Rhein-Neckar/Wiesloch/Südwesten, 17. Dezember 2016. (red/pro) Die Landtagsabgeordnete Claudia Martin (Wahlkreis Wiesloch) hat angekündigt, Fraktion und Partei der AfD zu verlassen. Der Fraktionsvorsitzende und Bundessprecher Prof. Dr. Jörg Meuthen reagiert rasend – wie ein “raging bull”. Ohne Sinn und Verstand. Offenbar liegen bei ihm die Nerven blank. Der Austritt von Frau Martin aus der AfD könnte sich zum kapitalen Schaden entwickeln. Die AfD Baden-Württemberg und darüber hinaus, befindet sich in unmittelbarer Gefahr. Offenbar ist das niemandem in der AfD bewusst. Hardy Prothmann über einen Wendepunkt, der das Ende der AfD schneller einleiten könnte, als die meisten gedacht haben.
Von Hardy Prothmann
Der Beweis, wir arrogant und selbstherrlich ein Prof. Dr. Jörg Meuthen sein kann, wenn seine Nerven blank liegen, zeigt die Pressemitteilung, die noch am Freitagabend verschickt worden ist – als Reaktion auf die Ankündigung der Landtagsabgeordneten Claudia Martin, Partei und Fraktion zu verlassen. (siehe Ende des Artikels die dokumentierten Zitate)
Die “offiziellen” Zeilen, die man nicht missverstehen kann und die auch nicht irgendwie verkürzt sind, triefen so vor vernichtendem Hass und wütender Lust zur Erniedrigung, dass es einen sprachlos und schaudernd macht. Diesen Jörg Meuthen mag man nicht zum Feind haben. Denn dieser Herr kann auch Scharfrichter.
Absoluter Vernichtungswille
Wer sich derart herablassend über einen Menschen – bis gestern noch Parteifreundin und Kollegin – auslässt, der kennt keine Grenzen im absoluten Vernichtungswillen. Die Pressemitteilung beweist die Gier nach öffentlicher Wahrnehmung des Vernichtungswillens.
Wenn einer der engsten Vertrauten Herrn Meuthen hintergangen hätte – man könnte die Wut verstehen. Aber eine vollständig unbescholtene Frau, die bislang eher durch große Zurückhaltung denn durch Skandale aufgefallen ist, derart fertig machen zu wollen, das ist schon ganz großes Kino. Abteilung: C-Zombie-Movies.
Wer ist diese Claudia Martin, die den “Gelehrten” Prof. Dr. Jörg Meuthen einen schier tollwütigen Wutschaum vors Maul treibt?
Wer ist diese Claudia Martin?
Claudia Martin hat Abitur. Sie hat einen erwachsenen Sohn. Ist Erzieherin. Hat aus dem Osten “rübergemacht” und lebt in Wiesloch. Die Frau hätte gerne studiert. Die Möglichkeit hatte sie nicht. Also hat sie gearbeitet.
Sie ist das, was man “den kleinen Mann” nennt – wobei man die Frauen immer vergisst. Erzieherin – das heißt meist, schlechte Bezahlung. Viel Stress. Wenig Anerkennung.
Sie ist sowas wie “das Volk”. Nur ruft sie das nicht. Über lange Zeit unpolitisch. Kümmert sich um die Familie. Dann erkennt sie in der AfD eine Chance zur Veränderung der Dinge. Denn die Dinge laufen ihrer Meinung nach nicht gut. Mit dieser Meinung ist sie nicht alleine.
Sie engagiert sich, stellt sich auf, wird gewählt. Mit 18,7 Prozent zieht sie über die Liste ins Parlament ein. Sie schneidet besser ab als im Landesdurchschnitt von 15,1 Prozent. Was für ein Erfolg.
Man hört wenig von ihr. Die AfD ist sofort nach der Wahl in Schwierigkeiten. Einer der Abgeordneten, Dr. Wolfgang Gedeon, soll ein Antisemit sein. Das geht gar nicht, denkt Frau Martin und gibt ein selbst bezahltes Gutachten in Auftrag.
Sie verlässt die Fraktion, folgt Herrn Meuthen. Und bleibt still. Die große Bühne ist ihre Sache nicht. Wenn Sie einen Wortbeitrag im Parlament hält, macht sie das gefasst, aber ohne Show, ohne Provokation. Sie nimmt das ernst – aber sie will auch durchkommen. Sie ist keine begnadete Rednerin, aber sie weiß, was sie sagen will. Und tut das auch.
Offenes Gespräch im Sommer
Ich habe Frau Martin im Sommer für ein Hintergrundgespräch getroffen – danach überlegt, ob es ein Interview oder ein Porträt werden könnte. Der Text ist nie erschienen. Nicht, weil ich mich nicht entscheiden konnte, sondern, weil wir so viel zu tun hatten. Ich habe das Thema geschoben und geschoben.
Achtung – Sie lesen jetzt etwas über die so genannte “Schere im Kopf”. Das Gespräch mit Frau Martin verlief sehr angenehm und ich hatte zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass sie irgendwie rechts oder fremdenfeindlich sein könnte. Wir haben uns in der N1 Lounge im Mannheimer Stadthaus getroffen – draußen. Ich habe die Getränke bezahlt.
Warum habe ich abseits vom Arbeitsdruck nichts von dem Gespräch berichtet? Einerseits, weil es so sehr unspektakulär war, andererseits auch, weil ich nicht als “AfD”-Präsentator gelten mochte – insbesondere von Personen der SPD und Grünen, die keine Ahnung von unabhängigem Journalismus haben, wird mir das massiv vorgeworfen und natürlich bin ich vorsichtig, weil hier durchaus große Einflusskreise bestehen. Das Treffen mit Frau Martin war derart unspektakulär und “normal”, dass eine wahrhaftige Wiedergabe dieses Treffens mir sofort den Vorwurf der “Normalisierung” der AfD eingebracht hätte.
Heute, im Nachhinein, ärgere ich mich über mein Zögern – nicht egoistisch, sondern für allem für Frau Martin über den nicht erschienenen Artikel. Denn der würde “belegen”, dass sie keine große Bühne sucht, sondern bereits im Sommer in großer persönlicher Sorge war.
Warum ärgert mich sowas? Weil ich den Job verantwortlich zu machen versuche – dabei unterlaufen mir Fehler, Nachlässigkeiten und manchmal entwickeln sich Dinge schneller, als man sie begleiten kann. Ich hätte irgendwie Zeit für einen Artikel haben sollen und habe das falsch eingeschätzt. So ist das nun einmal.
Frau Martin redete offen und ohne Scheu mit mir. Ich bin nach 25 Jahren im Job ein wenig erfahren mit Menschen. Da saß kein Polit-Profi. Kein kühl kalkulierender Geist. Sondern einfach jemand, der zu sich Auskunft gibt. Ehrlich. Ohne Arg. Manchmal wusste Frau Martin keine Antwort auf meine Fragen – ich hätte sie jederzeit “meucheln” können, ganz “wahrhaftig” in der präzisen Wiedergabe ihrer partiellen Antwortlosigkeit.
Frau Martin hat mir vertraut. Warum? Weil ich immer fair mit Ihr war. Fairness gehört für mich zum Job. Deswegen habe ich sie nicht gemeuchelt. Ich meuchle nie jemanden. Weil ich das widerwärtig finde und Zeitungen oder anderen überlasse. Klar beherrsche ich alle Mittel der Inszenierung – aber ich habe auch eine Haltung und Anstand. Deswegen habe ich auch viele Probleme mit anderen Medien.
-Anzeige- |
Sie hat so lange mit mir geredet, weil ich nicht einfach drauf gehauen habe, so wie die meisten Journalisten auf die AfD und jeden, der damit zu tun hat. Das hat ihr gefallen. Die Ehrlichkeit, die sie im Rheinneckarblog erlebt.
Großer Respekt vor der Landtagsverwaltung
Sie erzählte mir von ihren frischen Erfahrungen als Landtagsabgeordnete. Der Konflikt um Dr. Wolfgang Gedeon belastete sie sehr. Absolut glaubwürdig und nachvollziehbar. Damals war schon eindeutig klar, dass sie Rechtspopulismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit ablehnt. Deswegen hat sie sogar selbst ein Gutachten in Auftrag gegeben. Nicht über die Partei, sondern über ihr Konto bezahlt. Da meinte es eine ernst.
Als ich sie zu ihren Erfahrungen mit dem Landtag frage, berichtet sie, wie belastend die negative Energie ist. Aber: Sie schwärmt geradezu in höchsten Tönen von den Mitarbeitern der Landtagsverwaltung, die sich absolut korrekt verhielten und sie als neue, unerfahrene Abgeordnete ganz hervorragend unterstützen würden.
Sie drückt dafür Dankbarkeit und Respekt aus. Sie schätzt “die Profis” und die akribische Genauigkeit der Verwaltung – als Angestellte im öffentlichen Dienst kannte sie das bisher so nicht. Kindergärten sind halt auch was anderes als eine hochrangige Verwaltungsbehörde.
Woher kommt die Wut gegen diese Frau?
Genau diese Frau, die bislang wenig spektakulär bis eigentlich kaum wahrnehmbar war, greift der Fraktionsvorsitzende Jörg Meuthen nun mit einer vernichtenden Wut an, die eigentlich jeder gegenüber dem Antisemiten Wolfgang Gedeon vermisst hat. Doch selbst gegenüber Gedeon wäre diese Wut unangebracht gewesen.
Wieso also dieser schon fast gewalttägige Ausbruch gegenüber dieser Frau?
Möglicherweise ist es der eigene Frust, der den “lieben Bär” der AfD zur wütenden Bestie macht. Ausgerechnet eine, die nie für öffentliche Probleme gesorgt hat, die immer unterstützt hat, die loyal war, entzieht ihm jetzt konsequent die Gefolgschaft. In der Fraktion sitzen immer noch so viele Problemfälle – alle werden durch Herrn Meuthen verschont. Er hat ein Opfer gefunden, an dem er sich abreagieren will.
Sie macht das, was Herr Meuthen ständig tut – sie informiert die Medien über ihre Entscheidung, Doch das sieht Herr Meuthen als Verrat an. Wie kann eine Erzieherin, die keiner kennt, nur…?
Welche symbolische Bedeutung die einsame Entscheidung der Claudia Martin für die AfD haben kann, realisiert offenbar aktuell niemand in der AfD mit vernünftigem Verstand, obwohl man sich doch so viel auf so viele “Akademiker” einbildet.
Vernunft hatte allerdings noch nie etwas mit einem Doktortitel zu tun. Intellektualität schon gar nicht. Keiner der großen Philosophen der Antike hatte einen “Prof.” oder “Dr.”. Man traf sich meist auf Plätzen und kreuzte die Geister, nicht die Titel.
Herr Meuthen bestraft eine “einfache Frau” – das wird ihn teuer zu stehen kommen
Frau Martin ist eine “einfache” Frau. Sie ist Mutter. Sie hat einen Ausbildungsberuf gelernt und gearbeitet. Sie ist unauffällig. Sie ist nicht extrem. Sie ist der absolute Durchschnitt der Gesellschaft. Mit einer Ausnahme. Sie hat sich entschlossen, in die Politik zu gehen und nach wenigen Monaten haben sich ihre ursprünglichen Hoffnungen zerschlagen.
-Anzeige- |
Jetzt will sie versuchen, “alleine” weiter zu machen. Sie ist nicht trotzig, sondern konsequent. Sie stellt sich ihrer Verantwortung und wird dafür vom AfD-Chef in beispielloser Art und Weise angegriffen.
Frau Martin ist keine Gefahr für einen Jörg Meuthen, was einen innerparteilichen Konflikt angeht. Sie ist nicht Dr. Frauke Petry oder ein Gauland oder ein Höcke.
Sie ist eine durchschnittliche Frau mit einem nicht durchschnittlichen eigenem Willen, die Nein gesagt hat. Dafür wurde sie überdurchschnittlich angegangen und geschmäht.
Alle Frauen, alle durchschnittlichen Unterstützer der AfD werden auf Frau Martin schauen und alle werden sich erstaunt wundern, welche Hasstiraden einem blühen können, wenn man nicht nach Meuthens Herrschergnaden funktioniert.
Das wird viele nachdenklich machen. Frau Martin hat nachgedacht und ihre Entscheidung getroffen. Frau Martin ist alles, nur keine unbedachte Frau.
Ganz im Gegensatz zur Jörg Meuthen und seiner Presseabteilung. Die versuchte öffentliche Hinrichtung der Frau Martin wird die AfD möglicherweise mehr als teuer zu stehen kommen. Denn der Racheakt trifft nicht irgendeinen Radikalen, sondern eine einfache Frau, die genug Mumm hat, zu ihrer Meinung zu stehen.
Eine Partei, die irgendwas von “Lügenpresse” schwurbelt und sich als Opfer der Meinungsmache sieht, versucht gerade, eine einzelne Person nach allen Regeln der “bösen Kunst” öffentlich fertig zu machen und auf dem medialen Schafott zu hängen.
Mehr Selbstentblößung geht nicht.
Dokumentation der AfD-Pressemitteilung
AfD-Fraktion fordert Claudia Martin auf, ihr Mandat niederzulegen –
“Abgeordnete war offensichtlich von der parlamentarischen Arbeit überfordert”
Die ehemalige Abgeordnete der AfD-Fraktion Claudia Martin hat diese heute medienwirksam verlassen. Im SWR warf sie der Fraktion vor, dass dort Kritik nicht geäußert werden dürfe. “Es verwundert uns sehr, von Frau Martin eine solche Äußerung zu hören”, sagt der AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Meuthen. “Wir haben sie als einen Menschen erlebt, der anderen gegenüber mit Kritik stets wenig sparsam umging, selbst allerdings keinen kritischen Diskurs vertragen hat. Ihr Vorwurf ist also pure Heuchelei. Es ist offenkundig, dass Frau Martin mit der parlamentarischen Arbeit insgesamt überfordert war, falsche Vorstellungen dazu hatte und überdies nicht konsensfähig war”, erklärt Meuthen. “Zur politischen Arbeit gehören jedoch sowohl Fleiß auch Kompromissfähigkeit; beides hat Frau Martin vermissen lassen.”
AfD zu rechtspopulistisch – das grenzt an Realsatire
Dass die ehemalige Abgeordnete der AfD Rechtspopulismus vorwirft, grenzt an Realsatire“, meint Meuthen. „Womöglich wäre es besser gewesen, wenn Frau Martin gleich für eine der linkspopulistischen Kartellparteien kandidiert hätte.“ Claudia Martin wolle sich nach ihrem Austritt keiner anderen Partei anschließen, sagte sie dem SWR. “Wir sind uns sicher, dass sie mit diesem falschen Spiel auch bei keiner anderen Partei willkommen wäre”, meint Jörg Meuthen. “Wer möchte schon jemanden in seinen Reihen haben, der zuerst einen Deal mit dem Fernsehen macht, um dort groß herauszukommen und bis dato nicht einmal die Fraktionskollegen informiert hat.”
Hinterrücks vorbereitete Aktion für billige 15 Minuten Ruhm
“Wir fordern Frau Martin auf, ihr Mandat unverzüglich niederzulegen. Sie hat dieses Amt mit Hilfe des AfD-Programms errungen, das sie nun plötzlich als rechtspopulistisch bezeichnet. Tut sie dies nicht, hintergeht sie ihre Wähler, die sie als AfD-Abgeordnete im Parlament sehen wollten und nicht als kostspielige Diätenbezieherin auf der parlamentarischen Hinterbank”, kritisiert Meuthen. „Ob sie sich nach dieser hinterrücks vorbereiteten Aktion für billige 15 Minuten Ruhm im Parlament noch wohlfühlen wird, ist zu bezweifeln. Einer Volksvertreterin ist dieses Verhalten in höchstem Maße unwürdig.“