl erlassen, nachdem das Landeskriminalamt sicher war, dass die Fingerabdrücke vom Tatort der Wohnung von Margot N. mit denen von Sascha B. übereinstimmten. 147 Fingerabdrücke waren in der Wohnung festgestellt worden. Am 24. Juni ist das Vergewaltigungsopfer, die massive psychische Verletzungen davongetragen hat, bereit, bei der Polizei eine Aussage zu machen. Die damals 34-Jährige war im Alter von 14 Jahren bereits vergewaltigt worden und hatte schlechte Erfahrungen mit den Behörden gemacht. Dadurch war ihr Vertrauen nachhaltig gestört.

Hier lebte Margot N. in einem Sozialbau im vierten Stock in einem trostlosen Viertel am Rand von Oggersheim. Sie „gabelte“ auf nächtlichen Kneipentouren immer wieder Männer auf. Um zu reden und zu trinken. Sascha B. sagt, er „fühlte sich hilflos“ und habe dann die Frau erstochen.
Sascha B. ist seit 12 Tagen auf der Flucht
Seit dem 07. Juni ist Sascha B. flüchtig. Bei den Behörden ist „Feuer unterm Dach“, weil man zunächst verdeckt ermitteln wollte, um den verurteilten Mörder wieder einzufangen. Die Bild-Zeitung hatte die Flucht am 13. Juni öffentlich gemacht und nach Auffassung des Leitenden Oberstaatsanwalts Hubert Ströber damit die Ermittlungen massiv gestört.
Die Staatsanwaltschaft Frankenthal hat sich im Laufe des 16. Juni entschlossen, die Fahndung öffentlich zu machen. Aber erst am Mittag des 17. Juni wurde durch das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz die Fahndung inklusive eines aktuellen Fotos des flüchtigen Strafgefangenen tatsächlich öffentlich gemacht. Die Bild-Zeitung geht auf den Justizminister Herbert Mertin (FDP) los, die Opposition unter Julia Klöckner (CDU) auch. Der Justizminister verteidigt seine Behörde.
Tappen im Dunkeln bei der Suche nach dem „Allerweltsgesicht“
Nach unseren Informationen haben die Ermittlungsbehörden genau keine Ahnung, wo sich Sascha B. aufhält. Der Mann mit dem „Allerweltsgesichts“, wie Staatsanwalt Huber Ströber den Flüchtigen beschreibt, hat im Mai 1995 eine Frau getötet, in maßloser Wut. Im Juni 1997 hat er einen Abschluss erreicht. Im Juni 1998 eine Frau vergewaltigt. Er ist im Juli geboren.
Er hatte schon früher „Ausgänge“ – im Juni ist er geflohen. Möglicherweise ist diese aktuelle Zeit für Sascha B. irgendwie wichtig. Irgendwie entscheidend.
Sascha B. ist ein intelligenter Mann, der sich reflektieren kann. Bis die Wut Überhand nimmt.
Im SWR-Film erzählt Sascha B., er sei nach der Verhaftung „erleichtert“ gewesen. Nicht, weil er in Haft musste, sondern weil „sie“ ihn geschnappt hatten.
Am 17. Juni 1995, einen Tag nach dem Mord, fand ein Zeuge den Ausweis von Margot N. vor einer Sparkassen-Filiale an der Ecke Wittelsbacher-Straße/Prankhstraße. Nur wenige hundert Meter vom Ludwigshafener Polizeirevier entfernt.
Möglicherweise wollte sich Sascha B. damals selbst stellen und hat sich dann entschieden, es nicht zu tun. Erst hatte er seinem Opfer das Leben geraubt, dann ihre Identitätskarte weggeworfen. Vielleicht wollte er damals schon ein Zeichen setzen: „Schnappt mich.“
Sascha B. ist seit 12 Tagen flüchtig. Er ist sicher nicht spontan geflohen. Er wollte fliehen. Was ihn antreibt, weiß niemand. Fest steht, dass er zu äußerster Gewalt fähig ist. Auch, wenn man das seinem „Allerweltsgesicht“ nicht ansieht.
„Ausgesprochen gefährlicher Tätertyp“
Das Gericht kommt zu der Aussage, dass es sich bei Sascha B. um einen „ausgesprochen gefährlichen Tätertyp“ handelt. Ein zynischer Täter, dem seine Opfer egal sind.
Wann dürfen alle Frauen „erleichtert“ sein, dass dieser Mann wieder hinter Gittern ist?
Nach unseren Informationen ist bei den Behörden „Feuer unterm Dach“. Nicht auszudenken, wenn Sascha B. nochmals eine Frau umgebracht haben könnte. Für wen hätte das welche Konsequenzen?
Anm. d. Red.: Gewalt gegen Frauen ist kein „Kavaliersdelikt“. Zeigen Sie gewalttätige Männer an. Wenden Sie sich an Behörden oder Medien, wenn Sie feststellen, dass jemand ankündigt, Gewalt anzuwenden oder Gewalt als „normal“ rechtfertigt. Unsere Erfahrung ist – fast alle Gewalttäter haben sich vorher „geoutet“. Wer potenzielle Gewalttäter meldet, ist kein Verräter oder „spinnert“, sondern handelt verantwortlich und schützt im Zweifel Menschen vor Unheil oder Tod. Egal, ob es sich um „Terroristen“, Frauenmörder oder sonstige Kriminelle handelt.