Rhein-Neckar/Berlin/Stuttgart, 10. Dezember 2013. (red/pm) Prof. Dr. Hajo Funke, einer der renommiertesten Politikprofessoren Deutschlands und ausgewiesener Rechtsextremismus-Experte fordert im Sinne der öffentlichen Sicherheit einen sofortigen Rücktritt von Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD). Er wirft dem Minister vor, nicht an einer systematischen Aufklärung des Polizistenmords von Heilbronn und dem Wirken der NSU und Unterstützern im Land interessiert zu sein.
Von Hardy Prothmann
Der Berliner Professor Dr. Hajo Funke ist sicher kein Hitzkopf. Auf unsere Nachfrage begründet er seinen Vorstoß mit einem klaren “Jetzt reicht’s”. Er sei seit langer Zeit immer wieder angesprochen worden, sich einzumischen und etwas zu unternehmen. Seit geraumer Zeit beobachte er die Entwicklungen in Baden-Württemberg und insbesondere die angebliche Selbstverbrennung des “Florian H.” im Vorfeld einer Vernehmung “stinke für ihn zum Himmel”:
Es ist offensichtlich kein Ermittelungswille erkennbar. Auch nicht in Sachen Heilbronner Polizistenmord. Warum auch immer.
Aus seinem Kontaktkreis und nach seinen Recherchen fühlten sich immer mehr Menschen im Raum Heilbronn unsicher und durch rechte Gewalt bedroht. Es entwickle sich ein Gefühl der Hilflosigkeit angesichts der laxen Untersuchungen im Land, um den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter aufzuklären. Polizisten als Ku-Klux-Klan-Mitglieder, vorhandene organisierte rechtsextreme Terroristenstrukturen seien durch Gruppen wie “Standarte Württemberg” klar erkennbar – doch es würde so getan, als sei Rechtsextremismus im Land kein Problem.
Wir dokumentieren das Schreiben (Hervorhebung durch die Redaktion):
Offener Brief an Landesregierung und Parlament in Baden-Württemberg zu einem fälligen Kurswechsel gegenüber gewalttätigem und rechtsterroristischem Rechtsextremen
“Die berechtigten Nachfragen zu den Umständen der Ermordung von Michele Kiesewetter vom 25. April 2007 verlangen einen anderen Umgang, als den bisherigen der Landesregierung. Immerhin ist eine Mehrtäterschaft in dem Falle der Ermordung von Michele Kiesewetter durch weitere gewalttätige Rechtsextreme, auf der Basis einer Kette ernsthafter Hinweise und Indizien vielfach plausibler als der bisherige offizielle Stand, das Trio hätte diese Tat allein zu verantworten.
Wir müssen – nach eingehenden Recherchen in den letzten Monaten – davon ausgehen, dass es nicht nur wie in anderen Bundesländern gewalttätige Rechtsextreme im Land Baden-Württemberg gibt, sondern diese auch das Interesse haben und alles tun, eine mögliche Mittäterschaft nicht bekannt werden zu lassen. Umso dringender wäre eine schnelle, zügige und entschiedene Klärung dieser allenthalben auch öffentlich gestellten Nachfragen und Infragestellungen der bisherigen Bekanntmachungen.
Zügigkeit ist umso mehr geboten, als sich die Anzeichen dafür mehren, dass die lasche oder unfähige Aufklärung der Mordumstände im Falle Michele Kiesewetter und anderer rechtsextremer Gewalttaten als eminente Schwäche in der regionalen Sicherheitspolitik, auch und gerade von gewalttätigen Rechtsextremen, gedeutet wird und so deren Spielraum erhöht und damit die Sicherheit aller weiter zu gefährden droht.
Inzwischen drängt sich der Verdacht auf, dass Sie, Innenminister Reinhold Gall, nicht an einer systematischen Aufklärung interessiert sind. Es ist schlicht unerfindlich, warum Sie den Wunsch nach einer parlamentarischen Aufklärung mit allen Mitteln verzögern und letztlich blockieren.
Wer aber nicht an einer restlosen Aufklärung und ihrer prekären Sicherheitsfolgen bis heute interessiert ist, ist des Amtes unfähig und sollte zurücktreten.
Landesregierung und Parlament sind angesichts der akuten Gefährdung der Sicherheit von Rechtsextremen Bedrohten im Land Baden-Württemberg aufgefordert, endlich mit aller Entschiedenheit ungeklärte Gewaltfälle (weiter) zu ermitteln und als Parlament einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, um der Aufklärung den nötigen öffentlichen Nachdruck zu verleihen.
Prof. Dr. Hajo Funke”