Mannheim/Rhein-Neckar, 05. Mai 2017. (red/pro) Prof. Dr. Jochen Hörisch, Lehrstuhlinhaber für Neuere Germanistik und qualitative Medienanalyse an der Universität Mannheim, fühlt sich fast beleidigt, weil er sich zum Text “Marionetten” der “Söhne Mannheims” äußern soll: “Dieser Text ist nicht interpretationswürdig”, meint er, sagt dann aber doch mit deutlichen Worten, was er davon hält. Herr Hörisch ist einer der renommiertesten Germanisten Deutschlands und kennt sich auch mit Gott, Geld und Medien aus. Der Titel seiner Antrittsvorlesung 1989 lautete: “Das Abendmahl, das Geld und die Neuen Medien – Poetische Korrelationen von Sein und Sinn.”
Im Kern stimmen die Aussagen des Professors mit unserer bisherigen Berichterstattung überein (siehe Links unten). Unsere Berichte haben insbesondere bei Hardcore-Naidoo-Fans für sehr viel Aufregung gesorgt. Auf Facebook mussten wir hunderte Personen wegen Verstößen gegen unsere Netiquette blockieren und noch mehr Kommentare löschen – während andere Medien um jeden Fan buhlen, haben wir uns also von sehr vielen getrennt. Spaß macht das keinen, aber wir wollen vernünftige Leute auf unserem Angebot und keine Verschwörungstheoretiker und Hater. Und vor allem keine, die vor lauter “Erbrechen” den Verstand verloren haben.
Was der renommierte Wissenschaftler in aller Deutlichkeit sagt, toppt unsere Einordnung in der Eindeutigkeit der Sprachwahl noch.
Wir dokumentieren einen Teil eines Gespräch im SWR zur Einordnung von “Marionetten” und literarischen Verirrungen bedeutender Schriftsteller sowie einer soziologischen Einordnung des “Symptoms Naidoo”, für die es sogar ein “Lob” gibt.
Zur Frage, wie rechtspopulistisch ist der Text von “Marionetten”?
Prof. Dr. Jochen Hörisch: “Vollkommen eindeutig, der Text macht ja interpretatorisch überhaupt keine Schwierigkeiten. Der Text hat einen einzigen Vorteil, dass er aus seiner Gesinnung keinen Hehl macht. Was soll man denn da interpretieren? Man kann gar nicht so viel fressen, wie man kotzen möchte, wenn man diesen Text sieht. Ich hoffe, ich äußere mich eindeutig, so, dass auch Naidoo das versteht. Und wenn er dann in die Opferrolle schwenkt und sagt, wie könnt Ihr nur so böse missinterpretieren, würde ich sagen, der Fall ist vollkommen eindeutig, es ist ein widerwärtiger, rechtsradikaler, ein dummer Text.”
Wie deutet man Formulierungen wie den Bauer, der mit der Forke aufräumen kommt?
Hörisch: “Die muss ma ja gar nicht deuten. Die muss man ja nur zitieren, um zu wissen, was gemeint ist. Ich zitiere mal: “Alles nur peinlich, so was nennt sich dann Volksvertreter, Teile Eures Volkes nennen Euch schon Hoch- oder Volksverräter. Alles wird vergeben, wenn Ihr einsichtig seid” – sehr sehr großzügig – “Sonst sorgt der wütende Bauer mit der Forke, dass Ihr einsichtig seid.” Also, es ist wirklich der Aufruf, Volksvertreter in Parlamenten mit der Forke totzuschlagen. Und das ist kein Ausrutscher, sondern ein Leitmotiv in diesem Text, der unerträglich dämlich ist und an die untersten Instinkte appelliert. Der auch rhetorisch keine Glanzlichter setzt. Also “wenn ich so einen in die Finger kriege” – ich zitiere einfach mal weiter – “dann reiß ich ihn in Fetzen. Und da hilft auch kein Verstecken hinter Paragrafen und Gesetzen. Ich bin einigermaßen irritiert und geradezu beleidigt, wenn man mich bittet, diesen Text zu interpretieren. Er ist nicht interpretationsbedürftig. Er ist von schockierender Eindeutigkeit und er ist auch nicht interpretationswürdig. Normalerweise – entschuldigen Sie meine professorale Arroganz – ist das nicht mein Niveau. Das ist das Niveau von irgendwelchen Kneipendielen, wo das Erbrochene liegt und was soll man da viel interpretieren? Naidoo redet und singt sich um Kopf und Kragen und spielt dann denjenigen, der übel verfolgt wird. Er ist der Verfolgende, er ist derjenige, der zu Mord und Totschlag aufruft. Das tu ich nicht – umgekehrt, lasst den Naidoo leben, lasst ihn sich weiter unmöglich machen. Aber bitte, bitte jetzt nicht noch eine Mitleidswelle für Naidoo, der Kerl verdient sehr gut mit ziemlich dämlichen Texten. Der bedarf unseres Mitleids nicht. Diejenigen, die von ihm so angegriffen werden, die sind verteidigungsbedürftig.”
(…)
Wenn Sie wissen wollen, welches Phänomen der Germanistikprofessor interessant findet, beispielsweise eine auf den Rücken einer Schildkröte aufgenagelte Welt, dann hören Sie den Beitrag weiter. Es geht auch um bedeutende Schriftsteller, die daneben gelangt haben. Hier noch ein Satz zu Naidoo: “Und da kann man vielleicht Naidoo ein Kompliment machen. Als Gestörter ist er ein Symptom, das Aufschluss gibt über bestimmte Mentalitäten in der Gesellschaft.”