Mannheim/Rhein-Neckar, 15. Mai 2020. (red/pro) Am Freitag vor einer Woche kam es zu unschönen Szenen am Plankenkopf, wo sich laut Polizei rund 150 Jugendliche versammelt hatten. Tages drauf kam es zu gezielten Angriffen aus einer Menge von rund 250 Jugendlichen auf Polizeibeamte. Der Frust bei den Beamten sitzt tief. Sie fühlen sich von der Polizeiführung und der Stadt alleine gelassen.
Von Hardy Prothmann
Die Stimmung kippt. Nicht nur in Teilen der Bevölkerung. Ausgerechnet Polizeibeamte, die für Recht und Ordnung sorgen sollen, beklagen gegenüber dem RNB erheblichen Frust. Ein Beamter teilt uns mit: “Dort (Plankenkopf, d. Red.) wurden meine Kollegen von einem Mob bestehend aus kleinen Rotzlöffeln, so muss man es einfach ausdrücken, beleidigt provoziert und zum Teil auch schwer verletzt. Ein Kollege erlitt sogar einen Knalltrauma.”
Massiver Ärger bei Polizeibeamten
Ein anderer sagt: “In der derzeitigen Situation, in der die Bürger durch die Politik große Einschnitte in ihrem Leben erfahren, wird die Polizei zum Prügelknaben von allen Geselllschaftsschichten. Dabei spielt es offensichtlich keine Rolle, dass die jüngsten Ausschreitung überhaupt nichts mit der Corona-Einschränkung zu tun haben. Es haben sich Rotzlöffel zum großen Teil aus Ludwigshafen in Mannheim versammelt, um einfach Ärger zu machen. Hierbei handeln es sich um schwer erziehbare Jugendliche, die keinerlei Anstand besitzen.”
Es ist nicht zum ersten Mal, dass die Polizei nicht durchgreift, sondern vorgibt, sich “verhältnismäßig” zu verhalten. Bei der illegalen Besetzung des Großkraftwerks im vergangenen Jahr hat die Polizei rund 80 Linksextreme einfach abziehen lassen. Später wurde ermittelt, doch es konnten nur wenige Identitäten geklärt werden.
Bei der unangekündigten Demonstration vor der Kriminaldirektion in Heidelberg, wo sich die Rechtsanwältin Beate Bahner in Szene setzte – kein Durchgreifen. Hinterher bildete man eine Ermittlungsgruppe.
Als am vergangenen Samstag Böller gegen Beamte flogen und Schüsse vielen wurden nur wenige Personen festgesetzt. Und Sie ahnen es – erst Tage später eine Ermittlungsgruppe bebildet. Gestern meldete die Polizei:
“Die Beamten haben zwischenzeitlich weitere Beteiligte identifiziert, die für die Tätlichkeiten gegen Beamte sowie die Flaschen- und Böllerwürfe verantwortlich waren. Es wurden insgesamt vierzehn Ermittlungsverfahren eingeleitet. Zudem wird gegen die zwei Personen ermittelt, die im dringenden Verdacht stehen, öffentlich über die sozialen Medien zur Begehung von Straftaten aufgefordert zu haben. Auch wurden durch die Stadt Mannheim, Fachbereich Sicherheit und Ordnung mittlerweile sieben Aufenthaltsverbote unter der Androhung von Zwangsgeldern in Höhe von bis zu 5000,- Euro ausgesprochen. Die Betroffenen dürfen für die Dauer von drei Monaten weder die Planken noch das Wasserturmgelände und den Paradeplatz betreten. Die ganze Woche über und auch am Wochenende ist die Polizei gemeinsam mit der Stadt Mannheim, unter anderem mit Streetworkern und Jugendschutzstreifen im Einsatz. Gegen Störer oder Straftäter im Sinne der Gesetze und Vorschriften wird weiterhin gemeinsam mit den Ordnungskräften der Stadt Mannheim gezielt und konsequent eingeschritten.”
“250 Personen verstoßen gegen die Auflagen und nun sind 14 identifiziert? Das ist doch ein Witz”, sagt ein weiterer Beamter zu RNB. “Uns Polizisten stört es massiv, dass hier nicht härter und konsequente durchgegriffen wird. Durch die Entscheidungen der Polizeiführung machen wir uns auf der Strasse lächerlich und bringen uns in Gefahr, nur damit die Polizei political corectness bewahrt. Die Kollegen, die Tag und Nacht aufrder Straße ihren Kopf und Kragen riskieren, sind frustriert von den Bürgern, die Polizeibashing betreiben und die Situation ausnutzen, weil sie mal einen Strafzettel von der Polizei bekommen haben und verärgert sind.”
Massiver Ärger bei Bürgern
Diese Einschätzung korrespondiert mit anderen Zuschriften von Bürgern ans RNB, die davon berichten, wie sie verscheucht wurden oder Strafzettel erhielten und kein Verständnis haben, dass der “Mob” weitgehend in Ruhe gelassen wird.
Anfragen des RNB zur Sache beantwortete das Polizeipräsidium gestern nicht – mit Hinweis auf “laufende Ermittlungen”. Wenige Stunden später erfolgte dann die Veröffentlichung der Pressemitteilung. Ganz offenbar soll das RNB gezielt bei seiner journalistischen Arbeit behindert werden – es grüßt die Ära Andreas Stenger. Der neue Polizeipräsident hat es in einem Jahr geschafft, erhebliche Unruhe im Präsidium zu verbreiten – mit Folgen für die Bürgerschaft.
Wer sich mit offenen Augen umschaut, sieht überall teils erhebliche Verstöße. Was sagt die Stadt dazu? “Wir teilen Ihre Analyse ausdrücklich nicht. Die städtischen Allgemeinverfügungen und inzwischen über 700 Bußgeldbescheide sprechen eine andere Sprache”, teilt der Stadtsprecher Ralf Walther auf Anfrage schriftlich mit.
Die Stadt wiegelt ab
Auf die Frage: Welches Bild hat die Stadt durch den Einsatz von Sozialarbeitern am Sonntag gewonnen?, erhalten wir die Antwort: “Fünf Mitarbeiter*innen des FB Jugendamt und Gesundheitsamt waren am Sonntag vor Ort und haben Kontakt zu Jugendlichen aufgenommen. Am Paradeplatz und am Wasserturm hielten sich kaum Jugendliche auf, etwas stärker frequentiert war der Bereich zwischen Strohmarkt und Plankenkopf. Die Anzahl der Jugendlichen war zu diesem Zeitpunkt insgesamt nicht größer als die von Erwachsenen oder Familien, die sich im öffentlichen Bereich aufhielten. Mit ca. 25 Jugendlichen kamen die Mitarbeiter*innen ins Gespräch. Die Jugendlichen waren in der Regel gesprächsbereit, hatten aber auch kein gesteigertes Interesse gezeigt, sich mit den Sozialarbeiter*innen zu unterhalten. Die Situation war zu keinem Zeitpunkt angespannt. Die Vorfälle der vergangenen Tage wurden unter den Jugendlichen kontrovers diskutiert.”
Eine erstaunliche Aussage: “Anzahl von Jugendlichen nicht größer”. Bilden die Jugendlichen 50 Prozent der Bevölkerung ab? Eher nicht. Damit ist also belegt, dass Jugendliche in erheblicher Zahl unterwegs sind. Und wer ihr Verhalten beobachtet, sieht, dass provoziert wird, so oft man kann.
Weiter hatten wir gefragt: Der Plankenkopf ist der Eingang zur Visitenkarte Planken und dem Wahrzeichen Wasserturm. Wer sich dort wie ich am Sonntag längere Zeit aufhält, gewinnt eher den Eindruck einer heruntergekommenen Stadt – überall Müll, Horden von Jugendlichen, vorwiegen mit Migrationshintergrund, die sich provokant verhalten (Was guckst Du?). Wie lange lässt man diesen miserablen Zustand noch zu?
Die Antwort: “Eine dauerhafte Diskussion über als unverschämt empfundene Jugendliche mit Migrationshintergrund jetzt unter dem Zeichen Corona hilft nicht weiter. Auch teilen wir Ihre Wortwahl wie „Horden“ nicht. Die Stadt Mannheim setzt , wie in der Vergangenheit auf verschiedene Strategien. Das heißt einerseits Polizei andererseits Sozialarbeit aber auch das Haus des Jugendrechts.”
Weitere Frage: Sieht die Stadt Mannheim eine Gefahr, dass es erneut zu einer Gruppenbildung wie der “classics” kommt, die im öffentlichen Raum Personen angreift, darunter auch Polizeibeamte?
Antwort: “Wir analysieren das Geschehen und gehen es konsequent über die durchaus erfolgreichen Strukturen wie Haus des Jugendrechts an.”
Die sogenannten OEG-Schläger gehörten zu diesen “classics” – einer Bande von im Kern rund 30 Jugendlichen und Heranwachsenden, im weiteren Kreis deutlich über 100 Personen. Mehr als ein Dutzend kamen wegen schwerer Straftaten, vor allem Körperverletzungen, in Jugendhaft. Das RNB hatte auch damals frühzeitig das Thema aufgenommen und gewarnt – das nutzte nichts. Erst als es eskalierte, griff die Polizei durch.
Das RNB bekam Hinweise, dass die Stadt sich in Absprache mit der Polizei keine “unschönen Szenen” wünsche. Unsere Frage: Nach unseren Informationen soll die Stadt Mannheim im Austausch mit der Polizei gebeten haben, zu deeskalieren und möglichst nicht einzugreifen. Ist das zutreffend? Wenn ja, warum gibt es diese Haltung, wenn nein, welche Linie vertritt die Stadt Mannheim?
Die Antwort: “Das trifft nicht zu. Ansatz war in den vergangenen Wochen ein jeweils erfolgreiches Konzept. In Situationen, in denen sich eine „Lage“ bildet, ist es Sache der Einsatzleitung der Polizei eine angemessene Reaktion festzulegen.”
So will keiner Verantwortung übernehmen und zeigt auf jeweils andere – ein konsequentes Vorgehen ist da eher nicht zu erkennen.
Wie hatten noch mehr Fragen: Auch am Wasserturm war am Sonntag zu beobachten, dass sich viele Menschen in Gruppen auf den Rasenflächen niederließen. Ich habe zwei Mal Mitarbeiter des BOD und vier Mal Streifen der Polizei beobachtet, die allesamt weder angesprochen noch eingegriffen haben. Was ist der Grund dafür?
Die Antwort von Ralf Walther: “Es gibt gerade mit Blick auf die aktuelle Situation eine gegenteilige Linie. Wir können Ihren Vorwurf nicht nachvollziehen.”
Nächste Frage: Wie beurteilt die Stadt die Frage, ob es nicht ein fatales Zeichen sein könne, wenn es zwar polizeibehördliche Anordnungen gibt, die aber nur teilweise umgesetzt werden – könnte daraus der Eindruck entstehen, dass man diese nicht ernst nehmen muss und falls es den einen trifft, den anderen nicht, dass der Staat willkürlich handelt, es aber “verhältnismäßig” nennt?
Die Antwort: “Das ist für die jetzigen Phase eine immanente Gefahr, da die Regelungen zur Versammlung und zum öffentlichen Raum zunehmend komplex und Verstöße auch nicht mehr durch äußeren Anschein , sondern nur durch Personenkontrolle eindeutig festgestellt werden können. Dieser Gefahr ist durch Ansprache und Ordnungswidrigkeitenverfahren zu begegnen.”
Soviel steht fest: Videokameras wird es am Plankenkopf nicht geben. Prüft die Stadt Mannheim, auch am Plankenkopf nun doch Überwachungskameras zu installieren?
Antwort: “Die Installation von Überwachungskameras sind keine freie Entscheidung der Stadt Mannheim sondern haben einen klaren Rechtsrahmen. Der ist nicht gegeben. Und wird auch nicht dadurch erreicht, dass sich Personen, die Sie „Horden“ oder – zitierenderweise – „Pöbel“ nennen, sich dort aufhalten.”
Die ganze Woche über weitete die Polizei die Bestreifung aus – wie lange hält man das durch? Was, wenn der Aufruf zur Bewaffnung ernst genommen wird?
Viele dieser Jugendlichen und Heranwachsenden dürften bereits selbst einschlägige Erfahrungen haben oder kennen jemanden, der mit dem Gesetz bereits in Konflikt geraten war. Das Problem: Ist die polizeiliche Präsenz stark, bleibt es bei Provokationen. Dagegen kann man nur sehr mühsam vorgehen. Fehlt die Kontrolle, wird es übergriffig werden. Doch offenbar ist man bei den Behörden noch unentschlossen, ein Signal zu setzen, das auch die Klientel versteht – Zusprache ist das sicherlich nicht.
Aktuell kann man aus Sicht des RNB normalen Bürgern nur raten, den Plankenkopf und andere Orte, wo sich diese überwiegend migrantischen jungen Männer aufhalten, zügig zu passieren. Eine schöne Aufenthaltsqualität gibt es dort aktuell nicht.
“Über unseren Köpfen droht ständig das Damoklesschwert von Disziplinarverfahren und Anzeigen gegen Beamte”, sagt ein Polizist. “Wir alle hätten erwartet, dass sich Herr Stenger vor den Kollegen stellt, der im Video zu sehen ist, wie er einen der Störer gekonnt zu Boden bringt. Doch da kommt nichts.”
Zur Erinnerung – als die Polizei 2015 nach einem Tötungsdelikt vor der H4-Wache erheblich in die Kritik geriert, hat ausschließlich das RNB die Polizei verteidigt. Nach unseren Recherchen war schnell klar, dass ein Beamter sich gegen die Dienstvorschriften verhalten hatte, also er, weil er allein in der Wache war und deshalb nicht durch die Schleuse konnte, aus dem Fenster gesprungen war, um einen Streit zu schlichten. Als die Gruppe der streitenden ihn bedrohte, flüchtete er zurück durchs Fenster in die Wache. Kurz darauf wurde ein junger Mann tödlich mit einem Messer verletzt.
Der damalige Polizeipräsident beschrieb das Verhalten als “engagiert”, stellte sich aber unmissverständlich vor seinen Kollegen und lobte ihn für dessen mutigen Einsatz.