Stuttgart, 27. Juli 2015. (red/ms) Das Integrationsministerium Baden-Württembergs ist hochumstritten und wird von der Opposition aus CDU und FDP/DVP immer wieder harsch angegangen. Aktuell dürfte Kritikern neue Munition geliefert worden sein: Denn vergangene Woche veröffentlichte der Landesrechnungshof seine Denkschrift für 2015. Das Fazit zum Integrationsministerium ist vernichtend. Es wird nahegelegt, das Integrationsministerium aufzulösen und als Stabsstelle im Innenministerium einzurichten.
Das Fazit des Landesrechnungshof ist deutlich:
Das Ministerium für Integration ist ein kleines Ministerium mit wenigen Aufgaben. Es benötigt viel Personal für seine eigene Verwaltung. Die Aufgabenerledigung sollte anders organisiert werden.
Nach dem Regierungswechsel 2011 wurde unter grün-rot das Ministerium für Integration eingeführt. Es ist deutschlandweit einzigartig – nirgendwo sonst gibt es ein Minsiterium, das sich ausschließlich mit Integrationspolitik und Zuwanderung befasst. Diese Aufgaben werden in der Regel von Innenministerien und Justizministerien wahrgenommen.
Mit nur 59 Planstellen ist es das kleinste Ministerium Baden-Württembergs. Allerdings gibt es drei Abteilungen mit insgesamt zehn untergeordneten Referaten. Das sorgt für viel Führungspersonal: 56 Prozent der Bediensteten im höheren Dienst und verdienen ein entsprechendes Gehalt. Lediglich das Sozialministerium (61 Prozent) und das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur (59 Prozent) weisen hier höhere Quoten aus. Beim Staatsministerium liegt der Anteil bei 42 Prozent.
Ständig steigende Kosten
Teilweise haben Referatsleiter nur einen einzigen Mitarbeitenden. Das wird vom Landesrechnungshof deutlich kritisiert. Durch die “sehr kleinteilige Organisationsstruktur” gebe es “überproportional viele hoch bezahlte Führungskräfte bei vergleichsweise wenigen Mitarbeitenden”.
Die ständig ansteigenden Kosten für das Integrationsministerium werden ebenfalls thematisiert: 2012 standen dem Ministerium 67 Millionen Euro zur Verfügung – für 2016 werden 529 Millionen Euro eingeplant. Allerdings wird nur ein Bruchteil des Budgets für Personalkosten aufgewendet. Der Landesrechnungshof schreibt dazu:
Ohne den Finanzbedarf für die Flüchtlingsaufnahme und -unterbringung verbleiben dem Ministerium jährlich bis zu zwölf Millionen Euro, die zum größten Teil für Personalkosten, Fördermaßnahmen und Projekte ausgegeben werden.
Die Ausgaben für Flüchtlingsaufnahme und -unterbringung werden vom Landesrechnungshof nicht angeprangert – ungefähr alles andere dagegen schon.
Subtile Seitenhiebe
Die Denkschrift des Rechnungshofs ist voller Seitenhiebe, die den Nutzen des Ministeriums – mehr oder weniger subtil – in Frage stellen und dessen Wirtschafltichkeit bezweifeln. Zum Beispiel:
Die Bildung eines kleineren Ressorts ist aus politischen Gründen durchaus möglich, um politische Impulse zu geben oder ein Anliegen im öffentlichen Diskurs besonders hervorzuheben und sichtbar zu machen. Gleichwohl ist dies im bundesdeutschen Vergleich die absolute Ausnahme. So sind Themen wie Integration, Verbraucherschutz, Kunst und Gleichstellung in der Regel mit anderen unmittelbar berührten Themen in einem größeren Ministerium organisatorisch geclustert.
Oder etwas deutlicher:
Mit dem Zuschnitt einzelner Ministerien kann sie (die Landesregierung) auch staatskommunikative und symbolische Ziele verfolgen. Sie ist dabei nicht allein an organisationswissenschaftliche und rein wirtschaftliche und fiskalische Überlegungen gebunden. Gleichwohl sollte sie diese beachten.
Der von der Regierung gewählte Zuschnitt des Ministeriums für Integration sei gemessen an der Querschnittsaufgabe Integrationspolitik, aber auch an der aktuellen Herausforderung der Flüchtlingspolitik nicht optimal.
Deutliche Kritik
Das Ministerium habe insbesondere in den Jahren 2011 und 2012 – anschließend “in nicht mehr ganz so großem Ausmaß” – eine “Vielzahl von Kleinprojekten unsystematisch und teilweise auch fehlerhaft gefördert”. Dies sei aber häufig nur schwierig nachvollziehbar. Denn:
Eine schriftliche Konzeption für alle Förderungen gibt es bislang immer noch nicht, obwohl das Ministerium für Integration zu Beginn der Legislaturperiode festgestellt hat, dass die bisherige Förderpolitik eine gestaltende Integrationspolitik nicht erkennen lasse. Eine Bestandsaufnahme der Gesamtsituation hat das Ministerium nicht vorgenommen. Bis heute fehlt eine Übersicht über die Integrationsprojekte im Land und deren Träger und dadurch auch der Überblick, was von wem erledigt und was in welcher Höhe mit staatlichen Mitteln gefördert wurde.
In vielen Fällen habe es gar kein erhebliches Landesinteresse an einer Förderung gegeben. Lediglich regionale Programme hätten davon profitiert – aber nicht das Land Baden-Württemberg als Gesamtes. Etwa als 2013 das “Interkulturelle Fest” in Schwetzingen gefördert worden ist, um einen kostenfreien Eintritt in den Schwetzinger Schlosspark zu ermöglichen. Oder als 2012 ein Projekt der Elternbildung in Tübingen verlängert wurde, obwohl laut Landesrechnungshof “das Ministerium für Integration zuvor in einem internen Vermerk sogar ausführlich dargelegt hatte, dass eine Förderung auch abgelehnt werden müsse, weil die Ziele nach Angaben des Projektträgers bereits erreicht, beziehungsweise sogar überschritten wurden”.
Weiter heißt es in der Denkschrift, manche Förderanträge seien bewilligt worden, obwohl gar nicht genau klar gewesen sei, welche Tätigkeiten nun genau gefördert würden. Insgesamt erscheint das Bild, das der Landesrechnungshof vom Integrationsministerium zeichnet, geradezu stümperhaft:
Bei der Einbürgerungskampagne des Ministeriums für Integration wurde 2012 eine Werbeagentur beauftragt. Die Auftragssumme betrug 100.000 Euro. Die ursprüngliche Auftragssumme wurde dann aber ohne Vertragsergänzung um mehr als 100 Prozent überschritten.
Teilweise gebe es zwischen dem Integrationsministerium und insbesondere mit dem Innenministerium, dem Justizministerium und dem Kultusministerium inhaltliche Überschneidungen und Aufgaben würden doppelt ausgeführt oder wegen mangelhafter Kommunikation vernachlässigt.
“Ministerium kann so nicht weiter bestehen”
Der Rechnungshof kommt zu dem sehr deutlichen Fazit, dass das Integraionsministerium in dieser Form nicht weiterbestehen könne. Es müsse entweder abgeschafft oder grundlegend reformiert werden.
Auch dazu macht der Rechnungshof Vorschläge: Man könne beispielsweise das Ministerium auflösen und die integrations- und flüchtlingspolitischen Zuständigkeiten wieder in andere Ressorts – etwa das Innenministerium – übertragen. Oder den Aufgabenbereich des Integrationsministeriums erweitern, die Strukturen verbessern und insbesondere die Koordinierungsfunktionen stärken.
Bevorzugt wird vom Landesrechnungshof allerdings die Variante, das Integrationsministerium als Stabstelle im Bereich des Staatsministeriums anzusiedeln. Dort könne man eine politische Akzentuierung erzeugen, indem eine Staatsministerin bestellt wird. Dort könne diese über die Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten die Integrationspolitik der gesamten Landesregierung koordinieren. Außerdem sei diese Option unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten die beste, “weil höherwertige Stellen eingespart werden können”.
Integrationsministerium verteidigt sich
Integrationsministerin Bilkay Öney hält von diesen Vorschlägen nicht viel: Das Ministerium verteidigt sich gegenüber den Vorwürfen des Landesrechnungshofs. Die Zusammenlegung von Referaten – und erst recht die Auflösung des Ministeriums – wird abgelehnt. Die Bedeutung des Themenfelds Integration rechtfertige ein eigenständiges Ministerium.
Die Vorschläge des Rechnungshofs zur Neuorganisation würden sich zu sehr an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientieren und die politische Dimension eines eigenständigen Ministeriums zu wenig berücksichtigen. Dass die Arbeitsgruppen so klein sind, sei der allgemein sehr geringen Größe des Ministeriums geschuldet. Außerdem sehe man im Gegensatz zum Rechnungshof das “erhebliche Landesinteresse” bei der Förderung von regionalen Programmen als gegeben an.
Hat das Mininsterium eine Zukunft?
Spannend wird sein, wie die Opposition aus CDU und FDP/DVP auf die Denkschrift des Rechnungshofs weiter reagiert – denn für die Kritiker waren erste Informationen zur Denkschrift bereits vor Erscheinen ein gefundenes Fressen. Aktuell erscheint es unwahrscheinlich, dass das Integrationsministerium nach einem möglichen Regierungswechsel 2016 eine Zukunft hat.
Wenn Grüne und SPD an der Macht bleiben, werden sie den Fortbestand des Ministeriums rechtfertigen müssen – Möglichkeiten, sich zu bewähren, sollte es dann genügend geben. Denn insbesondere die ansteigenden Flüchtlingszahlen werden in den kommenden Jahren vermutlich eine der größten Herausforderungen für die Landespolitik werden.