Rhein-Neckar, 07. August 2020. (red/pro) Das RNB hat in den vergangenen Wochen nicht im bislang gewohnten Umfang tagesaktuell eigene Informationen geliefert. Dafür gibt es Gründe. Wir beteiligen uns nicht an der allgemeinen Angstberichterstattung und auch nicht an den „Widerständen“ dazu. Die Recherche und die Analyse in solch unruhigen Zeiten ist enorm wichtig – und die braucht Zeit. Geben Sie uns diese bitte und stellen Sie Vergleiche mit anderen Medien an, um für sich einzuschätzen, wo Sie gut und hintergründig informiert werden.
Von Hardy Prothmann
Am Donnerstagabend war ich auf einer Veranstaltung der CDU Mannheim im Jungbusch am „Quartiersplatz“, den man so nennt, aber bei dem ich nicht sicher bin, ob der tatsächlich „offiziell“ so heißt. Google-Maps kennt die Location jedenfalls nicht.
Halt neben der Aral-Tankstelle, die jeder kennt, der den Jungbusch kennt.
Die CDU hatte eingeladen, weil es seit Wochen viel Stress gibt im Viertel „Jungbusch“, das vermutlich der geilste Berliner Party-Kiez außerhalb von Berlin ist.
Mannheim ist nach meiner Meinung sowieso der geilste Berliner Kiez deutschlandweit – außerhalb von Berlin. Obwohl, das stimmt nicht ganz.
Meine Meinung hierzu ist volatil. Als ich 1989 mein Studium in Mannheim angefangen hatte, war ich viel in Köln, Berlin und Hamburg. Ich habe lange Zeiten in Marseille und Paris verbracht, gut ein Jahr in Neapel gelebt, Aber Mannheim war für mich irgendwie geiler, weil aufregend, aber lebenswerter als die Moloche. Ein guter Ort für jemand, der auf dem Land groß geworden ist, Stadtluft genießen will, aber nicht in der Anonymität versinken möchte.
Mannheim hatte alles auf überschaubarerem Raum, was in den Großstädten weit verteil war und ist.
Um hier keine Zweifel aufkommen zu lassen. Ich bin und bleibe Lokalpatriot und der schönste Landstrich der Welt ist und bleibt die Pfalz. Ich bin und bleibe Pfälzer, auch, wenn meine Eltern aus Dresden und Rostock kommen, im Westen vor der Mauer in Lüneburg und Hannover sozialisiert wurden, mich ich Köln gemacht haben und ich dann letztlich in Ludwigshafen-Friesenheim auf die Welt kam.
Trotz meiner Liebe zur Pfalz, meiner Heimat und Herkunft, ist Mannheim ist eine phänomenale Stadt, die für die ich mich trotz aller Lockungen der weiten Welt entschieden habe.
Es gibt kaum eine kleine Großstadt in Deutschland, die immer wieder, positiv wie negativ, bundes- und weltweit auffällt. Weil sich in diesem Kiez enorm viele Menschen tummeln, die Probleme machen und andere, die Probleme lösen wollen. Und diese Stadt ist erheblich gut gelegen, um sich zu bewegen – in alle Richtungen und sie wird auch aus allen Richtungen erreicht. Was Fluch und Segen dieser Stadt ausmacht.
Nicht nur durch die Erfindung des Fahrrads und des Automobils machen diese Stadt aus, sondern auch durch Weiterentwicklungen wie das Phänomen der „Poser“ und die vom früheren Leiter der Verkehrspolizei, Dieter Schäfer, aus der Not heraus entwickelten „Poser-Jäger-Kontrollen“.
Für die, die sich weiterbilden wollen, erwähne ich noch Schiller und die Räuber, Kotzebue oder der Bundesparteitag der SPD in Mannheim 1995, der mutmaßlich der Anfang des Niedergangs der alten Volkspartei markiert.
Ausgerechnet in der Stadt, in der sich die SPD einbildete, besonders stark zu sein, bis ihr 2016 der AfD-Abgeordnete Rüdiger Klos das letzte verbliebene Direktmandat abnahm.
In einer SPD-Stadt, die bei der Aufarbeitung der Arisierung erkennen musste, dass einer ihrer größten Mäzene ein Arisier war und man alles beim Alten ließ – bereit, die Schande zur Kenntnis zu nehmen, aber nicht bereit, sie mit dem Zeitgeist von Pech und Schwefel zu verfolgen, wie das linksgrün gegenüber jedem erfolgt, der Zweifel an „Multikulti“ äußert.
Bähm. Jemand, der wie ich solche Sätze schreibt, muss damit rechnen, dass enorme Kräfte aktiv werden, die nur ein Ziel haben – die Vernichtung von jemandem, der solche Sätze schreibt, im Kollektiv. Das kann man jetzt faschistisch nennen oder politisch-korrekt. Jeder, wie er oder sie oder es, will.
Trotzdem lebe ich gerne hier – die Kontraste, die Konflikte, das Entwicklungspotenzial, das aus Reibung entsteht, ist in dieser „Metropole“, die keine ist, weil viel zu klein, aber doch ist, weil es es halt nix Größeres gibt. Weil es hier einfach gärt und Mannheim halt die größte Stadt im siebtgrößten Ballungsraum der Republik ist, ist faszinierend. Nicht umsonst hat der Springer-Verlag vor rund 20 Jahren hier ein „jugendliches Format“ für eine Gratiszeitung ausprobiert – und ist kläglich gescheitert.
Spießbürger treffen auf Kreative, Party-Volk auf Leute, die schlafen müssen, um arbeiten zu können. Der Migrationsanteil ist mit über 40 Prozent extrem hoch. Und alle verbindet, dass sie journalistische Angebote zwar nutzen, aber nur dann, wenn es ihrer Meinung entspricht.
Die Stadt hat historisch schon früh mit Ausländern umgehen müssen. Doch frühere Flüchtlinge in der Stadt sind nicht die von heute.
Die Bayern haben große Probleme mit dem Kurfürst Karl-Theodor, doch der hat das Weißbier und die Brezeln von hier nach Bayern gebracht, ebenso wie die Farben weiß und blau. Nur, um mal auf grundlegende Dinge hinzuweisen. München ist ohne Mannheim einfach nichts. Nicht denkbar. München hat ein Oktoberfest, das eigentlich nach Mannheim gehört.
Und mit dieser Einschätzung fangen alle vor Ort diskutierenden Probleme an.
Mannheim ist ebenso piefig wie viele Kieze in Berlin und von der Bevölkerungszahl kleiner als Neu-Kölln. Mannheim ist ein Hot-Spot, eine Ideen-Schmiede und bis heute ist es nicht gelungen, der Welt klar zu machen, was das für ein magischer Ort ist. Der Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz ist eine Ausnahmeerscheinung, ein herausragender Intellektueller mit Bodenhaftung, aber doch zu provinziell, um die Wirkung zu entfalten, für seine Stadt, die sie eigentlich verdient hätte. Denn er kriegt den Stock nicht aus dem Arsch, wie man vor Ort ohne Häme meinen würde.
Die Neckarstadt-West ist nur ein sehr kleines Abziehbild dieses Problem-Kiezes, in dem „Multi-Kulti“ als gegeben gescheitert bewertet werden kann.
Der Unterschied zu Neu-Kölln ist – in Mannheim kann man es vielleicht schaffen, den Stadtteil zu retten. Daran wird in der nordbadischen Provinz seit vielen Jahren hart gearbeitet.
In Neu-Kölln ist das vermutlich ausgeschlossen. Und die ZDF-„Reporterin“, die Mannheim in die Tonne gekloppt hat, wird neue Integrationsbeauftragte. Das lacht nur, wer ein Faible für schwarzen Humor hat.
Mannheim hat, vor allem in den 80-iger und 90-iger Jahren enorm viel Potenzial entwickelt. Es war vor allem kulturell eine kulturell bewegte Stadt, eine Stadt des Jazz. Der Clubs. Der bildenden Kunst.
Völlig unentdeckt, weil es kein Stadtmarketing gab, aber was hier in den Clubs ablief, war enorm und konnte sich mit London, Paris, New York ohne Stress messen.
Ich war dabei – sehr häufig.
Ich habe auch als junger Reporter den Aufstieg von Xavier Naidoo verfolgt, der mal als Gold-Kehle Gospel-Chor-Sänger war. Der ist später durchgestartet und dann, das ist jetzt meine Meinung, völlig durchgeknallt.
Die Stadt Mannheim hat aktuell mit der Entwicklung der Konversionsflächen städtebaulich nicht nur deutschlandweit, sondern europaweit die mit Abstand interessantesten Entwicklungen am Start. Doch es gelingt nicht, dieses Potenzial zu heben, um Mannheim als Mittelpunkt von Deutschland zu etablieren. Mannheim ist halt eine Erfinderstadt, aber andere sahnen ab.
Auch das ist nur eine Meinung. Meine Meinung. Mannheim kann sich nicht verkaufen, wird aber verkauft. Das meine ich sehr polydeutlich.
Tatsächlich erfährt die Stadt, wenn man die Aufmerksamkeitsskala anschaut, überwiegend Negativberichterstattung. Gesteuert von Standorten, die mit Mannheim nichts zu tun haben. Berlin, Hamburg, Stuttgart. Vor Ort werden erhebliche Geschäfte gemacht von Leuten, die sich aufs Geschäftemachen verstehen – seriös oder kriminell.
Wenn sich Spiegel-Tv an der Stadt vergreift, muss man sich Sorgen machen, weil andere nachziehen werden. Das ZDF hat den Beweis geliefert, mit einer vollständig durchgeskripteten „Reportage“, die der Autorin mutmaßlich einen neuen und vermutlich besser bezahlten Job verschafft hat.
Die Demontage der Stadt wird aber auch durch eine Lokalzeitung betrieben, die versucht, Skandale zu inszenieren und dabei, nach meiner Auffassung, niemals reflektiert, ob es sich dabei um eine angemessene Berichterstattung oder nur um eigene geschäftliche oder persönliche Interessen handelt. Die am Ende aber auch, das ist Schicksal, deren Niedergang vorantreiben.
In Mannheim gab es immer viel Licht, aber auch viel Schatten, was zwangsläufig untrennbar ist.
Das Rheinneckarblog ist auch eine Erfindung, die in Mannheim stattgefunden und bundesweit erhebliche Aufmerksamkeit erreicht hat. Das wollen wir fortführen – aber dafür brauchen wir mehr Unterstützung und nicht nur „solidarisch“, sondern durch Geld.
Sie entscheiden, ob eine Lokalzeitung im Sinkflug immer noch das „Top-Medium“ sein soll oder deren boulevardesken Ableger, die zum Konzern gehören. Oder ein öffentlich-rechtlicher Sender, der Mannheim häufig in den Dreck zieht und dem sich dann andere anschließen.
Neben Geld, dass Sie uns spenden können oder durch Steady zukommen lassen können, können Sie als Gewerbetreibender auch Werbung schalten und damit ein kritisches Medium im eigenen Interesse befördern.
Das RNB hat in den vergangenen Jahren sehr häufig viel Licht gegeben und einen Blick auf die Schatten geworfen. Sie entscheiden, ob und wie wir diese Arbeit machen können. Denn ohne Moos ist wenig los.
Das RNB wird von mir umgebaut – wir werden weniger tagesaktuelle Berichte liefern, sondern mehr in hintergründige Berichterstattung investieren. Damit werden wir mehr und mehr „Nische“ und folgen nicht dem allgemeinen Click-Baiting der „großen Player“.
Ob diese Strategie erfolgreich sein wird, weiß ich nicht. Aber das ist die einzige, die ich verantworten möchte.
Solide recherchierte Informationen, kluge Analysen, starke Meinungsstücke und immer eine klare Haltung, dass nur ein funktionierender Rechtsstaat und die Achtung des Grundgesetzes die wesentliche Grundlage für ein funktionierendes Gemeinwohl sein können.
Wer sich in der Welt umschaut, erkennt, dass überall dort, wo dies nicht der Fall ist, alles vor die Hunde geht.
Sie entscheiden.
Beste Grüße
P.S. Wir haben zur ZDF-Reportage über die Neckarstadt-West erhebliche Recherchen angestoßen. Das Polizeipräsidium Mannheim hat diese zunächst nicht beantworten wollen, sich dann aber dem Druck durch unsere Aktivitäten gebäugt. Die Stadt Mannheim hat demgegenüber sehr schnell reagiert, allerdings warten wir seit Wochen auf Antworten zu Nachfragen.
Eine der ersten Amtshandlungen des neuen Polizeipräsidenten Andreas Stenger war, Abos der Polizei für RNB zu kündigen. Diese haben uns rund 70 Euro pro Monat gebracht. Die Stadt Mannheim hält an deren Abos bislang fest. Die Polizei Mannheim kann also seit dem Ukas von Herrn Stenger nicht mehr legal auf unsere kostenpflichtige Inhalte zugreifen – nur seltsam, dass wir das Gefühl haben, dass man bei der Polizei alle Inhalte kennt. Wie geht das? Dieser Frage gehen wir natürlich nach.
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