Mannheim, 10. Mai 2016. (red/ms) Eines steht schon jetzt fest: Der neuen Landesregierung von Baden-Württemberg stehen gewaltige Herausforderungen bevor. Eine Herkulesaufgabe wird es sein, gelungene Integrationspolitik umzusetzen. Das bundesweit einzigartige Integrationsministerium wird unter grün-schwarz allerdings abgeschafft werden. Dr. Bernhard Lasotta (CDU) hat die Koalitionsverhandlungen zur Integrationspolitik geführt. Im Interview mit dem Rheinneckarblog erläutert er, was man die kommenden fünf Jahre besser machen will.
Interview: Minh Schredle
Über das vergangene Jahr sind mehr als 150.000 Flüchtlinge aus verschiedensten Kulturkreisen nach Baden-Württemberg angekommen. Unter grün-schwarz wird das Integrationsministerium nun abgeschafft – bräuchte man das aktuell nicht dringender denn je?
Dr. Bernhard Lasotta: Integration ist eine Querschnittsaufgabe und betrifft alle Bereiche der Gesellschaft und der Landespolitik. Warum sollte also ein isoliertes Ministerium diese Aufgabe übernehmen? Hinter dem Integrationsministerium stand viel Symbolpolitik – aber es hat ineffizient gearbeitet.
Gibt es dafür Beispiele?
Lasotta: Das Integrationsministerium hatte im Vergleich zu anderen Ministerien einen geringen Etat, der gar nicht ausreichen konnte, allen wesentlichen Herausforderungen der Integrationspolitik gerecht zu werden. Das Ministerium hat zum Beispiel Kulturfeste gefördert oder andere Einzelmaßnahmen unterstützt. Aber insgesamt waren die Kompetenzen und Steuerungsmöglichkeiten des Ministeriums überschaubar. Es konnte nie eine Koordinierungsfunktion wahrnehmen.
“Ineffiziente und unübersichtliche Strukturen”
Das heißt?
Lasotta: Das Integrationsministerium hat nie alle Aufgaben betreut, die zum Themenkomplex Integration gehören. Ein Beispiel ist die Sprachförderung für Migranten, die ja ein ganz entscheidender Punkt für gelungene Integrationspolitik ist: Deutschunterricht war aber immer ein Teil der Bildungspolitik und damit eine Angelegenheit des Kultusministeriums. Eigenständige Ansätze zur Sprachförderung wurden nicht mit bestehenden Programmen verknüpft.
Aber wenn alle wissen, was sie zu tun haben, sollte das doch eigentlich kein Problem darstellen, oder?
Lasotta: Genau das ist aber ein wesentlicher Punkt meiner Kritik: Die Organisationsstruktur des Ministeriums war ineffizient und unübersichtlich. Bei der Integrationspolitik ist viel durcheinander gegangen. Bei vielen Themen waren die Zuständigkeiten gar nicht präzise genug definiert und dann kam es immer wieder zu unnötigen Verzögerungen, weil unklar war, wer sich überhaupt um was zu kümmern hatte.
Und welche Konsequenzen hatte das?
Lasotta: Oft gab es ein monatelanges Hin und Her zwischen den Ministerien, bevor endlich etwas passiert ist. Als dann die Flüchtlingszahlen im Herbst so stark angestiegen sind, musste dem Integrationsministerium die Koordination der Aufgabe abgenommen werden, weil es nicht handlungsfähig genug war, diese Herausforderung zu bewältigen. Das Innenministerium ist dann eingesprungen, um effizienteres Handeln zu ermöglichen.
Gesamtgesellschaftliche Ansätze
Warum stellt man dem Ministerium nicht einfach mehr Geld und mehr Personal zur Verfügung?
Lasotta: Wir glauben nicht, dass das der effizienteste Weg wäre. Wie gesagt: Integration ist eine Querschnittsaufgabe. Die kann ein einzelnes, isoliertes Ministerium niemals alleine lösen, egal wie groß es ist. Es gibt bei der Integration große Schnittmengen zu eigentlich allen anderen Aufgaben der Landes- und Kommunalpolitik. Etwa beim Wohnungsbau: Es ist ganz klar, dass wir hier neue, preisgünstige Angebote brauchen – aber nicht nur für Flüchtlinge, sondern für die gesamte Bevölkerung.
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Lesetipp: Chronologie eines langen Streits
Kontroverse ums Integrationsministerium
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Das Integrationsministerium soll also in andere Ministerien integriert werden?
Lasotta: Das könnte man so sagen. Es geht nichts verloren, aber bei den Strukturen können wir einsparen. Wichtig ist, dass die Bereiche der Integration, mit der sich verschiedene Ministerien beschäftigen, gut koordiniert werden.
“Wir haben den Anspruch, es besser zu machen”
Wie wird denn sichergestellt, dass die verschiedenen Ministerien in Sachen Integration nicht aneinander vorbei arbeiten?
Lasotta: Es wird eine ministerienübergreifende Arbeitsgruppe geben müssen, in der sich die verschiedenen Stabstellen regelmäßig über Ideen austauschen und gemeinsame Konzepte ausarbeiten.
Mit der Integration von über 100.000 Menschen, die über das vergangene Jahr in Baden-Württemberg angekommen sind, steht die neue Landesregierung vor einer riesigen Herausforderung. Wie ist das zu bewältigen?
Lasotta: Wir haben den Anspruch, das besser zu machen als unsere Vorgängerregierung. Wir haben uns zwar noch nicht auf konkrete Zahlen festgelegt. Aber wir müssen dafür deutlich mehr finanzielle Mittel bereitstellen als bisher. Das ist notwendig, auch um die Kommunen besser zu unterstützen. Die spielen eine entscheidende Rolle und brauchen dringend mehr Hilfe. Das gilt auch für die ehrenamtliche Arbeit, die wir besser unterstützen wollen. Wir wollen außerdem Voraussetzungen schaffen, unter denen Flüchtlinge besser in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Zum Beispiel sollen in Vorbereitungsklassen an Berufsschulen die sprachlichen Grundlagen vermittelt werden, die man braucht, um eine Ausbildung als Fachkraft absolvieren zu können.
“Die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist nicht verhandelbar”
Abgesehen von der Integration von Flüchtlingen: Wo sehen Sie die größten integrationspolitischen Herausforderungen für die kommenden Jahre?
Lasotta: Ein Schwerpunkt muss es auf jeden Fall sein, den interreligiösen Dialog zu verbessern. Hier gibt es große Missstände und die gesellschaftliche Debatte muss unbedingt wieder befriedet werden. Wir wollen zum Beispiel zeigen, dass es aufgeklärte und weltoffene Islamverbände gibt, die komplett kompatibel mit unserer Gesellschaft und unseren Grundwerten sind. Ebenso sehr muss aber klar sein, dass es integrationsfeindliche Parallelstrukturen gibt, gegen die wir etwas unternehmen müssen. Wer sich der Integration verweigert und nicht bereit ist, den Grundkonsens unserer Werte zu akzeptieren, muss mit Konsequenzen rechnen. Wir wollen diese Menschen aber nicht einfach verurteilen und ausgrenzen, sondern ihnen auch Anreize liefern, sich an dem gesellschaftlichen Zusammenleben zu beteiligen.
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Wie kann das funktionieren?
Lasotta: Wir müssen klar machen, dass unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht verhandelbar ist. Zunächst einmal wollen wir alle Menschen einladen, an der Gesellschaft mitzumachen. Ganz entscheidend ist auch hier die Bildung und das fängt schon im frühkindlichen Alter an. Auch das ist kein exklusives Integrationsthema: An Schulen müssen wir unter anderem deutlich mehr Medienkompetenzen vermitteln: Woran erkenne ich die Glaubwürdigkeit einer Quelle? Wie kann ich einen Bericht auf seinen Wahrheitsgehalt überprüfen? Hier gibt es gesamtgesellschaftlich große Defizite.
“Ich widme mich weiterhin Querschnittsthemen”
Sie haben als integrationspolitischer Sprecher der CDU die Koalitionsverhandlungen zum Thema Integration geführt. Steht für Sie schon fest, ob sie weiterhin in diesem Bereich tätig bleiben werden? Kommt auch etwas anderes in Betracht?
Lasotta: Meine Rolle im neuen Landtag steht noch nicht fest. Ich habe mich neben der Integration auch schon intensiv mit Themen wie Gesundheits- oder Sozialpolitik befasst. Das sind ebenfalls Querschnittsthemen – und denen will ich mich auch weiter widmen.
Zur Person:
Dr. Bernhard Lasotta ist 1969 in Heilbronn geboren. Er studierte Medizin an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg, wo er 1999 promovierte.
Seit 2001 ist er für die CDU Abgeordneter im Landtags Baden-Württembergs. In der vergangenen Legislaturperiode war er der integrationspolitische Sprecher seiner Fraktion.
Bei den Landtagswahlen 2016 gewann er zum vierten Mal in Folge das Direktmandat im Wahlkreis Neckarsulm .