Rhein-Neckar, 26. März 2016. (red/pro) Innenminister Reinhold Gall (SPD) hat am Donnerstag die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2015 vorgestellt. Der Minister betonte, dass Baden-Württemberg im Vergleich das sicherste Bundesland sei. Die vorgestellten Daten sind eher dürftig, trotzdem lassen sich Entwicklungen herauslesen, die überhaupt nicht gefallen. Insgesamt ist die Kriminalität nämlich um vier Prozent gestiegen – dabei sind die sexuellen Übergriffe auf Frauen und Raubüberfälle seit Jahresbeginn natürlich noch nicht berücksichtigt. Differenziert betrachtet bereiten echte Flüchtlinge aus Kriegsgebieten am wenigsten Probleme und andere Gruppen bieten Anlass zu größter Sorge.
Von Hardy Prothmann
Zum transparenten Umgang mit dem Thema Zuwanderung gehört auch, entsprechende Straftaten offen anzusprechen. Alle Flüchtlinge jedoch pauschal als kriminell zu bezeichnen, ist im Ergebnis falsch. Die Analysen machen vielmehr deutlich, dass Kriminalität im Kontext der Zuwanderung einer differenzierten Betrachtung bedarf.
Sagt Innenminister Gall und macht deutlich, wie politisch gefärbt seine „Analyse“ ist. Wir kennen jedenfalls keinen vernünftigen Menschen, der Flüchtlinge pauschal als kriminell bezeichnet und wenn das jemand tut, dann ist das falsch. Es ist aber auch Augenwischerei, eine unvernünftige Behauptung in die Welt zu setzen und diese dann als falsch zu erklären.
Hellfeld vs. Dunkelfeld
Wichtig bei der Betrachtung der Polizeilichen Kriminalstatistik ist, dass man nur das Hellfeld sieht – also die bekannt gewordenen Straftaten. Das Dunkelfeld sieht man nicht. So ist der Anstieg der registrierten Straftaten auf 617.365 Fälle zunächst wenig aussagekräftig – außer im „Hellfeld-Vergleich“: Das ist die größte Zahl von bekannten Straftaten seit zehn Jahren.
Die Aufklärungsquote von 60,1 Prozent klingt zunächst mal sehr gut und ist tatsächlich der beste Wert seit zehn Jahren. Aussagefähig ist er ohne zusätzliche Daten allerdings kaum. Beispielsweise gibt es rund 5.400 Fälle von „Schwarzfahrern“ – hier dürfte die Aufklärungsquote bei 100 Prozent liegen und sich in der statistischen Gewichtung überproportional positiv auf das Gesamtergebnis auswirken. Wie gesagt – das ist das Hellfeld. Schaut man sich die Ergebnisse von Schwerpunktkontrollen an, bei denen regelmäßig mehr als 20 Prozent Schwarzfahrer erwischt werden, ist das Dunkelfeld entsprechend groß.
Aufklärungsquote wirft Fragen auf
Und noch ein anderer Blick auf die Aufklärungsquote wirft Fragen auf. So fiel diese in der Zeit 2006 bis 2010 deutlich besser als 2011 bis 2015. Zwei Mal wurden hier 59,9 Prozent erreicht, im Mittel liegen die Werte unter der alten schwarz-gelben Regierung deutlich besser als unter grün-rot. Ab 2014 steigt sie wieder an, was möglicherweise ein positiver Effekt der Polizeireform ist.
Das zeigt auch die Entwicklung der Aufklärungsquote beim Wohnungseinbruchdiebstahl. Hier hatte schwarz-gelb ebenfalls die deutliche besseren Werte und den Höchstwert mit 19,7 Prozent im Jahr 2008. Die aktuell in 2015 erreichten 17,3 Prozent liegen da deutlich drunter, sind allerdings um Längen besser als 2013 – da lag die Quote am Boden mit 10,9 Prozent. In diesem Kriminalitätsbereich wurden erhebliche Anstrengungen erbracht und insbesondere die Besonderen Aufbauorganisationen (BAO) zeigen Wirkung – das fordert der Polizei viel ab, aber vor allem der Bevölkerung. Denn die Aufklärung ist zwar gestiegen, die Bedrohung aber auch – explosionsartig. 2006 gab es nur 6.664 Fälle, 2011 bereits 8.192 und 2014 waren es 13.483. 2015 ging die Zahl leicht zurück auf 12.255.
Und hier sollte man, wie Innenminister Gall es fordert und auch selbst in seiner Pressemitteilung macht, das Problem der Ausländerkriminalität deutlich ansprechen. Denn insbesondere organisierte Einbrecherbanden aus Balkanländern und Georgien sind hier im Fokus.
Problemfeld: Wohnungseinbruchsdiebstahl
Wohnungseinbrüche sorgen für erhebliche materielle Schäden – aber noch viel mehr für psychologische. Für viele Opfer geht das Gefühl der Sicherheit kaputt – deswegen ist dieser Deliktbereich hochpolitisch. Es geht um die gefühlte Sicherheit, um das Wohlbefinden der Bürger, das hier massiv beeinträchtigt wird. Rund zwei Prozent der Straftaten insgesamt richten einen enormen Schaden an und verursachen einen enorm hohen Aufwand bei der Polizei, die mit erheblichem Ermittlungsaufwand doch nicht annäherungsweise an die durchschnittliche Aufklärungsquote von 60,1 Prozent herankommt.
Weiter muss man sich die Zahl der Tatverdächtigen anschauen. Analog zur Zahl der Straftaten ist 2015 der höchste Wert in zehn Jahren erreicht: 258.792 Tatverdächtige zählt die PKS, davon 238.187 ohne Verstöße gegen das Aufenthalts-/Asylgesetz. Davon sind 85.551 nichtdeutsche Tatverdächtige und 18.695 sind Flüchtlinge/Asylbewerber (ohne Verstöße gegen das Aufenthalts-/Asylgesetz). Zusammen ergibt das 104.246 nichtdeutsche Tatverdächtige. Dem stehen 133.941 deutsche Tatverdächtige gegenüber.
13 Prozent der Bevölkerung stellen 43 Prozent der Tatverdächtigen
Wer jetzt meint, das sei der Beweis, dass Ausländer statistisch weniger kriminell seien als Deutsche, der irrt komplett. Denn in Baden-Württemberg leben nach der letzten statistischen Erhebung 2014 rund 10,5 Millionen Menschen, davon sind 1,4 Millionen Ausländer. Rund 13 Prozent der Bevölkerung (Ausländer) stellen also 43 Prozent der Tatverdächtigen – ohne ausländerrechtliche Verstöße, die nur Ausländer begehen können.
Ausländerkriminalität vs. Flüchtlingskriminalität
Wenn man nun in die überlieferten Daten des Innenministeriums schaut, fällt eine sehr krasse Entwicklung auf. Ab 2011 weist die Statistik die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen getrennt in Ausländer und Flüchtlinge/Asylbewerber aus. Betrug der Anteil der Flüchtlinge/Asylbewerber 2011 im Vergleich zu anderen Ausländern noch 5,3 Prozent, steigert sich diese Anzahl im Jahr 2015 auf sage und schreibe 21 Prozent. Die Flüchtlinge/Asylbewerber machen mit 100.000 Neuzugängen 2015 nur 7 Prozent der Ausländer aus, stellen aber 21 Prozent der tatverdächtigen Ausländer und auch absolut sind nach den Zahlen des Innenministerium rund 19 Prozent der Flüchtlinge/Asylbewerber durch Straftaten erfasst worden.
Rechnet man hier Frauen und Kinder und Ältere heraus, bleiben rund 70 Prozent Männer zwischen 16 und 45 Jahren. Statistisch betrachtet ist jeder Dritte straffällig, der Wert steigt also auf 33 Prozent.
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Wie der Innenminister richtig sagt: Man muss differenzieren. Die zur Verfügung gestellten statistischen Daten sind zwar mager – aber lassen dennoch differenzierte Schlüsse zu. Insbesondere Georgien, die Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien sowie die Balkan-Länder Serbien, Kosovo und Albanien fallen hier massiv negativ auf. Die mit Abstand höchste Kriminalität weisen Marokkaner auf. Nur 53 Personen wurden als Antragsteller registriert – aber insgesamt 1.062 Straftaten begangen. Pro Asylbewerber sind das also rund 20 Straftaten. Zur Erinnerung – wir reden nur über das „Hellfeld“.
Dem Herkunftsland Algerien werden 14,9 Prozent der Straftaten zugeordnet – der Anteil der registrierten Antragsteller liegt aber nur bei 1,6 Prozent. Bei den Georgien sind es gar nur die Hälfte, 0,8 Prozent, denen aber 9,5 Prozent der Straftaten zugeordnet werden.
Mit anderen Worten: 61,3 Prozent der Straftaten werden aus der Gesamtzahl von 21,8 Prozent der Flüchtlinge/Asylbewerber aus den oben benannten Staaten heraus begangen.
Sichere Herkunftsländer bekommt nach der PKS eine andere Bedeutung
Um bei der differenzierten Betrachtung zu bleiben: Die Gruppe der Syrer stellt 36,7 Prozent der Flüchtlinge/Asylbewerber, aber nur 5,2 Prozent der Straftaten werden Personen aus diesem Herkunftsland zugeordnet. Ähnlich sieht es bei Irakern aus, 11 Prozent ist der Anteil der Flüchtlinge/Asylbewerber, 2,5 Prozent der Straftaten werden dieser Gruppe zugeordnet, bei den Afghanen sind es 11,9 Prozent an der absoluten Flüchtlingszahl und 2,4 Prozent an der Zahl der Straftaten.
In der Summe kann man sagen: 65,9 Prozent der Flüchtlinge/Asylbewerber kommen aus diesen Ländern, der Anteil an den Straftaten liegt bei 10,1 Prozent.
Unverständlich ist der relativ hohe Anteil „Sonstige“ in der Übersicht mit immerhin 17,7 Prozent Anteil an den Straftaten, aber nur 9,9 Prozent Anteil an der Gesamtzahl der Flüchtlinge/Asylbewerber. Zu dieser Zahl gibt es keine Aufschlüsselung.
Unterm Strich gehen mit 30.981 erfassten Straftaten nur rund fünf Prozent der Straftaten „auf das Konto“ von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Aber: Diese stellen nur 0,9 Prozent der Bevölkerung. Absolut betrachtet wurden von den 97.822 registrierten Personen im Jahr 2015 insgesamt 30.981 Straftaten begangen.
Innenminister Gall verweist zu Recht auf viel „Kleinkriminalität“ wie „Schwarzfahren“ – das sind aber nur rund 5.400 Fälle. Bleiben 25.500 weitere Straftaten. Davon sind 8.200 Ladendiebstähle als einfache Kriminalität abzuziehen, bleiben über 17.000 weitere Straftaten.
Was übrigens die Aufklärungsquote bei Straftaten unter Flüchtlingen und hier vor allem in den Lagern angeht, darf man nach unseren Recherchen von fast gegen Null ausgehen – man misstraut der Polizei. Aussagen werden kaum gemacht und auch hier sind die Ermittlungen wegen der Sprachbarrieren extrem aufwändig, teuer und wenig ergiebig.
Erhebliche Mehrbelastung
Dass Herr Gall dies überwiegend als „Armutskriminalität“ bezeichnet, ist bedingt zutreffend, aber ärgerlich – denn Tatsache ist, dass im Vergleich gesehen die Flüchtlinge/Asylbewerber in erheblichem Maß mehr Straftaten verüben als der Rest der Bevölkerung. Hinzu kommen rund 24.000 Verstöße gegen das Aufenthalts-/Asylgesetz. Das sind 24.000 Fälle, die erhebliche administrative Ressourcen fressen, viel Geld kosten und bei anderen Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung fehlen.

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Fest steht, dass insbesondere Syrer, Iraker und Afghanen als vergleichsweise harmlos gelten dürfen und tatsächlich Schutz in Deutschland suchen. Menschen aus anderen Herkunftsstaaten hingegen weisen erhebliche kriminelle Energie auf. Die Sorge, dass insbesondere junge bis mittelalte Männer erhebliches kriminelles Potenzial haben, ist aus unserer Sicht begründet. Und hier insbesondere im Bereich der harten Kriminalität, also Einbruchdiebstahl, Raubüberfall und Drogenhandel.
Auch die Darstellung, dass Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung mit 0,9 Prozent nicht auffällig seien, trifft statistisch gesehen nicht zu. Gegenüber 2014 und 2013 sind es rund 220 Fälle mehr, das ist eine Steigerung von mehr als vier Prozent. Zudem ist das Phänomen erst seit Januar 2016 virulent geworden, was also in der PKS 2015 keine Erfassung findet.
Politisch hat die Veröffentlichung der Zahlen nach der Landtagswahl 2016 und vor Ostern ein Geschmäckle – der Eindruck, dass man die Zahlen nicht im Wahlkampf haben wollte und man hofft, dass über die Ostertage „Schnee“ darüber fällt, sticht ins Auge.
Hinweis der Redaktion: Besonders problematisch finden wir, dass die PKS absolute Zahlen auf die erfasste Zahl der registrierten Flüchtlinge/Asylbewerber umlegt. Dadurch entsteht der Eindruck, die erfasste Kriminalität betreffe exakt die knapp 100.000 Personen im Land. Da aber weitaus mehr Flüchtlinge im Land waren, die dieses wieder verlassen haben oder umverteilt worden sind, kann diese Zuordnung nicht zutreffen. Weiter stört uns massiv, dass es nur Jahreszahlen gibt und keine quartalsweise Zuordnung, die angesichts der besonderen Lage vorliegen müsste. So stieg die Zahl der Flüchtlinge/Asylbewerber massiv ab August 2015 und vor allem im vierten Quartal 2015. Das bedeutet, dass hier eine enorme statistische Unschärfe eintritt. In der kommenden Woche wird das Polizeipräsidium Mannheim seine Zahlen vorstellen – die sind meist detaillierter.
PKS 2015: Pressemitteilung des Innenministeriums
PKS 2015: Statistische Daten des Innenministeriums
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