
Harte Recherchen, viele Fakten haben Maik Baumgärtner und Marcus Böttcher über die Terrozelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ in einem Buch zusammengetragen.
Mannheim, 22. September 2012 (red/ld) Im Forum der Jugend in Mannheim stellte der freie Journalist Maik Baumgärtner (Spiegel, Monitor) seine Chronik der 13 Jahre im Verborgenen agierenden Terror-Zelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ vor. Die rechtsextremen Mörder Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt haben zehn Menschen getötet. Die Mordserie kam durch einen Zufall ans Licht. Seit Monaten erschüttern immer neue Details über das Versagen der Behörden die Öffentlichkeit. Baumgärtner rekonstruiert den Weg des Trios, erzählt die Geschichten der Opfer und deren Angehörigen und stellt Fragen an den Verfassungsschutz.
Von Lydia Dartsch und Hardy Prothmann
Als ich damals hörte, dass Mundlos und Böhnhardt sich erschossen haben, ist mir der Unterkiefer runtergeklappt.
erzählt Baumgärtner von seiner Reaktion auf das Bekanntwerden der später von der Presse so benannten „Dönermorde“. Baumgärtner kommt aus Jena. Die Namen Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos waren in der Stadt bekannt:
Wenn man als Linker hörte, dass die auf dem Weihnachtsmarkt oder einem Volksfest unterwegs waren, ging man nicht raus, sondern blieb zuhause.
Als er die Nachricht von den Selbstmorden und den Zusammenhängen mit der beispiellosen Mordserie hörte, sei für ihn klar gewesen, er müsse recherchieren:
Ich musste wissen, was sie in den letzten 13 Jahren gemacht haben.
Kein Tag ohne neue Details
Fast täglich werden neue Informationen über den Weg der Zwickauer Terrorzelle bekannt. Es entsteht der Verdacht, dass der Bundesverfassungsschutz darin verwickelt ist. Auch die Rolle des Baden-Württembergischen Verfassungsschutz ist unklar, ebenso die von Landeskriminalämter und dem Bundeskriminalamt (BKA). Fragen tauchen auf: Wie konnten die drei so lange unerkannt von der Polizei morden? Sind die Behörden auf dem rechten Auge blind? Wieso wurden in Bundesorganen Akten über diese Vorgänge vernichtet?
Man erstickt förmlich an der Fülle von Informationen.
begründet Baumgärtner seine Motivation, das Buch zu schreiben. Es soll eine Chronik sein, mit der die Geschichte nachvollzogen werden kann. Wenn schon nicht die Behörden für Ordnung sorgen könnten und ein chaotisches Bild bieten, so ist das Buch der Versuch, der Öffentlichkeit Orientierung zu geben und die unfassbaren Morde sowie das unfassbare, vielleicht vorsätzliche Versagen der Behörden wenigstens „zu ordnen“.
Die Chronik beginnt 1998. Am Tag der Flucht findet die Polizei bei einer angeordneten Durchsuchung vier fertige Rohrbomben. Noch kurz zuvor hatte Uwe Böhnhardt den Beamten den Weg zur Garage gezeigt, hatte sein Auto aus der Garage gefahren und war damit geflüchtet. Zwar wurde Böhnhardt schon zu diesem Zeitpunkt verdächtigt, doch mussten ihn die Polizeibeamten unbehelligt gehen lassen. Der Staatsanwalt hatte ihn nicht im Vorfeld der Durchsuchung festnehmen wollen.
Bomben, Flucht, Untergrund
Die Polizisten finden neben den Bomben Dateien und Dokumente, die den Verdacht verfestigen:
Spätestens jetzt ist klar, wer hinter den Bombenattrappen von 1996 steckt.
Doch da sind die drei Rechtsterroristen schon im Untergrund verschwunden. In den folgenden 13 Jahren ziehen sie eine Blutspur durch die Republik: Sie töten zehn Menschen: Acht türkischstämmige Männer sowie einen Griechen. Im April 2007 erschießen sie die Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn. Ihr Kollege wird ebenfalls niedergestreckt und überlebt den Kopfschuss schwer verletzt. Beim Nagelbombenanschlag von Köln 2004 verletzen sie 22 Menschen, einige davon lebensgefährlich.

Der Journalist Maik Baumgärtner bei der Lesung aus „Das Zwickauer Terror Trio“ im Forum der Jugend.
Ahnungslose Behörden?
Lange hat die Polizei keine Ahnung, dass all diese Morde und Anschläge miteinander zusammenhängen und von denselben Tätern verübt worden waren. Sie ermitteln zunächst im Umfeld der Opfer.
Vor allem die Angehörigen der Opfer leiden unter den Ermittlungen und den damit verbundenen Anschuldigen. Sie werden nun selbst zu Opfern: Im Fall des türkischen Blumenhändlers Enver Simsek aus Nürnberg vermuten die Ermittler, Simsek sei Drogenhändler gewesen und die türkische Mafia stecke dahinter.
Die Gespräche mit den Familien der Opfer waren für mich erschütternd.
berichtet Baumgärtner.
Wenn man dagegen schneidet, wie die drei im Untergrund gelebt haben – das ist unfassbar.
So habe Zschäpe nicht nur einen engen Kontakt mit ihren Nachbarn gepflegt, sondern habe auch eine Katzensitterin eingestellt, die sich während eines Urlaubs auf Fehmarn um ihre Katzen kümmerte. Freunde haben sie bei sich wohnen lassen, andere haben ihnen die Waffe, eine tschechische Pistole des Typs Ceskà CZ 83 besorgt. Ohne nachzufragen, wofür man diese Killerwaffe haben wollte.
Opfer werden beschämt
Für die Familien der Opfer ist es eine schreckliche Zeit. Sie werden selbst verdächtigt, an den Morden beteiligt zu sein. Die Ermittler erkennen nicht, dass die Tatwaffe immer die gleiche ist. Sie seien von stigmatisierten Migrantenfamilien ausgegangen, klagt Baumgärtner an:
Von den Behörden her ist Deutschland ein interkulturelles Entwicklungsland.
Nach dem Bekanntwerden der Mordserie und der Zwickauer Terrorzelle erheben die Familien der Opfer schwere Anschuldigungen gegen die ermittelnden Behörden, die die Aufklärung der Morde nicht so vorangetrieben zu haben, wie es möglich gewesen wäre. So habe es bereits vor den Morden genug Hinweise gegeben, Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos zu verhaften. Doch die Polizei und der Verfassungsschutz suchten im falschen politischen Spektrum:
Die Mitarbeiter, die dort arbeiteten, hatten die Zeit des RAF-Terrors durchlebt. Deren Feindbild lag links, bei der RAF. Die haben die rechte Gesinnung als gar nicht so bedrohlich gesehen.
Fehlende Beweise, schlampige Ermittlungen
Das Thema erhitzt die Gemüter der rund 40 anwesenden Zuhörer. Sie sind fassungslos über das, was der Journalist an Erkenntnissen zusammengetragen hat. Erschüttert. Wütend. Sie erheben den Verdacht, die entscheidenden Stellen des Verfassungsschutzes sei von Neo-Nazis besetzt.
Sie klagen an, dass Menschen aufgrund ihres „fremden“ Aussehens kriminalisiert würden, wie es bei den Brandanschlägen von Lübeck der Fall gewesen sei, als zuerst die Bewohner verdächtigt worden waren. Sie fragen, wie es sein könne, dass an einem Fastnachtssamstag ein Beamter in sein Büro geht, um Akten zu vernichten? Manche vermuten sogar eine politische Strategie hinter den Morden.
Verschwörungstheorien werden geformt und Fragen nach den Unterstützern gestellt. So habe die Terrorzelle doch aus dreizehn, nicht nur aus drei Personen bestanden. Warum werden die nicht zur Verantwortung gezogen, möchte einer wissen? Baumgärtner bemüht sich die erhitzten Gemüter wieder zu beruhigen, die das Gefühl äußern, es werde bei dem Skandal mit zweierlei Maß gemessen:
Hier gibt es ein Problem: Man sieht die Zusammenhänge, aber jedem Einzelnen etwas zu beweisen ist sehr schwer. Da fehlen einfach die Beweise. Man muss auch bedenken: Die Unterstützer waren weniger „Kameraden“, sondern Freunde. Da fragen die nicht unbedingt nach.
Die Situation wirkt paradox: Hat der Autor doch mit seinem Buch ein maßgebliches „Beweisstück“ über das Versagen der Behörden vorgelegt, verteidigt er nun, dass Unterstützer der NSU auf freiem Fuß sind. Sieht er nicht, dass „linke Verdächtige“ ganz anders behandelt würden, fragt jemand? Doch, sieht er. Aber Unrecht begründet kein weiteres Unrecht. Baumgärtner argumentiert trotz des atemraubenden Skandals vernünftig. Sein Vertrauen gilt dem Rechtsstaat, auch, wenn er hier versagt hat:
Ich bin froh, dass wir kein System einer politischen Justiz haben. In vielen Verdachtsfällen liegen für Verhaftungen nicht genug Beweise vor. Ohne Beweise keine Anklage oder Verurteilung.
Die Darstellung von Beate Zschäpe in manchen Medien als „Nazi-Frau“ und Mitläuferin, weit Baumgärtner zurück:
Beate Zschäpe soll, laut früheren Weggefährten, vor 1998 Aktionen mitgeplant und vorbereitet haben. Sie ist kein Heimchen am Herd gewesen.Die Jobs draußen haben die Männer gemacht, aber Zschäpe ist kein bisschen weniger in der Verantwortung.
Aktive Rechtsextreme in der Metropolregion
Lückenlos geklärt sind die Vorgänge um das Terrortrio noch längst nicht. Viele Fragen bleiben offen. Baumgärtner recherchiert weiter. Seine Forschungen könnten ihn auch in die Metropolregion Rhein-Neckar führen. Auch hier hat die rechte Szene aktive Strukturen, leben rechte Funktionäre inmitten der Gesellschaft. So hat es allein in diesem Jahr bis heute sechs Nazi-Kundgebungen gegeben. Eine davon war die Demonstration am 01. Mai in Neckarau, bei der tausende Gegendemonstranten eine NPD-Kundgebung mit 300 Teilnehmern blockiert hatten. (Lesen Sie dazu unsere Reportage: Warten auf den rechten Pöbel)
Völlig offen sind Fragen zum Heilbronner Mord an Michèle Kiesewetter und zum Mordversuch an ihrem Kollegen. Der Polizeibeamte war vermutlich zur falschen Zeit am falschen Ort. Die 22-jährige Polizistin Kiesewetter hingegen wurde gezielt liquidiert. Kaltblütig erschossen. Doch warum? Was war das Motiv? Fremdenhass war es nicht. Der Mord an der Deutschen passt nicht zu den anderen neun ermordeten Ausländern. Es gibt Indizien auf Verbindungen zu einer thüringischen Polizistin, die mit Rechtsextremen in Kontakt stand. Und es gibt Indizien, dass die Schutzpolizistin, die keinerlei beruflichen Bezug zur NSU hatte, möglicherweise „private“ Informationen über die NSU und weitere Rechtsradikale hatte, die zu gefährlich für die Täter waren, um sie am Leben zu lassen.
Viele Fragen durch Berliner Untersuchungsausschuss
Heute hat die Stuttgarter Wochenzeitung „Kontext“ einen Text über Vernehmungen des Berliner Untersuchungsausschusses zur Mordserie des NSU veröffentlicht, der viele Frage aufwirft. Vor allem auch in Richtung der ermittelnden Behörden, also Verfassungsschutz, Staatsanwaltschaft und Polizei in Baden-Württemberg:
(…) wenige Tage nach der Tat äußerte der Patenonkel der Polizistin bei einer Vernehmung durch die Polizei, er könne sich vorstellen, dass es einen Zusammenhang mit der Mordserie an den türkischen und griechischen Männern gebe. Der Mann ist selber bei der Polizei tätig – im Staatsschutz. Im Heimatort Kiesewetters, im thüringischen Oberweißbach, gibt es eine Gastwirtschaft, die von Leuten aus der rechten Szene besucht wird. Der Wirt ist der Schwager des Neonazis Ralf Wohlleben. Der sitzt in Haft, weil er für die Terrorgruppe Waffen besorgt haben soll. Beamte der baden-württembergischen Polizei waren vor Jahren Mitglied in dem deutschen Ableger des rassistischen amerikanischen Geheimbunds Ku-Klux-Klan. Einer von ihnen war der Vorgesetzte der getöteten Beamtin. Beide sind weiter im Polizeidienst.
Es gebe keine Verbindung, so die Behörden. Als Motiv für den Mord nimmt das BKA an, dass die beiden Rechtsterroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sich „Waffen beschaffen wollten“. Die Mitnahme der Dienstpistolen, drei Magazinen mit 39 Schuss Munition, Handschellen und Pfefferspray werten die Ermittler als „Trophäen“. Dafür gibt es aber genauso wenig Hinweise wie es angeblich keine für eine „Beziehungstat“ gibt.
Und dieses Motiv klingt äußerst merkwürdig, wenn man sich die vielen neuen Details der Mordserie anschaut. Alle anderen Opfer waren Ausländer. Waffen hatten die Mörder und die Polizeipistolen waren seit dem Raub nie benutzt worden. Für „Trophäen“ einen Mord im öffentlichen Raum zu begehen, noch dazu von Polizisten – klingt das plausibel? Die Täter hatten sich jahrelang schlau im Untergrund getarnt. Sie mussten mit einem erhöhten Ermittlungsdruck rechnen. Auffällig ist auch, dass mit dem Mord an Kiesewetter am 25. April 2007 die Mordserie abreißt. Die beiden Täter bringen sich am 04. November 2011 um.
Unbekannte Fälle, seltsame Zufälle
Zumindest ist den Behörden kein weiterer Fall mehr bekannt, der auf das Konto der NSU geht. Bis jetzt. Angeblich wollen Staatsanwaltschaften und andere Behörden nun alle nicht geklärten Fälle nochmals untersuchen, bei den Ausländer zu Tode kamen. Haben die Killer eventuell auch mit dem Brand eines von Türken bewohnten Hauses zu tun, bei dem 2008 neun Menschen, darunter Kinder, gestorben sind? (Siehe Bericht von Hardy Prothmann bei Focus Online) Ein Brandanschlag passt nicht ins „Muster“. Kiesewetter aber auch nicht. Und Heilbronn ist nicht weit weg.
Wie seltsam erscheint der „Zufall“, dass ausgerechnet Michèle Kiesewetter und ihr Kollege Opfer der rechtsextremen Killer wurden. So viele Polizistinnen kommen nicht aus dem kleinen thüringischen Ort Oberweißbach (1.890 Einwohner) nicht. Und dass sich die Kreise von Kiesewetter, einer weiteren Polizistin in Thüringen und der NSU schnitten, ist heute klar. Und ausgerechnet Kiesewetter und ihr Kollege werden „zufällig“ Opfer der Mörder? Das BKA führte an, Kiesewetter sei eigentlich in Urlaub gewesen, die Fahrtroute der Polizisten nicht definiert – auch das spreche gegen eine vorbereitete Tat. Und dass Kiesewetter observiert worden sein könnte, fällt den Ermittlern nicht ein?
Welche Verantwortung trägt der baden-württembergische Verfassungsschutz?
Das baden-württembergische Innenministerium und Polizeibehörden haben bislang jeden Verdacht, die Polizei könne rechtsextrem unterwandert sein, zurückgewiesen. Woher wissen die Verantwortlichen das, wo doch die Behörden nachgewiesenermaßen vor allem durch Inkonsequenz und schlampigen Recherchen aufgefallen sind? Gerade die Befragung des Zeugen Günter Stengel (60), ehemaliger Mitarbeiter im Verfassungsschutz, gibt nach der Darstellung von „Kontext“ neue Rätsel auf. Wieso durfte der Geheimdienstler auf Anordnung eines Vorgesetzten hin, seine Erkenntnisse aus dem Treffen mit einem Informanten nicht schriftlich festhalten?
Das Gespräch dauerte vier Stunden. Verfassungsschützer Stengel fuhr zurück in sein Büro und fertigte einen Bericht. Doch dann forderten seine Vorgesetzten ihn auf, diesen Bericht zu vernichten. Begründung: Eine Organisation namens NSU gebe es nicht, das LfV würde nur bekannte Organisationen beobachten. Und Einzelpersonen würden auch nicht beobachtet. Er sollte lediglich einen Vermerk schreiben, dass das Gespräch mit dem Informanten stattgefunden habe, aber ohne konkreten Inhalt. Es dürfe von den Namen nichts übrig bleiben, sei er angewiesen worden.
Ermittlungen gegen Zeugen wegen „Geheimnisverrats“
Verantwortungen und rechtsextreme Kontakte weisen die Behörden von sich. Dafür wird nun gegen den Zeugen Stengel ermittelt. Man glaubt kaum, aus welchem Grund: Geheimnisverrat!, wie „Kontext“ berichtet:
Dann kam der 4. November 2011 mit dem Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, der Aufdeckung der NSU-Gruppe und des Zusammenhangs der zehn Morde von Nürnberg bis Heilbronn. Stengel erinnerte sich an die Aussagen seines LfV-Informanten von 2003, in denen eben Mundlos und der Begriff NSU auftauchten. Er wandte sich nun an das BKA und wollte das mitteilen. Stattdessen bekam er Besuch vom Landeskriminalamt. Dass er das BKA kontaktierte, wertete sein ehemaliger Dienstherr, das LfV, als potenziellen Geheimnisverrat. Gegen ihn wurde nun ermittelt. „Ich habe gedacht, jetzt müssen alle Demokraten zusammen das aufklären, aber …“ Er beendet den Satz nicht.
Mittlerweile werden Stimmen laut, die auch in Baden-Württemberg einen Untersuchungsausschuss fordern, um die Gründe für die Ermittlungspannen im Fall Kiesewetter aufzuklären und die Arbeit der Geheimdienste zu prüfen. Von Seiten der Grünen ist man nach unseren Informationen soweit, „aber die SPD mauert“, sagt uns ein Insider. Warum? Hat man Sorge, dass der SPD-Innenminister Reinhold Gall ähnlich unter Druck gerät wie der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU)?
Wie weit gehen die Chefs baden-württembergischer Polizeibehörden, um Ermittlungspannen zu vertuschen? Diese Frage haben wir in unserer vorletzten Ausgabe gestellt. Anlass dazu war und ist insbesondere der Polizistinnenmord von Heilbronn, der sich am Ostermontag zum vierten Mal gejährt hat. Statt dem Mörder der jungen Streifenpolizistin Michèle Kiesewetter hatten die Heilbronner Polizei und das Landeskriminalamt, wie sich im März 2009 zeigte, zwei Jahre lang ordinäre Wattestäbchen gejagt, mit einem finanziellen Millionenaufwand, der ins Leere ging. Und statt die in Angst und Schrecken versetzte Bevölkerung rechtzeitig aufzuklären, hatten die Ermittlungsbehörden monatelang DNA-Funde geheim gehalten, die eindeutig zeigten, dass es die inzwischen legendäre „Phantomkillerin von Heilbronn“ nicht geben konnte
Petra Pau, Abgeordnete der Linken und Mitglied im Berliner Untersuchungsausschuss jedenfalls findet bereits eindeutige Worte. Laut der Zeitung „Welt“ bemängelte sie, ein rechtsextremer Hintergrund der Taten sei von den Ermittlern zu früh ausgeschlossen worden. Zudem sei von den Zuständigen „latent rassistisch“ gedacht worden: Vor allem Sinti und Roma hätten im Zentrum der Ermittlungen gestanden.
Die Taten der NSU wurden alle unter der damals CDU-geführten Landesregierung begangen. Auch der Mord an Kiesewetter. Und die CDU hat ein latentes Problem mit Nazis und Rechtsradikalen. Angefangen vom von den meisten bis heute verehrten früheren Ministerpräsidenten Hans Filbinger, der ein Nazi-Richter war, über den hoch angesehenen Schwaben Paul Binder, der vom Raub jüdischen Eigentums profitierte, bis hin zur bis heute einflussreichen, rechtskonservativen Kaderschmiede Studienzentrum Weikersheim.
Ein mindestens rechtskonservativer Geist des fast 60 Jahre lang CDU-geführten Landes machte unter Umständen die Behörden auf dem rechten Auge blind. Man sollte die Sehschärfe aktuell sehr genau unter die Lupe nehmen.