Rhein-Neckar/Mannheim/Südwest, 17. August 2017. (red/pro) Die Zahl der bei Verwaltungsgerichten anhängigen Asylverfahren steigt seit mehreren Jahren kontinuierlich und ist 2017 dramatisch gestiegen. Bis Ende Juli wurden bereits über 30.000 Verfahren registriert. Der Verwaltungsgerichtshof bewertet die Lage auf Anfrage mit „die wissen nicht mehr, wie sie hinterherkommen sollen“. Und damit sind nicht nur die Asylverfahren gemeint, sondern die Gesamtzahl aller Verfahren. Die gesellschaftlichen und ökonomischen Auswirkungen kann niemand beziffern. Soviel ist klar: Die allermeisten Verfahren haben keinen Erfolg – verhandelt werden sie trotzdem. Die Zahlen zeigen wir tabellarisch im Überblick.
Nach verschiedenen Meldungen zu rasant steigenden Zahlen im Bereich „Asylverfahren“, haben wir die Lage für Baden-Württemberg recherchiert. Das Ergebnis ist erschütternd. Über 30.000 Verfahren gab es allein in den ersten sieben Monaten, statistisch hochgerechnet könnte das bis Jahresende eine Gesamtzahl von über 50.000 Verfahren ergeben.
Nach den Zahlen lässt sich interpretieren, dass bislang gut ein Drittel der in Baden-Württemberg lebenden Flüchtlinge einen negativen Bescheid erhalten haben und damit kein Aufenthaltsrecht in Deutschland zugesprochen bekommen haben, also weder Asyl noch subsidiären Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention.
Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom April 2017 sind zudem mangelhafte Rechtsbehelfsbelehrungen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erteilt worden – damit verlängert sich die Einspruchsfrist auf ein Jahr nach Zustellung. Zwar hat die Behörde darauf schnell reagiert, aber wie viele Bescheide noch angegriffen werden können, ist unklar.
Personen aus „sicheren Drittstaaten“ besonders klagefreudig
Die meisten Asylverfahren werden in Summe durch Personen aus sogenannten „sicheren Drittstaaten“ angestrengt – also vorwiegend Personen aus Staaten des früheren Jugoslawien. Erst 2016 kamen Syrer an die erste Stelle der Statistik. Die Analyse zeigt, gemessen an der Gesamtzahl der Verfahren, die allesamt gegen einen Ablehnungsbescheid eingeleitet sein dürften, dass es 2016 offenbar rund 4.000 Verfahren durch Syrer gab, die einen negativen Bescheid erhalten hatten.
Die drastische Steigerung der Asylverfahren führt zu einer enormen Arbeitsbelastung bei den vier Verwaltungsgerichten in Baden-Württemberg. Dort versuche man durch unbezahlte Mehrarbeit der Verfahrensberge Herr zu werden. Das Justizministerium hat zwar bereits Personal aufgestockt, was aber kaum ausreichend ist, um „normale“ Zustände herzustellen.
Enorme Auswirkungen auf die Verfahrensdauer insgesamt
Dabei wachsen nicht nur die Stapel der Asylverfahren – betroffen sind alle Verfahren, die an Verwaltungsgerichten anhängig sind. In Summe verlängern sich die Verfahrenszeiten teils immens. Wichtige Entscheidungen, die keinen Zeitaufschub dulden, werden natürlich vorgezogen. Als Beispiel: Wenn eine Demonstration untersagt wird und dagegen Einspruch erfolgt, müssen die Verwaltungsgerichte sofort zeitnah Entscheidungen treffen.
Fehlende Entscheidungen führen natürlich in allen Fällen zu Rechtsunsicherheit und möglicherweise hohen Kosten bei den Verfahrensbeteiligten, beispielsweise bei Bauvorhaben, bei denen Investoren wie Gemeindeverwaltungen nicht wissen, ob das Vorhaben zulässig ist oder nicht.
Die dramatisch hohe Zahl der Verfahren hat also auch volkswirtschaftlich enorme Auswirkungen. Hierbei ist zu beachten, dass nicht „die Flüchtlinge schuld sind“ – die nehmen wie jeder im Rechtsstaat ihr Recht wahr. Eine Verantwortung ist hier auf der politischen Ebene zu sehen, da dies eine mittelbare Folge der unkontrollierten Masseneinwanderung bedeutet.
Gerichtskosten entstehen Personen, die gegen ihren Asylbescheid klagen, nicht. Dies übernimmt der Staat, also der Steuerzahler. Eine anwaltliche Vertretung ist in der ersten Instanz nicht vorgeschrieben – Asylbewerber können hier Prozesskostenhilfe beantragen oder werden von Flüchtlingsinitiativen unterstützt.
Entwicklung der Asylverfahren in Zahlen seit 2014
Tabelle 1 zeigt die Zahl der Asylerfahren, die an den vier baden-württembergischen Verwaltungsgerichten verhandelt werden:
2014 | 7.728 |
2015 | 9.226 |
2016 | 18.235 |
2017 bis einschl. Juli | 30.138 |
Tabelle 2 zeigt die relativen Häufigkeiten, gestaffelt nach den Herkunftsländern Platz 1-5
2014 | Serbien 17,2% | Gambia 14,5% | Mazedonien 13,0% | Pakistan 8,5% | Nigeria 6,2% |
2015 | Kosovo 29,75% | Serbien 13,60% | Gambia 9,64% | Mazedonien 8,06% | Albanien 6,51% |
2016 | Syrien 21,61% | Kosovo 12,63% | Serbien 7,93% | Pakistan 7,37% | Mazedonien 6,86% |
Für 2017 liegen noch keine Zahlen zu Herkunftsländern vor.
Tabelle 3 zeigt die Erfolgsquoten
2014 | Hauptsachen | Stattgabe 9,5% | Teilweise Stattgabe 6,4% | Ablehnung 36,2% |
2014 | einstw. Rechtsschutz | Stattgabe 13,9% | Stattgabe 0,8% | Ablehnung 77,8% |
2015 | Hauptsachen | Stattgabe 7,1% | Teilweise Stattgabe 3,5% | Ablehnung 37,4% |
2015 | einstw. Rechtsschutz | Stattgabe 7,8% | Teilweise Stattgabe 1,1% | Ablehnung 83,3% |
2016 | Hauptsachen | Stattgabe 9,0% | Stattgabe 3,7% | Ablehnung 38,1% |
2016 | einstw. Rechtsschutz | Stattgabe 8,7% | Teilweise Stattgabe 1,5% | Ablehnung 80,8% |
2017, 1. Hj. | Hauptsachen | Stattgabe 27,6% | Teilweise Stattgabe 4,7% | Ablehnung 26,8% |
2017, 1. Hj. | einstw. Rechtsschutz | Stattgabe 20,7% | Stattgabe 1,3% | Ablehnung 61,7% |
Hinweis: Die genannten Prozentzahlen ergeben keine 100 Prozent. Der Verfahrensabschluss bei den prozentual fehlenden, übrigen Verfahren erfolgte in sonstiger Weise, insbesondere durch Zurücknahme, Verweisung und Erledigung der Hauptsache. Die relativ geringen Ablehnungsquoten in 2017 ergeben sich auch durch eine Vielzahl noch nicht abgeschlossener Verfahren.