Rhein-Neckar/Stuttgart, 07. Juli 2015 (red/sl/me) Erneut befindet sich das Integrationsministerium und dessen Leiterin Bilkay Öney (SPD) in den Schlagzeilen. Vor einer Woche machte eine angebliche “Rüge” des Landesrechnungshofs gegenüber dem Ministerium die Runde durch die Presse. Doch der offizielle Prüfbericht wird erst am 22. Juli vorgestellt. Die Formulierung “Rüge” sei eine der Stuttgarter Nachrichten, nicht des Rechnungshofs, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. Ärger um das Ministerium gibt es aber seit Anbeginn.
Von Sandra Ludwig und Mathias Meder
Kritik und Zahlen, Daten, Fakten
Zum Wochenauftakt hagelte es Kritik am baden-württembergischen Integrationsministerium. Noch vor der offiziellen Vorlage des diesjährigen Prüfungsberichts des Landesrechnungshofs ist in den Medien von „mangelnder Effizienz und hohen Kosten“ des erst 2011 geschaffenen Ministeriums die Rede. Zum einen seien die Verwaltungskosten zu hoch und zum anderen die Zuständigkeitsbereiche des Ressorts zu klein, um effizient arbeiten zu können.
Ein nicht genannter Ministeriumssprecher beziffert laut Medien die Mehrkosten des Integrationsministeriums auf drei Millionen Euro. Tatsächlich hatte der Landtag die Verwaltungsausgaben für die 58 Stellen des Ressorts im Jahr 2014 jedoch nur auf 1 Prozent des Gesamtetats des Ministeriums angegeben. Seither haben die Aufgaben des Ministeriums, bedingt durch steigende Flüchtlingszahlen, stetig zugenommen. Aktuell liegen die Personalkosten des Ministeriums laut Staatshaushalt bei rund 2,4 Millionen Euro.
Der Haushalt des Ministeriums wächst ständig: 2013 rund 67 Millionen Euro, davon 60 Millionen Euro Ist-Ausgaben für Ausgaben im Bereich Flüchtlingsaufnahme und -unterbringung (Pauschalen an die Kreise, Einrichtung von LEAs und BEAs). 2013 rund 135 Millionen Euro (davon 126 Millionen Euro Ist-Ausgaben) und rund 247 Millionen Euro (davon 240 Millionen Euro Ist-Ausgaben). Erste Ende 2015 wird man wissen, wie hoch der Haushalt für das aktuelle Jahr sein wird.
Der Integrationsetat, mit dem Maßnahmen, Projekte und Strukturen um die Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund zu verbessern, betrug vergangenes Jahr rund 5 Millionen Euro.
Eine “Rüge”, die es nicht gibt
Medien titelten am Montag nach einem mehr oder weniger abgeschriebenen Bericht der Stuttgarter Nachrichten über eine „Rüge“ des Landesrechnungshofes an die Adresse des Integrationsministeriums. Dort werde unter anderem kritisiert, die Verwaltungsstellen des Ministeriums umfassten ein Drittel der Ministeriumsmitabeiter.
Beim Integrationsministerium ist man über solche Zahlen jedoch nicht weiter verwundert: “Es ist doch völlig logisch, dass die in jedem Ministerium anfallenden Aufgaben für Personal, EDV, Organisation und Haushalt bei kleineren Ministerien zu einem schlechteren Quotienten führen”, so Pressesprecher Christoph Häring auf Nachfrage.
Der Landesrechnungshof bestätigt die “Rüge” auf Anfrage nicht.
Die Formulierung „Rüge“ ist eine Interpretation der Medien,
sagt ein Sprecher. Es habe keinen entsprechenden Vorgang gegeben. Unklar bleibt, auf welche Quellen sich die Stuttgarter Nachrichten in ihrem Artikel beziehen. Wie üblich habe man die geprüften Stellen vorab über die Ergebnisse informiert, heißt es vom Landesrechnungshof. Der offizielle Prüfbericht werde allerdings erst am 22. Juli 2015 dem Landtag und der Öffentlichkeit vorgestellt.
Soll aus dem Ministerium eine Stabsstelle werden?
Die Opposition sieht sich durch die aktuelle Berichterstattung in ihrer Kritik an der Gründung des Integrationsministeriums bestätigt. Dr. Bernhard Lasotta, integrationspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, fordert die Einrichtung einer Stabsstelle für Integration, die beispielsweise beim Staatsministerium angesiedelt sein könnte und den Verzicht auf das Integrationsministerium. Auch die FDP fordert die Einsparung von Verwaltungskosten. Freiwerdende Mittel könnten dann in Integrationsangebote fließen.
Der Streit um das Integrationsministerium wird ein politischer Streit bleiben. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/ Die Grünen) und die Integrationsministerin Bilkay Öney verteidigten die Notwendigkeit des Integrationsministeriums mit Verweis auf die seit geraumer Zeit steigenden Flüchtlingszahlen.
Die eigenen Erfolge des Integrationsministeriums seien insbesondere auch bei der Strukturbildung und Vernetzung im Bereich der Integration zu sehen. Und schließlich führten auch Einbürgerungskampagnen dazu, dass die Einbürgerungen in Baden-Württemberg höher seien als in anderen Bundesländern.
Der politische Streit geht weiter
Sollte nach der kommenden Landtagswahl die CDU wieder an die Regierung kommen, so wird wohl das Intergrationsministerium wieder aufgelöst werden. Bei einem erneuten Wahlsieg von Grün-Rot hingegen wird spannend sein, wie dann mit der Kritik am kleinsten Landesministerium umgegangen wird.
Doch das war es ja bereits bei der Gründung vor vier Jahren. Die Frage, ob man der Bedeutung des Querschnittsthemas Integration durch die Schaffung eines eigenen Ministeriums einen größeren gesellschaftlichen Stellenwert geben sollte, hat Grün-Rot damals klar beantwortet. Der politische Wert eines solchen Ministeriums lässt sich eben nicht nur in Euros bemessen.
Ob Ministerin Bilkay Öney nach fünf Jahren als Ministerin noch die gleichen Überlegungen anstellt wie vor ihrem Amtsantritt, wird sie dann zeigen müssen. In der Zeitung Die Welt wird sie am 21.08.2011 zitiert:
Hätten die mich gefragt, hätte ich von einem Integrationsministerium abgeraten – und es als Querschnittsaufgabe im Staatsministerium angeordnet.