Mannheim, 13. Dezember 2016. (red/pro) Der Gemeinderat Mannheim hat mit knapper Mehrheit ein neues Redaktionsstatut für das Amtsblatt („Wochenblatt“) beschlossen – danach haben Einzelstadträte kein Recht mehr, dort Beiträge zu veröffentlichen, im Gegensatz zu Fraktionen und Gruppierungen. Der Einzelstadt Julien Ferrat (Familienpartei) klagt dagegen vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe. Wir wollten von den Fraktionen oder einzelnen Stadträten wissen, wer wie warum abgestimmt hat. Hier die Antworten.
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Wichtig zu wissen, weil sich insbesondere die CDU auf eine Änderungen der Gemeindeordnung durch den „Gesetzgeber“ bezieht. Diese Änderungen stammen von der alten grün-roten Landesregierung. Unsere geneigte Leserschaft erinnert sich an den Slogan der Grünen: „Politik des Gehörtwerdens“ – die gilt offenbar aus Sicht der Mehrheit des Gemeinderats nicht für einzelne Stadträte.
Insbesondere der CDU-Fraktionsvorsitzende Carsten Südmersen bezieht sich explizit auf die geänderte Gemeindeordnung. Doch der Teufel steckt im Detail. Denn in der neuen Fassung, die am 01. Dezember 2016 in Kraft getreten ist, steht nichts von Gruppierungen. Wenn also einem Einzelstadtrat kein Recht auf Veröffentlichung eingeräumt wird, wieso dann Gruppierungen, die ab zwei Stadträte bestehen? In der Gemeindeordnung ist explizit von Fraktionen die Rede – ob weitere Rechteeinräumungen möglich sind, ist unklar.
Möglicherweise könnte die Klage des Stadtrats Ferrat dazu führen, dass das Redaktionsstatut so keine Gültigkeit hat und neu vorgelegt werden muss, weil auch Gruppierungen kein Veröffentlichungsrecht haben. Möglicherweise gewinnt Stadtrat Ferrat aber auch die Klage, dann könnte auch die Kontigentzuweisung strittig sein.
Wir hatten angekündigt, möglicherweise selbst aus prinzipiell demokratischen Gründen für die Meinungsfreiheit zu klagen. Unser Rechtsbeistand meinte auf Rückfrage, dass die Klage des Stadtrats ausreichend sei, um den Sachverhalt zu klären. Deswegen berichten wir nur.
Wir hatten alle Stadträte persönlich angeschrieben und offen gelassen, ob die Fraktionen, Gruppierungen oder Einzelstadträte antworten. Keine Antwort kam von FW/ML, Grünen und Herrn Ferrat. Vermutlich, weil deren Positionen klar sind. (Die Anträge der FW/ML, Grüne sowie die Gründe für die Klage lesen Sie hier.) Wir veröffentlichen die Stellungnahmen in der Reihenfolge des Zugangs.
Unsere Fragen an die Fraktionen, Gruppierungen und Einzelstadträte lauteten:
- Wie haben Sie beim Beschluss zum Redaktionsstatut am 22. November abgestimmt?
- Begründen Sie bitte Ihr Abstimmungsverhalten
Carsten Südmersen, CDU-Fraktionsvorsitzender (ab 01. Januar ist das Claudius Kranz)
Ich habe der vom Dezernat des Oberbürgermeisters erstellten Vorlage 539/2016 „Redaktionsstatut für das Amtsblatt der Stadt Mannheim“ zugestimmt.
Auf Grund der Änderungen in der Gemeindeordnung des Landes Baden-Württemberg (Kommunalverfassung) war es notwendig ein Redaktionsstatut für das Amtsblatt der Stadt Mannheim zu erstellen. In § 20 der Gemeindeordnung des Landes Baden-Württemberg (GemO) Absatz 3 hat der Gesetzgeber (Landtag) folgendes geregelt:
„Gibt die Gemeinde ein eigenes Amtsblatt heraus, das sie zur regelmäßigen Unterrichtung der Einwohner über die allgemein bedeutsamen Angelegenheiten der Gemeinde nutzt, ist den Fraktionen des Gemeinderats Gelegenheit zu geben, ihre Auffassungen zu Angelegenheiten der Gemeinde im Amtsblatt darzulegen. Der Gemeinderat regelt in einem Redaktionsstatut für das Amtsblatt das Nähere, insbesondere den angemessenen Umfang der Beiträge der Fraktionen.“
Helmut Lambert, parteilos (vormals AfD):
Ich persönlich habe natürlich als Einzelstadtrat ebenfalls gegen den Beschluss zum Redaktionsstatut abgestimmt. Leider war eine knappe Mehrheit, wie bekannt, dafür den Beschluss so zu akzeptieren, wie er in der Vorlage formuliert war.
Offensichtlich will die Verwaltung, dass nur Gruppierungen und Fraktionen im Amtsblatt Ihre Meinung zu verschiedenen politischen Themen darlegen, was ich persönlich nicht richtig finde. Ob dieser Gemeinderatsbeschluss rechtlich haltbar ist, wird die Klage von Herrn
Ferrat zeigen.
Ich bin mal gespannt darauf, welche Meinung die ML bzw. die Grünen-GR-Fraktionen zur Klage von Herrn Ferrat haben.
Ralf Eisenhauer, SPD-Fraktionsvorsitzender:
Die Berücksichtigung von Minderheitenpositionen des Gemeinderats ist uns ein wichtiges Anliegen. Gesetzlichen Anspruch auf Veröffentlichungen im Amtsblatt haben jedoch nur Fraktionen.
Weiter sagt die Stadtverwaltung dazu in ihrer Vorlage 539/2016: ‚In den Hinweisen des Städtetags […] heißt es ausdrücklich, dass Gruppierungen und einzelne Ratsmitglieder keinen Darlegungsanspruch haben. Ihnen können auf freiwilliger Basis durch das Redaktionsstatut ebenfalls Amtsblattveröffentlichungen eingeräumt werden.‘
Der Gemeinderat hat dies entsprechend berücksichtigt und den Gruppierungen eine Gelegenheit eingeräumt für Veröffentlichungen im Amtsblatt. Wir halten dies für eine ausgewogene Lösung und haben dieser entsprechend zugestimmt.
Prof. Dr. Egon Jüttner, CDU-Stadtrat und Bundestagsabgeordneter
Ich habe mich bei der Abstimmung im Gemeinderat am 22. November enthalten, weil ich der Auffassung bin, daß sich in einem demokratischen System auch einzelne Stadträte, die keiner Fraktion oder Gruppierung angehören, in einem offiziellen Organ der Stadt Mannheim Gehör verschaffen dürfen sollten.
Ich halte es für widersprüchlich, die Prozenthürde für die Wahl von Stadträten zu senken, gleichzeitig aber den in Verantwortung Gewählten nun die Möglichkeit zu nehmen, sich im offiziellen Organ der Stadt, als deren Repräsentanten sie gewählt wurden, öffentlich zu äußern.
Demokratisch zweifelhaft ist nach meinem Dafürhalten, daß „große und mittlere“ Fraktionen die Rechte einzelner fraktionsloser Abgeordneter beschneiden dürfen. Durch meine Enthaltung habe ich meine inhaltlich abweichende Meinung von der CDU-Fraktion zum Ausdruck gebracht.
Dr. Birgit Reinemund, Volker Beisel, FDP-Gruppierung
Die beiden FDP-Vertreter im Gemeinderat haben für den Änderungsantrag der ML gestimmt, der auch Einzelstadträten ein Recht auf Beiträge im Amtsblatt einräumt. Da dieser keine Mehrheit gefunden hat, haben wir die Vorlage V539/2016 über den Redaktionsstatus des Amtsblattes angelehnt.
Für uns Liberale müssen auch Einzelstädteräte das Recht auf Mitwirkung in den gemeinderätlichen Gremien haben. Dazu gehört auch das Recht zur Veröffentlichung von Statements und Beiträgen im Amtsblatt. Wir haben uns daher auch zu Beginn der Wahlperiode gegen die Änderung der Geschäftsordnung ausgesprochen, die es Einzelstadträten nicht mehr erlaubte an den Sitzungen der Ausschüsse mit beratender Stimme teilzunehmen. Da Einzelstadträte nicht aus eigener Kraft einen Sitz in einem Ausschuss erhalten, sind sie so von der Diskussion in den Gremien ausgeschlossen.
Zur Demokratie gehören aber auch die Meinung von Minderheiten – egal ob uns der Inhalt gefällt oder nicht. Daher ist es für uns selbstverständlich, dass auch Einzelstadträte mit allen Rechten und Pflichten an der Willensbildung im Gemeinderat und der Öffentlichkeit teilnehmen dürfen. Dazu gehört auch und gerade das Recht im Amtsblatt der Stadt Mannheim seine politische Sicht der Dinge veröffentlichen zu dürfen. Zur Freiheit gehört auch die Freiheit des anders Denkenden.
Die Fraktionen Bündnis90/Die Grünen sowie Freie Wähler/Mannheimer Liste (FW/ML) hatten Gegenanträge zur Ablehnung der Beschlussvorlage der Stadtverwaltung vorgelegt. Diese wurden nicht angenommen. Die Fraktionen Bündnis90/Die Grünen sowie FW/ML stimmten gegen den Antrag der Verwaltung, ebenso LKR (vormals Alfa), FDP und die Einzelstadträte Lambert und Ferrat. Der NPD-Einzelstadtrat Christian Hehl fehlte krankheitsbedingt.
Wieso die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe Präzedenzcharakter haben könnte, lesen Sie in diesem früheren Artikel zum Thema. In diesem Kommentar haben wir dargelegt, warum Stadtrat Ferrat aus unserer Sicht Recht mit seiner Klage hat.