Rhein-Neckar, 27. Juli 2016. (red/pro) Die Zahl wildester Gerüchte, von Falschmeldungen und massiven Verstößen gegen Persönlichkeits- und Urheberrechte nimmt ein Ausmaß an, das nicht mehr hinnehmbar ist. Bei uns gilt für Kommentare im Blog oder auf unserer Facebook-Seite eine klare Netiquette. Lieber wäre uns, wenn allgemein ein gesunder Menschenverstand herrschen würde.
Von Hardy Prothmann
Aktuell geht auf Facebook eine Falschmeldung herum: Bombenanschlag in Wiesloch – zehn Tote. Die Polizei hat umgehend klar gestellt, dass es sich um einen Fake handelt.
Wir fragen: Welchen Hirntotalausfall haben Leute, die so etwas posten? Was geht in einem ab, der vorsätzlich Menschen erschrecken will und möglicherweise Panik auslöst, bei dann Menschen zu Schaden kommen? Wie krank im Kopf muss man sein?
Schluss mit lustig
Auch für die Polizei ist Schluss mit lustig. Die Person, die die Falschmeldung abgesetzt hat, ist bereits ermittelt und es wird eine Strafverfolgung geben. Mindestens wegen Vortäuschung einer Straftat, möglicherweise wegen Störung des öffentliche Friedens.
Als hätte die Polizei nicht schon genug mit alltäglichen Aufgaben und denen der Gefahrenabwehr zu tun, kommt jetzt eine immer größer werdende Zahl von Hohlköpfen hinzu, die scheinbar anonym Menschen in Angst und Schrecken versetzen wollen. Keine Sorge, die allermeisten können ermittelt werden.
Rand der Belastbarkeit
Unsere Meldung über einen sexuellen Übergriff in einem Freibad in Schwetzingen hat uns schier an den Rand der Belastbarkeit gebracht. Wir haben über Stunden fast drei Dutzend Kommentare löschen müssen und zwei Dutzend Facebook-Nutzer blockiert, weil das Niveau der Beiträge dumm und ekelhaft war. Keiner dieser Kommentatoren, der über andere Menschen übelst herzieht, stellt sich anscheinend selbst mal die Frage, wie mies man durch ein solches Verhalten eigentlich selbst ist.
Es kann nicht sein, dass wir unsere Facebook-Seite nahezu bewachen müssen, um diesen Dreck fernzuhalten. Verschiedene Tageszeitungen haben bereits ihre Kommentarfunktion gesperrt, weil die Redaktion durch die Flut von Hass und Bösartigkeit einfach nicht zu bewältigen war. Ganz überwiegend durch solche, die sich selbst als “gute Deutsche” sehen.
Opfer war nicht schwanger
Aktuell erleben wir das erneut mit unseren Berichten zur Bluttat von Reutlingen. Jedes Gerücht wird weitergetragen und private Informationen über das Opfer werden verbreitet. Geht es noch? Wer hat diesen Kommentatoren erlaubt, den Namen des Opfers, den Herkunftsort oder sonst etwas öffentlich zu machen?
Es gehört nicht zur Meinungsfreiheit, den Namen eines Opfers überall zu verbreiten. Es gehört auch nicht zur Meinungsfreiheit, den Familienstand, den Glauben oder die Zahl der Kinder zu veröffentlichen, wenn diese Information nicht wesentlich ist.
Die Bild-Zeitung hatte “berichtet”, die Frau sei schwanger gewesen. Das Obduktionsergebnis hat ergeben, dass die Frau nicht schwanger war. Trotzdem verbreitet sich diese Falschinformation weiter und wird von irgendwelchen Hohlköpfen mit “trauernden” Kommentaren versehen. Manche weiden sich geradezu darin: “Wie schrecklich, das ungeborene Baby wird nie das Licht der Welt erblicken. Wie furchtbar. Wie grausam muss jemand sein?” Und dann folgt immer derselbe ausländerfeindliche Unsinn.
Privat ist privat
Wir erwarten von niemandem, dass unsere Berichterstattung durch solchen Blödsinn “ergänzt” wird. Wenn jemand meint, Informationen zu haben, kann er sich per email oder Telefon an uns wenden. Wir überprüfen das dann mit professionellen Methoden und entscheiden dann, was wir veröffentlichen und was nicht. Ganz überwiegend veröffentlichen wir keine privaten Informationen, auch keine Namen. Nur weil andere Medien das machen, heißt das nicht, dass das richtig und zulässig ist.
Man muss im Kopf nur diese Fragen beantworten: Was wäre, wenn über mich oder jemanden aus meiner Familie Gerüchte verbreitet würden? Wie wäre das, wenn meine Mutter als Hure dargestellt wird? Wie, wenn mein Bruder als brutales Monster dargestellt wird? Wie, wenn meine Schwester als “Schlampe”? Wie wäre es, wenn ich einen Menschen verloren hätte? Wie wäre es, wenn ich die Leiche eines Verwandten auf einem Foto sehen würde?
Wir berichten dann, wenn wir die Informationen recherchiert haben und nicht, um möglichst als erste mit einer Nachricht draußen zu sein. Ebenso wie die Polizei benötigen auch wir Zeit, um Informationen abzusichern. Unsere Leserinnen und Leser können sich deshalb auf unsere Informationen verlassen. Alle, die uns mit Falschmeldungen, Gerüchten und ähnlichem beschäftigen, rauben uns wertvolle Zeit für eine tatsachenorientierte Berichterstattung. Alle die Falschmeldungen verbreiten, binden Kapazitäten von Polizei und Rettungskräften. In welchem Ausmaß dies geschehen kann, hat München gezeigt, wo die Polizei weitere “Täter jagte”, die es nicht gab.
Übrigens können Sie hier sehen, wie sorgfältig wir arbeiten – dieser Artikel ist in der Nacht des Amoklaufs in München entstanden: “Der medial verstärkte “Terror”“Alle Informationen sind im Kern zutreffend und unsere “Spekulation” eines fremdenfeindlichen Hintergrunds scheint sich gerade zu bestätigen, wie die FAZ berichtet.
Die Veröffentlichung von Videos und Fotos ist ganz überwiegend ein massiver Eingriff in Persönlichkeitsrechte. Und was man sieht und aufnimmt, ist nicht immer das, was zu sein scheint. Solche Informationen fehlt zudem in den allermeisten Fällen eine verständige Einordnung, die Privatleute ganz überwiegend nicht leisten können. Die Weiterverteilung von urheberrechtlich geschütztem Material schädigt die Urheber und ist ein Vergehen.
Hinweise sind wichtig
Selbstverständlich ist es richtig und wichtig, uns als Informant Hinweise zu geben oder als Zeuge an die Polizei. Das aber sollte verantwortlich und mit gesundem Menschenverstand geschehen. Und vor allem nicht öffentlich. Wenn es nämlich überhand nimmt, kann dem nicht mehr nachgegangen werden. Die Folge ist Chaos. Die Folge ist Abschottung. Die Folge ist, dass Kommentarfunktionen gesperrt werden. Die Folge ist, das Informationsangebote gelöscht werden. Die Folge ist, dass niemand mehr weiß, was eigentlich stimmt und was nicht. Und wenn das eintritt, leiden alle darunter, weil jegliche Ordnung fehlt – also auch die Falschmelder, die Gerüchteverbreiter und die Hass-Kommentatoren. Es kommt zur Mob-Bildung und zu Paniken.
Ist das eigene Verhalten korrekt?
Vor kurzem hat der Kommandant der Feuerwehr Schriesheim Oliver Scherer seinem Unmut Luft gemacht, weil immer öfter Gaffer Rettungsarbeiten behindern oder das Geschehen als fröhliche Fotokulisse sehen. Anweisungen werden nicht befolgt, Einsatzkräfte beschimpft und beleidigt. Von angeblich “anständigen” Bürgern.
Es gibt viele Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren – insbesondere die Feuerwehrleute bringen sich dabei manchmal sogar in Gefahr, um anderen zu helfen und diese zu retten. Dabei sehen sie teils schlimme Sachen, die man erst einmal verarbeiten muss, weil sie sehr belastend sind. Wenn diese vorbildlichen Menschen auch noch beleidigt und behindert werden, werfen die vielleicht hin. Und dann? Lässt man es halt brennen?
Hinweis: Spielt sich da vielleicht einer auf? Ja, das könnte sein. Das kann man nicht wissen, wenn man es eben nicht weiß. Wir kennen Herrn Scherer. Der ist nicht ansatzweise der Typ Mensch, der sich aufspielt, ganz im Gegenteil sogar. Ein ruhiger, bedächtiger Mann – das wissen wir aus Erfahrung, weil wir oft in Kontakt sind, weil wir bei Einsätzen dabei waren, weil wir sehr gut über die Feuerwehren in der Region informiert sind. Und wenn so einem die Hutschnur platzt, dann muss es arg sein. Wir hatten als erste darüber berichtet, andere Medien haben nachgezogen.
Reden Sie mit anderen darüber – stellen Sie Gerüchteverbreiter zur Rede
Machen Sie sich darüber bitte Gedanken und reden Sie mit anderen darüber. Stellen Sie andere zur Rede, mit denen Sie in sozialen Netzwerken verbunden sind und weisen Sie diese auf ein falsches Verhalten hin, wenn Sie dies beobachten.
Es ist nicht egal – es ist von großer Bedeutung, dass eine freie Gesellschaft mit Achtung und Respekt miteinander umgeht. Es ist von großer Bedeutung, dass wir uns an Regeln halten, die vernünftig sind. Es ist von großer Bedeutung, dass wir selbst als Menschen in Würde handeln.
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