Ladenburg/Rhein-Neckar, 11. Mai 2012. (red) Am 08. Mai diskutierten Landtagsabgeordnete und Bürger im Ladenburger Domhof über ein NPD-Verbot. Heute hat der Verfassungsschutz seinen Jahresbericht vorgelegt. Die NPD stagniert demnach, übt aber zunehmend Einfluss auf andere rechtsextreme Gruppen aus und hat 2011 eine Vielzahl von Demonstrationen organisiert.
Von Hardy Prothmann
Die Aufdeckung der Mordserie des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds im November 2011 habe zu einer veränderten Einschätzung des rechtsextremistischen und gewaltbereiten Lagers geführt. Eine derartige terroristische Vorgehensweise habe sich im Bereich der rechtsextremistischen politisch motivierten Kriminalität bis dato nicht gezeigt.
Mangelhafte Aufklärung
Der erste Satz des Verfassungsschutzberichts zeigt, dass die Aufklärungsarbeit der Verfassungsschützer mangelhaft war. Über Jahre konnte die Terrororganisation „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) ausländische Mitbürger umbringen.
Immerhin haben die Sicherheitsbehörden verstanden, dass dieser Terror eine andere Gewaltdimension hat, als die linksautonome Szene. In Baden-Württemberg zählte der Verfassungsschutz 2011 laut Innenminister Reinhold Gall rund 690 gewaltbereite Rechtsextreme, 20 mehr gegenüber dem Vorjahr.
Überwiegend seien es Skinheads (450), stark steigend ist aber die Zahl der „Autonomen Nationalisten“ (190), die äußerlich eher wie Linksautonome wirken, aber stramm neonazistisch sind und mittlerweile in der rechten Szene als „etabliert“ gelten. Insgesamt waren 2011 35 rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten registriert worden – ein leichter Rückgang gegenüber 39 im Jahr 2010. Die Gesamtzahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten sei jedoch von 917 auf 988 gestiegen. Zur Personengruppe der Rechtsextremisten zählt der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg rund 2.000 Personen.
Die Zahl der Demonstrationen von Rechtsextremisten hat deutlich zugenommen: von fünf im Jahr 2010 auf 13 im Jahr. Die NPD stagniert zwar bei den Mitgliedern (460), ist aber anscheinend aktiver und übe einen spürbaren Einfluss auf die rechte Szene aus. Bei der baden-württembergischen Landtagswahl am 27. März 2011 konnte die NPD aber lediglich 0,97 Prozent der Wählerstimmen gewinnen – trotzdem kassiert die Partei Steuergelder. Innenminister Gall:
Diese neonazistische Großdemonstration sowie die damit zusammenhängende Kampagne ist ein eindrückliches Beispiel für den Schulterschluss der NPD bzw. ihrer Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten (JN) mit der Neonaziszene.
Die Mitgliederzahl der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) sei in Baden-Württemberg von 110 im Jahr 2010 auf 90 im Jahr 2011 gesunken. Dennoch sei es der JN mit landesweit zwölf „Stützpunkten“ gelungen, eine relativ stabile Organisationsstruktur zu etablieren.
Machen neue Aktivitäten ein NPD-Verbotsverfahren möglich?
Diese Aktivitäten werden genau beobachtet, weil sie herangezogen werden müssen, um ein NPD-Verbotsverfahren zu begründen, über das die Innenminister im Dezember 2012 entscheiden wollen. 2003 ist der Versuch wegen Einflussnahmen durch V-Leute des Verfassungsschutzes gescheitert.
Die Zahl gewaltorientierter Linksextremisten in Baden-Württemberg sei im Jahresverlauf 2011 erstmals seit Jahren wieder von 590 auf 680 Personen angestiegen. Dies sei auf vermehrte Aktivitäten und Gruppenbildungen, vor allem in Freiburg und im Bodenseeraum zurückzuführen.
Linksextremistische Gewalt sei auch 2011 in erster Linie von den sogenannten Autonomen ausgegangen. Sie betrachteten die Anwendung von Gewalt als legitimes Mittel. Auch staatliches Handeln treffe zunehmend auf gewaltsamen Widerstand.
Ein deutlicher Anstieg um 14 auf 88 Fälle sei bei linksextremistischen Gewalttaten zu verzeichnen gewesen. Ursächlich hierfür sei vor allem eine Häufung schwerer Gewalttaten in Freiburg. Dort sei es zu mehreren Brandanschlägen auf Dienstfahrzeuge der Polizei gekommen. Wie aus mehreren Bekennerschreiben hervorging, waren diese Gewalttaten eine Reaktion auf „staatliche Repression“ gegen die Szene.
Im Vergleich wird deutlich, dass die rechtsextremistische Szene deutlich mehr Straftaten begeht – viele Beobachter kritsieren, dass die linke Szene im Verhältnis viel stärker beobachtet würde. Beispielsweise soll der Mord an der Heibronner Polizistin auf das Konto des „Nationionalsozialistischen Untergrunds “ (NSU) gehen.
In Heidelberg flog ein verdeckter Ermittler im linken Studentenmilieu auf, der eine harmlose Gruppe bespitzelte.
Den Staat kosten die Extremisten viel Geld. Auf jährlich 100 Millionen Euro beziffert der innenpolitische Sprecher der Landesregierung, Uli Sckerl, die Kosten auf für Sicherungsmaßnahmen. Allein der Einsatz von 1.900 Polizisten am 01. Mai anlässlich einer NPD-Demonstration mit 300 Teilnehmern soll rund eine Million Euro gekostet haben. Die Polizei sorgte dafür, dass die Ultrarechten nicht auf Linksautonome treffen konnten – eine Straßenschlacht konnte so verhindert werden.
Hinweis: Auf dem Rheinneckarblog finden Sie hier zur NPD-Demo in Mannheim umfangreiche Berichte.
Dokumentation: Der Verfassungschutzbericht 2011 lässt sich hier downloaden.